Liechtenstein:Dreckig, unaufrichtig, vulgär

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Nigerias 1998 verstorbener Despot Sani Abacha hatte 185 Millionen Euro bei Banken in Liechtenstein liegen - nach Erkenntnissen eines Gerichts Schmiergeld vom deutschen Konzern MAN.

Uwe Ritzer

Sani Abacha, 55, starb keinen einsamen Tod. Gerade, als er sich mit zwei, manche behaupten sogar mit vier indischen Prostituierten vergnügte, hörte sein Herz zu schlagen auf. Die genauen Umstände seines plötzlichen Ablebens am 8. Juni 1998 wurden nie öffentlich gemacht.

Markenzeichen große Sonnenbrille: Als Herrscher über Nigeria hatte Sani Abacha viel Geld im Ausland gebunkert. Nun soll es zurückfließen. (Foto: Foto:)

Milliarden außer Landes geschafft

Zu Lebzeiten war Sani Abacha ein gefürchteter und mächtiger Mann. Fünf Jahre lang regierte er als skrupelloser Diktator Nigeria. Wieviele Menschen der Herrschaft des cholerischen Despoten in dem an Bevölkerung und Erdöl reichsten afrikanischen Land zum Opfer fielen, weiß niemand. Und auch darüber, wieviel Geld der korrupte Abacha und sein Clan illegal außer Landes geschafft haben, liegen die Schätzungen weit auseinander; zwischen einer und fünf Milliarden US-Dollar sollen es gewesen sein. Wenigstens weiß man zum Teil, wo das Geld liegt. Zum Beispiel in Liechtenstein.

Etwa 185 Millionen Euro sind dort auf Konten der fürstlichen Bank LGT, der Liechtensteiner Landesbank und der VP Bank eingefroren. Geht es nach dem Kriminalgericht in der Hauptstadt Vaduz, werden sie bald an den nigerianischen Staat überwiesen. So hat es Richterin Sonja Nachbaur nach einem höchst komplizierten Prozess verkündet. Für das Gericht ist Abachas Untreue zu Lasten des Staates Nigeria bewiesen. Mit diesem Spruch endete ein fast zweijähriger Prozess, bei dem Richterin Nachbaur und ihre vier Beisitzer auch hierzulande Zeugen vernommen haben. Nämlich Ex-Manager des Essener MAN Ferrostaal AG.

Ferrostaal zahlte Provision an den Diktator

Denn bei den 185 Millionen Euro handelt es sich nach Erkenntnissen des Kriminalgerichts um Schmiergeld, das die deutsche Firma an Abacha bezahlt hat. Ein Viertel der Vertragssumme für den Bau einer Aluminiumhütte in Nigeria soll Ferrostaal dem Diktator als angebliche Provisionen gezahlt haben, kurz nachdem dieser sich 1993 an die Macht geputscht hatte. Hierzulande ermittelte in dieser Sache die Staatsanwaltschaft Bochum. Im Jahr 2005 wurden die Verfahren eingestellt, nachdem der ehemalige Ferrostaal-Vorstandschef Klaus von Menges sowie drei weitere beschuldigte Manager Geldbußen zwischen 50.000 und 100.000 Euro bezahlt hatten.

Wobei längst nicht jeder, der nach Überzeugung der Liechtensteiner Staatsanwaltschaft dem Abacha-Clan beim illegalen Geldverstecken geholfen hat, wird auch juristisch zur Rechenschaft gezogen. Gerne hätten die Ankläger beispielsweise einen Vaduzer Treuhänder auf die Anklagebank gesetzt. Doch der Gesundheitszustand des 84-Jährigen lässt dies nicht mehr zu.

Gedächtnislücken, Aussageverweigerung

Gegen andere Beschuldigte wurden die Verfahren vom Kriminalgericht notgedrungen auf Eis gelegt oder eingestellt. Meist weil die Justiz ihrer, wie im Falle der beiden Söhne von Sani Abacha, Mohammed und Abba, nicht habhaft werden konnte. Überhaupt zog sich der Prozess in Vaduz zäh dahin. Viele Zeugen hatten Gedächtnislücken, verweigerten die Aussage, meldeten sich krank oder kamen erst gar nicht.

Abachas Schmiergeld aus Deutschland ist auf sechs Liechtensteiner Gesellschaften verteilt, die nach Überzeugung des Gerichtes eigens zur Geldwäsche gegründet wurden. Nach dem Tod des Diktators meldeten sowohl seine Familie als auch der Staat Nigeria Ansprüche auf das Geld an. Anfangs flossen 55 Millionen Euro aus Liechtenstein nach Nigeria. Ob die restlichen 185 Millionen Euro bald folgen werden, ist trotz des Urteils unklar. Denn die Anwälte des Abacha-Clans aus der Kanzlei des früheren Liechtensteiner Außenministers Ernst Walch haben dagegen Berufung angekündigt.

Einer der korruptesten Landstriche unter der Sonne

Liechtenstein ist nicht das einzige Land, in dem der massige Diktator, der bevorzugt riesige Sonnenbrillen trug und immer von einem Heer von Leibwächtern umgeben war, Geld verstecken ließ. Während er das Land plünderte, knüpften seine Söhne ein Netz ausländischer Tarnfirmen. So landete schmutziges Geld auch bei einem renommierten Geldhaus in Luxemburg.

Die Schweiz hat in den vergangenen Jahren allein 700 Millionen Franken aus dem Abacha-Vermögen dem Staat Nigeria überwiesen. Selbst der vornehme Finanzplatz London geriet in Verruf, als die Finanzaufsicht FSA 2001 insgesamt 42 Konten des Abacha-Clans bei zwei Dutzend britischen Banken ausfindig machte. Auf ihnen hätten zeitweise 1,4 Milliarden Euro gelegen, hieß es.

Die Finanzwächter monierten "erhebliche Schwächen bei den Kontrollen". Durch all dies sah sich der Schriftsteller Chinua Achebe im Urteil über sein Heimatland bestätigt. Nigeria, schrieb er, sei "einer der korruptesten Landstriche unter der Sonne, dreckig, lärmig, unaufrichtig und vulgär".

© SZ vom 25.07.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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