Leitwährung in der Krise:Ein Nachruf auf den Dollar

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Für eine Handvoll Dollar konnte man früher nicht nur im Wilden Westen fast alles bekommen. Das hat sich geändert, der rapide Verfall des Wertes in den letzten Wochen ist dafür nur ein Zeichen. Sicher ist: Wer sich auf die Stärke der einstigen Leitwährung verließ, der ist verlassen.

Jörg Häntzschel

D-Mark? Lire? Franc? Das waren banale Zahlungsmittel für Krämerseelen, gut, um eine Schachtel Zigaretten oder eine Zeitung zu zahlen. Der Dollar hingegen ist die Währung, deren Kurs immer höher stand als der aufgedruckte Nennwert. Seiner Bedeutung als Leitwährung entsprach eine ebenso bedeutende symbolische Rolle: Der Dollar stand für den Traum von einem Reichtum, mit dem man Freiheit bezahlen konnte. Und die Macht und Potenz, die damit einhergehen.

Ein dicker Dollarstapel in der Hose, so demonstrieren es unendlich viele Filmhelden, genügt, um sich die Welt gefügig zu machen. Schon die Häufigkeit allein, mit der Dollarscheine im amerikanischen Film zu sehen sind, ist bemerkenswert.

Während im europäischen Film das Geld zum Verschwinden neigt, auf die Bank getragen oder gehamstert wird, führen Amerikas Filmhelden einen faszinierenden wie schockierenden Umgang mit dem Geld vor: Es will ausgegeben werden, denn mit jedem verteilten Schein wächst der Ruhm und die Größe seines ehemaligen Besitzers. In Amerikas Kultur, das entdeckten die Europäer im Kino, durfte ungehemmt über Geld geredet, ungehemmt mit Geld spekuliert werden.

Schon die Filmtitel - "Für eine Handvoll Dollar", "The Six Million Dollar Man" oder einfach "$" (1971, mit Warren Beatty) - machten das deutlich. Die wahre Natur des Dollars zeigt sich denn auch in den unzähligen filmischen Pokerrunden. Die ganze Dollar-Ökonomie und mit ihr der amerikanische Way of Life folgte dem befreienden wie schockierenden Prinzip des Glücksspiels. Kurz: Der Dollar steht nicht nur für Geld, sondern für viel, für unendlich viel Geld.

Onkel Dagoberts ekstatische Kopfsprünge in die Berge von Scheinen, die sein "Geldspeicher" enthält, machen sämtliche Kinder der westlichen Welt seit Jahrzehnten damit vertraut. Und wenn sie zu alt für die "Mickey Maus"-Comics sind, erzählt das Kino das Märchen von den mythischen Dollarscheinen weiter.

In jedem dritten Hollywood-Film wechseln Koffer voller Geld die Besitzer. Genau wie für Dagobert, der sein Bad in Banknoten immer als "erfrischend" bezeichnet und dessen Verklärung sich sogar durch die Dollarzeichen in seinen Augen spiegelt, kommt dem durch und durch abstrakten Geld eine physische Qualität zu.

Dollars im Kino beeindrucken nicht durch die Zahl der Nullen, die daraufgedruckt sind, sondern durch Menge und Gewicht. Eines der klassischen Bilder Hollywoods zeigt den Gangster, der einen der vielen Stapel in die Hand nimmt und die Scheine wie ein Daumenkino durch seine Finger laufen lässt. In diesem Moment ist der Traum wahr geworden: Das Geld, das zuvor penibel gezählt werden musste, ist zu einer unerschöpflichen Ressource geworden, wie Luft oder Wasser. Es wird in die Höhe geworfen und schneit wie Konfetti zu Boden.

Der Dollar als Ikone des 20. Jahrhunderts

Doch in dieser ejakulativen Feier des Mythos Dollar zeichnet sich schon die depressive Ernüchterung ab, die folgen muss: Je mehr Geld, desto wertloser ist es und desto überforderter seine neuen Besitzer.

In der Kunst taucht der Dollar schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Motiv auf. Nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs, als die Währung schwächer war denn je, malten Künstler wie William Michael Harnett Dollarnoten in Trompe-l'œuil-Technik, die wirkten, als seien sie schon durch Tausende Hände gegangen - und wurden dafür prompt als Geldfälscher verfolgt.

Viel später, mit der Pop Art, kehrte der Dollar als Motiv zurück. Andy Warhol hatte ursprünglich vorgeschlagen, die Scheine selbst als Kunstwerk aufzuhängen: "Wenn jemand zu Besuch kommt, sieht er als Erstes das Geld an der Wand." Dann druckte er aber doch seine eigenen Exemplare, zum Beispiel "Eighty 2-Dollar Bills, Front and Rear" - ein logischer Schritt, nachdem er Suppendosen und Schachteln von Topfreinigern auf die Leinwand gebracht hatte.

Auch der Dollar ist nur eine Marke, eine graphische Ikone seiner Zeit. Der abstrakte Wert des Kunstwerks überstieg den abstrakten Wert der Banknoten fast augenblicklich. Auch Robert Rauschenberg, Edward Kienholz und viele andere zitieren den Dollar in ihren Werken. Demgegenüber steht die Ikonographie von HipHop und Rap mit ihren Darstellungen eines krassen, provozierenden Materialismus. Das $-Zeichen in Gold wird dort getragen wie einst das Kruzifix.

© SZ vom 24./25.11.2007/sho/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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