Madoff-Skandal:Der Mann, dem niemand zuhörte

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Harry Markopolos warnte schon vor acht Jahren vor dem Wall-Street-Betrüger Bernard Madoff. Jetzt sagte er vor dem Kongress aus.

Nikolaus Piper

Schon zwei Mal hätte er nach Washington kommen sollen, an diesem Mittwoch war es endlich so weit: Harry Markopolos, 52, Finanzanalyst und "zertifizierter Betrugsermittler" aus Boston, sagte vor dem Finanzausschuss des Repräsentantenhauses aus.

Harry Markopolos: "Um das Risiko zu minimieren, dass unsere Aktivitäten entdeckt werden, und die Bedrohungen für mich und mein Team klein zu halten, habe ich meine Berichte an die SEC nicht unterzeichnet" (Foto: Foto: AP)

Thema: der vermutlich größte Betrug in der Geschichte der Wall Street. Bösewicht in dem Spiel ist der bis zum 11. Dezember 2008 in ganz New York hoch angesehene Geldmanager Bernard Madoff, der gute Held dagegen Markopolos, ein zuvor völlig unbekannter Wirtschaftsprüfer aus Boston.

Bereits im Jahr 2000 hatte Markopolos die Behörden gewarnt: Madoff sei in Wirklichkeit kein erfolgreicher Vermögensverwalter, sondern betreibe ein gigantisches Schneeballsystem, er finanziere also die Gewinne der alten Investoren mit den Einzahlungen der neuen.

Damals wollte das niemand glauben. Jetzt legte Markopolos die Geschichte seiner Ermittlungen und seiner vielen erfolglosen Warnungen an die Börsenaufsicht SEC dem US-Kongress in einer 311 Seiten starken Stellungnahme vor.

Neun Jahre Angst

Sein Auftritt überraschte. Vor den Abgeordneten erschien ein furchtsamer, verschlossener Mann im gelben Hemd, der eher gegen seinen Willen zum Medienstar geworden ist. Zeile für Zeile las er seine Aussage vom Blatt ab. Demnach fürchtete er bei seinen Ermittlungen immer um seine persönliche Sicherheit, weil Madoff - er saß immerhin viele Jahre im Verwaltungsrat der Computerbörse Nasdaq - so überaus einflussreich an der Wall Street war.

"Um das Risiko zu minimieren, dass unsere Aktivitäten entdeckt werden, und die Bedrohungen für mich und mein Team klein zu halten, habe ich meine Berichte an die SEC nicht unterzeichnet", heißt es in seinem Bericht.

"Wir gingen davon aus, dass Herr Madoff, wenn er von unseren Bemühungen erfahren würde, sich so bedroht fühlen könnte, dass er uns die Luft abdrehen könnte. Da Herr Madoff ohnehin mit lebenslanger Haft rechnen musste, hätte es für ihn kaum ein zusätzliches Risiko bedeutet. Mehrfach in den vergangenen neun Jahren fürchtete jeder von uns um sein Leben."

Wie viele reale Gründe es für eine derartige Angst hab, wird man nie herausfinden, denn Madoff erfuhr nie etwas von den Ermittlungen. Markopolos ist dem Betrüger selbst auch nie begegnet. Wie er zu dem Fall kam, erzählte er vor kurzem der Zeitung Boston Globe in einem Interview.

Markopolos arbeitete bei Rampart Investment Management, einer Finanzfirma, die auf den Handel mit Optionen spezialisiert ist, also auf Finanzprodukte, die einem Anleger das Recht geben, Wertpapiere auf Termin zu einem bestimmten Preis zu kaufen.

Irgendwann im Laufe des Jahres 2000 war Markopolos' Chefs der Anlageerfolg der Firma Madoff aufgefallen, mit der sich Rampart in Konkurrenz sah. Und weil Markopolos einen Ruf als Mathematik-Genie hatte, bekam er den Auftrag, Madoffs Strategie zu entschlüsseln, damit sie Rampart imitieren konnte.

Doch Markopolos konnte keine Strategie hinter dem Erfolg entdecken und schöpfte erstmals Verdacht, vor allem weil Madoff jahraus, jahrein gleichbleibende Erträge auswies. "Man kann nicht alle Märkte dominieren", sagte er. "Irgendwann muss man auch Verluste ausweisen."

Der Analyst hatte damals zwei Theorien: Entweder betrieb Madoff "Frontrunning", er deckte sich also selbst mit Aktien ein, ehe er Kundenaufträge in eben diesen Aktien abwickelte, und strich so illegale Extra-Gewinne ein.

Oder aber er betrieb ein Schneeballsystem. Was Markopolos zusätzlich misstrauisch machte, war die Tatsache, dass Madoff seine Strategie sogar vor seinen eigenen Kunden geheim hielt.

Eigennützige Motive

Markopolos nahm Kontakt mit dem Bostoner Büro der SEC auf, wo man ihn ermutigte weiterzumachen. Dabei gab es für Markopolos durchaus eigennützige Motive: Wer der SEC einen Fall von Frontrunning meldet, kann mit einer Belohnung rechnen.

Doch auch als er die Theorie mit dem Frontrunning verwarf, blieb Markopolos an dem Fall Madoff dran, er war zu seiner persönlichen Sache geworden. "Mein Hintergrund als früheres Mitglied der Spezialeinheiten der US-Armee versetzte mich in die Lage, Netze zur Beschaffung vertraulicher Informationen aufzubauen, diese Informationen von Mitarbeitern vor Ort zu sammeln und die Daten zu analysieren, ehe ich mich an die SEC wandte", berichtete er dem Kongress. 2005 schickte er einen großen Bericht an die Börsenaufsicht unter dem Titel "Der größte Hedgefonds der Welt ist ein Betrug".

Doch im New Yorker Büro der SEC wollte ihn niemand ernst nehmen. Die Mitarbeiter hätten ihm nur wenige Fragen gestellt. Die Anwälte der Börsenaufsicht, so sagte er jetzt, machten "sich zum Komplizen von großen Betrügereien wie denen von Madoff - und sei es nur durch ihre Unfähigkeit und ihr Analphabetentum in Finanzfragen."

Die Sache verlief bei der SEC im Sande. Allerdings unterließ es Markopolos auch, andere Behörden einzuschalten, etwa die Bundespolizei FBI oder das von den Banken selbst betriebene Aufsichtsgremium Finra. Madoff wurde letztlich nicht von Markopolos zu Fall gebracht, sondern von sich selbst. Er offenbarte sich seinen Söhnen, und die zeigten ihn an.

Trotzdem ist Harry Markopolos jetzt ein Star, aber das scheint ihm Unbehagen zu bereiten. Steven Pearl, ein Filmproduzent, will einen Film über ihn drehen. Jetzt fürchtet er, dass Hollywood seine Geschichte zum Reißer macht. "Die packen doch nur Sex und Gewalt rein", sagt er.

© SZ vom 05.02.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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