Mäßige Lohnsteigerungen und hohe Sozialabgaben:Bundesbürger haben weniger Geld in der Tasche

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Seit der Wiedervereinigung stiegen die Kosten für die Lebenshaltung stärker als das Einkommen - deutsche Haushalte haben damit weniger Geld als vor 15 Jahren.

Thomas Öchsner

Viele Bürger in Deutschland haben den Eindruck, dass ihnen immer weniger Geld zum Ausgeben bleibt, während auf der anderen Seite Konzerne Milliardengewinne einstreichen und die Chefs in vielen Unternehmen ihre Gehälter zuletzt kräftig erhöht haben.

Das Haushaltseinkommen konnte in den vergangenen 15 Jahren mit der Preis-entwicklung nicht Schritt halten. (Foto: Foto: dpa)

75 Prozent der Bevölkerung kommen deshalb zu dem Schluss, die Politiker kümmerten sich zu wenig darum, dass es gerecht zugeht in Deutschland. Das besagen zumindest Umfragen. Durch die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes dürften sie sich nun bestätigt fühlen.

Die Statistiker in Wiesbaden stellten am Montag fest: Jeder private Haushalt verfügte 2005 im Durchschnitt über 33.700 Euro netto pro Jahr. Das entspricht einem Plus von etwa 30 Prozent verglichen mit den 26.000 Euro vor 15 Jahren.

Im Durchschnitt zwei Prozent weniger

Aber ,,real, das heißt nach Abzug von Preissteigerungen für die Lebenshaltung, stand den Haushalten 2005 im Durschnitt zwei Prozent weniger Einkommen zur Verfügung als 1991'', heißt es in einer Mitteilung des Bundesamtes.

Die Statistiker bezogen dabei alle Einkünfte der Haushaltsmitglieder ein, also neben Lohn und Gehalt, Rente, Arbeitslosengeld, oder Miete- und Kapitaleinkünfte.

Als ein Grund für das Minus bei den Realeinkommen gelten die eher mäßigen Lohn- und Gehaltssteigerungen. Nach Berechnungen des gewerkschaftsnahen WSI-Tarifarchivs stiegen die tariflichen Bruttoeinkommen in den vergangenen 15 Jahren um 43 Prozent. Nach Abzug der Inflation ergibt sich jedoch nur ein Plus von 8,3 Prozent.

Noch zu positiv

Selbst diese Zahl vermittelt nach Ansicht von Reinhard Bispinck, Tarifexperte des WSI in der Hans-Böckler-Stiftung, aber noch einen zu positiven Eindruck: ,,Die Tariflöhne sind das eine, die tatsächlich gezahlten Löhne das andere.'' Da die letzteren tendenziell nach unten gegangen seien, spiegele sich dies auch in den Einkommen der privaten Haushalte wider.

Ein Sprecher des Statistischen Bundesamtes nannte als weiteren Grund für das gesunkene Real-Einkommen steigende Sozialbeiträge. So hätten zum Beispiel die Sozialbeiträge von Arbeitgeber und Arbeitnehmern im Jahr 1991 zusammen 29,9 Prozent des Arbeitnehmerentgelts ausgemacht. Im Jahr 2005 lag dieser Wert bereits bei 32,8 Prozent.

Da die Arbeitnehmer davon in etwa die Hälfte zahlen, schlägt dieser Anstieg ebenfalls auf die Nettoeinkommen durch.

Unterschiedliche Entwicklung

Auffällig in der Statistik des Bundesamtes ist, wie unterschiedlich sich das Nettoeinkommen je nach der sozialen Stellung des Haupteinkommensbeziehers entwickelt hat.

Demnach verzeichneten Arbeiter und Nicht-Erwerbstätige den geringsten Anstieg des Nettoeinkommens. Bei Selbständigen war das Plus dagegen am größten.

Für den WSI-Einkommensexperte Claus Schäfer ist dies ein ,,ein Beweis dafür, dass die Spreizung der Einkommen in Deutschland zunimmt und sich die Schere zwischen Reich und Arm weiter öffnet''.

Nach neuen Daten des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) verfügt das oberste Zehntel der Haushalte über rund die Hälfte des Privatvermögens, die untere Hälfte über weniger als vier Prozent.

"Umverteilungspolitik funktionierte nicht"

Nach Ansicht von Schäfer zeigen die Zahlen des Bundesamtes, dass die ,,Umverteilungspolitik in den vergangenen 15 Jahren'' nicht funktioniert habe.

,,Hohe Einkommen und Gewinne von Unternehmen wurden steuerlich überproportional entlastet, während Arbeitnehmerhaushalte mit steigenden Sozialabgaben belastet wurden und zugleich geringe Tariferhöhungen hinnehmen mussten''. Dies habe die Wirtschaft ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen sollen. ,,Aber genau das Gegenteil ist passiert'', sagte Schäfer.

Hagen Lesch, Tarifexperte des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, wies diesen Vorwurf zurück. Bei den mäßigen ,Tariferhöhungen in den vergangenen Jahren sei zu berücksichtigen, dass im Gegenzug die Arbeitszeiten kürzer geworden seien.

"Lohnzurückhaltung brachte was"

Außerdem zeige sich gerade jetzt, dass die Lohnzurückhaltung und Steueranreize für Unternehmen sehr wohl etwas gebracht hätten. ,,Das zeigt der Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Jobs'', so Lesch.

Derzeit spricht viel dafür, dass es auch in Zukunft mit den Realeinkommen nicht aufwärts geht. 2007 erhöht sich der Beitrag für die Rentenversicherung von 19,5 auf 19,9 Prozent. Die Gesundheitsausgaben steigen, und der Fiskus greift zum Beispiel beim Sparerfreibetrag und der Pendlerpauschale stärker zu.

© SZ vom 28.11.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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