Lehren aus der Finanzkrise:Nie mehr blind

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Nach Lehman ist vor Lehman: Banken müssen pleitegehen können, um eine Verstaatlichung der Kreditwirtschaft auf Dauer zu vermeiden.

Helga Einecke

Mit dem Zusammenbruch des weltweiten Finanzsystems rechnete kaum einer. Nicht einmal die Notenbanken, die es am ehesten hätten wissen müssen. Und doch drohte im vergangenen Herbst der Untergang. So ahnungslos dürfen die Retter nicht bleiben, lautet die wichtigste Lektion aus der Pleite der US-Investmentbank Lehman. Am Wochenende diskutierten die Zentralbanken aus aller Welt in Basel hinter verschlossenen Türen, wie sie die Geldströme beherrschen können. Die Zeit drängt, das kaputte Finanzsystem muss gleichzeitig repariert und mit neuen Regeln wetterfest gemacht werden.

Auch die Notenbanken (hier die EZB) müssen Lehren aus der Krise ziehen. (Foto: Foto: AP)

Sind Vorschriften für Finanzgeschäfte überhaupt Aufgabe der Notenbanken? Haben die nicht nur für stabile Währungen und Preise oder ein bisschen Wachstum zu sorgen? Tatsächlich lassen Notenbanken das Geld drucken und versorgen den Finanzkreislauf mit mehr oder weniger Euros und Dollars. Weitertransportiert wird es von Banken und anderen Finanzhäusern, nicht immer auf nachvollziehbaren Wegen. In vielen Ländern sind die Notenbanken in die Aufsicht der Banken eingebunden, auch in Deutschland.

Aber sie scheinen nicht miteinander zu reden und ihr Wissen auszutauschen. Wie sonst hätten eine Hypo Real Estate, eine IKB und eine SachsenLB in Irland die waghalsigsten Geschäfte eingehen können? Ein Tipp aus Dublin an die Bundesbank hätte genügt, zum Beispiel am Rande einer Notenbankkonferenz in Basel. Es muss also eine Übersicht her. Wo landen die Gelder der Banken, Fonds, Versicherungen? Die meisten Zahlungen sind dokumentiert, vermutlich aber schlecht aufbereitet. Das sollte im Computer-Zeitalter die geringste Schwierigkeit sein. Die Aufsicht über Klumpenrisiken, die das System kollabieren lassen, muss weltweit organisiert werden, entweder in Basel bei den Notenbanken oder in Washington beim Internationalen Währungsfonds - deshalb, weil das Geld auch weltweit und grenzenlos unterwegs ist.

Die dicksten Klumpen, die sich bei den Banken durch hochriskante Wertpapiere abgelagert haben, müssen erst einmal aufgelöst werden. Die Notenbanken könnten diesen Müll einfach übernehmen und so die Banken startklar für die Kreditvergabe machen. Dann aber zahlt der Steuerzahler dafür, denn Notenbanken sind Volkseigentum. Für etwaige Verluste der Bundesbank muss das Bundesfinanzministerium aufkommen. Nein, die Banken müssen mitzahlen, denn sie haben das System zum Wanken gebracht. Das geht aber nicht von heute auf morgen. Etliche Banken sind selbst kaputt, benötigen staatliche Hilfen. Die Verhandlungen über Giftmüll-Depots für Wertpapiere (Bad Banks) laufen zumindest in Deutschland zäh.

Künftig müssen Banken riskante Kredite mit mehr eigenem Kapital unterlegen, um im Notfall darauf zurückzugreifen. Das ist ein alter Hut, darüber wurde unter dem Stichwort Basel II unter tätiger Mithilfe der Notenbanken lange gerungen, offenbar nicht mit den richtigen Schwerpunkten oder zu spät. Die neuen Eigenkapitalvorschriften aber sind ein gutes Beispiel dafür, wie es nicht mehr laufen darf. Die sind nämlich so kompliziert, dass sie beinahe mit den undurchschaubaren Kreditketten der Banken mithalten können. Die Amerikaner scheuten dieses Regelwerk und machten ihren Banken die ungehemmte Kreditvergabe möglich.

In der Krise hielten die Notenbanken zusammen. Sie senkten gemeinsam die Zinsen, um ein Signal zu setzen. Sie gaben den Banken eigene und andere Währungen, insbesondere Dollars. Nun sollten sie gemeinsam darauf dringen, das komplexe Finanzsystem einfacher zu gestalten. Banken müssen künftig pleitegehen können, will man die Kreditwirtschaft nicht auf Dauer verstaatlichen. Aber bei Lehman II muss zwingend vorher klar sein, wie viele Gläubiger weltweit betroffen sind und ob das Finanzsystem diesen Ausfall verkraften wird. Schon früher testeten die Notenbanken die Banken ihres Landes. Nach diesen Tests erzählten sie gern, wie gut die heimische Kreditwirtschaft aufgestellt und gegen schlimmste Kreditausfälle gewappnet sei. So kann man sich irren.

© SZ vom 29.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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