Kritik an Regeldichte:Ärger über Anlegerschutz

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Das Deutsche Aktieninstitut (DAI), eine Art Lobby-Organisation börsennotierter Gesellschaften, kritisiert die geltenden Gesetze zum Anlegerschutz. Aktionärsschützer sehen das freilich anders.

Helga Einecke

Der einheitliche europäische Finanzmarkt und spektakuläre Bilanzskandale zogen viele neue Gesetze nach sich. Die EU schrieb ihre Vorgaben in einem Aktionsplan Finanzdienstleistungen fest. Hinzu kam der Katalog der deutschen Regierung zur Stärkung des Anlegerschutzes, das sogenannte Zehn-Punkte-Programm.

(Foto: Foto: sueddeutsche.de)

Die privaten deutschen Anleger dankten dem Gesetzgeber diese Fürsorge allerdings nicht. Die Zahl der Aktionäre ging seit dem Boom 2001 um 2,5 Millionen zurück und sank ungeachtet eines längeren Anstiegs der Aktienkurse auf zuletzt nur noch 10,3 Millionen. Alleine von 2005 auf 2006 sank die Zahl jener Bürger, die Aktien via Direktinvestment oder Fonds halten, um eine halbe Million.

Max Dietrich Kley, Präsident des Deutschen Aktieninstituts (DAI), zeigte sich über diese Entwicklung besorgt. "Sie muss unbedingt beendet und zum Besseren gewendet werden", sagte er am Dienstag.

Zertifikate verbriefen nicht den direkten Besitz von Aktien

Der Erfolg der boomenden Anlageklasse Zertifikate sorge nicht für eine bessere Aktienkultur. Zertifikate sind keine Papiere, die den direkten oder indirekten Besitz von Aktien verbriefen, sondern sind lediglich Schuldverschreibungen, deren Rendite häufig an die Entwicklung von Aktien oder Aktienindizes geknüpft sind.

Zertifikate tragen nach Ansicht Kleys deshalb nur begrenzt zu einem wesentlichen Aspekt der Aktienkultur bei, nämlich zur Bereitstellung neuen Eigenkapitals für Unternehmen und damit zur Finanzierung von Investitionen und Arbeitsplätzen. "Wir brauchen deshalb neben den Zertifikaten nach wie vor Aktien und Aktienfondsanteile in den Depots der privaten und institutionellen Anleger", sagte er.

Für die erhoffte Wende zum Besseren braucht das Aktieninstitut erneut den Gesetzgeber. Mehr Steuerfreiheit für die Geldanlage in Aktien bei der Altersvorsorge wünschen sich die Vertreter der Aktionärsinteressen.

Bei der geplanten Abgeltungsteuer plädieren sie für einen niedrigeren Satz als die bisher festgesetzten 25 Prozent. Die eigenen Ideen des DAI für die Belebung der Aktienkultur reichen vom Lernen in der Schule bis hin zur Forschung an der Universität, um mehr über die Abneigung der Deutschen gegenüber Aktien herauszufinden.

Lobby-Organisation börsennotierter Gesellschaften

Auch eigene Studien gehören zum Repertoire des Instituts, das im Wesentlichen eine Lobby-Organisation börsennotierter Gesellschaften ist. Die neueste Untersuchung beschäftigt sich mit Kosten und Nutzen der neuen Vorgaben aus Brüssel und Berlin.

Das Ergebnis kann kaum verwundern: Die börsennotierten Unternehmen fühlen sich durch die vielen neuen Gesetze belastet, sie bezeichnen sie als nicht einmal nützlich für den Kapitalmarkt. DAI-Geschäftsführer Rüdiger von Rosen fordert, vorhandene Finanzmarktgesetze sorgfältig zu untersuchen und notfalls zu ändern, selbst wenn sich dies als langwierig erweisen sollte.

Er fürchtet, Unternehmen könnten durch die Regeldichte abgeschreckt werden, ihren Kapitalbedarf an der Börse zu decken. Den Einwand, die Gesetze dienten vorwiegend dem Anlegerschutz, ließ er nicht gelten. Es gehe um den Ausgleich zwischen unverzichtbarem Anlegerschutz, unternehmerischer Entscheidungsfreiheit und tragbaren Kosten.

Konkret forderte von Rosen, den Zwang zu einer schriftlichen jährlichen Zusammenfassung aller kapitalmarktrelevanten Meldungen zu streichen, weil diese im elektronischen Unternehmensregister abrufbar seien.

Nutzen von Insiderverzeichnissen fraglich

Zweitens sei der Nutzen von Insiderverzeichnissen fraglich, bei denen die Unternehmen ihren gesamten Mitarbeiterstab an die Finanzaufsicht meldeten. Drittens sollte die Grenze, von der an Manager Börsengeschäfte melden müssen, aus Gründen der internationalen Vergleichbarkeit angehoben werden. Auch der Emittenten-Leitfaden der Finanzaufsicht müsse überarbeitet werden.

Die DAI-Studie basiert auf der Antwort von 78 Firmen, die die Hälfte aller deutschen Aktienwerte repräsentieren. Mehr als 40 Prozent der Unternehmen gaben an, durch die neuen Gesetze mehr Mitarbeiter mit der Überwachung zu beschäftigen und höhere Kosten zu haben.

Als Nebenwirkungen der neuen Gesetze führten die befragten Firmen zu starre Regeln am Kapitalmarkt, zu viel Beschäftigung mit rechtlichen Fragen, Überwachung und Investor Relations an. Sie monierten eine zunehmende Rechtsunsicherheit, das Eigenleben von Aufsichtsbehörden und das Fehlen von Marktlösungen und Selbstregulierung. Schlechte Noten bekamen unter anderem die erweiterten Pflichten für Ad-hoc-Meldungen.

"Es gibt keine Überregulierung"

Aktionärsschützer widersprechen allerdings dem Tenor der Studie und den Forderungen der DAI-Spitze. Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz sagte auf Anfrage: "Es gibt keine Überregulierung. Die deutschen Anleger stehen besser da als vor fünf Jahren."

Zu viele neue Gesetze und zu viel zusätzliche Arbeit durch Anlegerschutz- Regeln: Das beklagt fast jedes zweite börsennotierte Unternehmen, wie eine Umfrage des Deutschen Aktieninstituts (DAI) ergab.

Viele Firmen beklagen zudem eine zunehmende Rechtsunsicherheit. Das DAI fordert unter anderem, den Zwang zu einer schriftlichen jährlichen Zusammenfassung aller kapitalmarktrelevanten Meldungen zu streichen. Begründung: Diese seien im elektronischen Unternehmensregister abrufbar.

© SZ vom 28.03.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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