Konversion:Auf schwierigem Terrain

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Auf dem Areal der Münchner Funkkaserne entsteht ein neues Quartier. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Der Umbau von Kasernen soll die Wohnungsnot lindern. Das klappt aber nur in Ballungsgebieten. Und auch dort geht es meistens mehr um die Flächen als darum, vorhandene Gebäude zu sanieren - oft ist der Abriss die einfachere Lösung.

Von Peter Blechschmidt

"Schwerter zu Pflugscharen" war in den 1980er-Jahren ein oft geäußerter frommer, aber illusionärer Wunsch der Friedensbewegten. Mit dem Ende des Kalten Krieges machte das Wort von der Friedensdividende die Runde. Schrumpfende Armeen und sinkende Rüstungsausgaben schienen bessere, weil friedlichere Zeiten zu signalisieren. Zu diesem Bild gehörten Kasernen, die nicht mehr gebraucht wurden und nun in Wohnraum umgewandelt werden könnten. Auch wenn die Zeichen auf vielen Ebenen mittlerweile wieder mehr auf Konfrontation stehen, so geht doch die Umwandlung vieler militärischer Liegenschaften in eine zivile Nutzung weiter. Ob aber ehemalige Kasernen tatsächlich einen signifikanten Beitrag zur Linderung der Wohnungsknappheit in Ballungsräumen leisten, ist fraglich.

Durch die Verkleinerung der Bundeswehr von ehedem 500 000 auf jetzt 185 000 Soldaten und durch den Abzug der meisten Stationierungskräfte der ehemaligen Weltkriegssieger werden, so die offiziellen Zahlen der Bundesregierung, bis zum Jahr 2020 Liegenschaften mit einer Fläche von mehr als 37 000 Hektar aus der militärischen Nutzung entlassen. Allein von der Schrumpfung der Bundeswehr sind 120 Standorte betroffen. Was zunächst wie ein gewaltiger Schub für das Immobiliengeschäft aussieht, erweist sich bei näherem Hinsehen als zweischneidige Angelegenheit. Zwar gibt es vor allem im Westen und in der Mitte Deutschlands eine Reihe von Beispielen, wo die Neunutzung ehemaliger Kasernen als Wohnraum gut gelungen ist. Das gilt für attraktive Ballungsgebiete mit steigender Nachfrage. Dem stehen aber vielfältige Probleme in strukturschwachen Regionen gegenüber, wo zivile Interessenten Mangelware sind.

Alleinige Eigentümerin und damit zuständig für die Vermarktung ehemaligen Militärgeländes, die sogenannte Konversion, ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) mit Hauptsitz in Bonn. Sie hat nach jüngsten Angaben zwischen 2011 und 2015 im gesamten Bundesgebiet etwa 1290 Kaufverträge für ehemals militärisch genutzte Liegenschaften abgeschlossen. Über die dabei erzielten Erlöse hüllt sich die Bima in Schweigen. Im aktuellen Bestand der bundeseigenen Gesellschaft befinden sich derzeit 825 sogenannte Konversionsliegenschaften mit einer Gesamtfläche von rund 29 730 Hektar.

Nur ein vergleichsweise geringer Anteil davon lässt sich in Wohnraum umwandeln beziehungsweise als Baugrund für neue Wohneinheiten nutzen. Militärgelände besteht nur zu einem kleineren Teil aus bebauten Grundstücken. Vielmehr gehören dazu weiträumige Übungsplätze im freien Gelände, Flugplätze oder Hafenanlagen. Nur etwa ein Drittel aller freiwerdenden Militärflächen umfasst klassisches Kasernengelände, und auch dort sind nach Schätzung von Fachleuten allenfalls 20 Prozent der Bebauung für die Umwandlung in Wohnraum geeignet. Viele Freiflächen wie Sport- oder Appellplätze, Werkstätten, Garagen sowie Büro- und Kantinengebäude können allenfalls als Baugrund verwendet werden. "Tatsächlich geht es gerade in Ballungsgebieten vor allem um die Fläche", sagt Marc Weinstock von der Wiesbadener Projektentwicklungsgesellschaft DSK. "Infrastruktur und Gebäudesubstanz sind oft nicht mehr nutzbar. Da sind Abriss und Neubau einfach besser."

Fachmännisch sanierte oder neu bebaute Kasernenareale in Wachstumsregionen lassen sich gut an den Mann bringen, bestätigt Weinstock. Allerdings sind die Zuwächse für den Wohnungsmarkt überschaubar. Als Beispiele für gelungene Konversion führt die Bima etwa die ehemalige Bradbury-Kaserne in Krefeld oder die einstigen Lincoln-Barracks in Münster an. Dort sind 350 beziehungsweise 400 neue Wohnungen entstanden. In Brandenburg, wo die ehemalige Sowjetarmee riesige Areale hinterlassen hat, konnten nach einer Analyse der Brandenburgischen Boden GmbH nur zwei Prozent der Liegenschaften für Wohnen und Wohnbauflächen genutzt werden.

Dabei bieten Konversionsflächen im Kontext der allgemeinen Wohnungsbaupolitik durchaus manchen Vorteil. Innenstadtlagen tragen dazu bei, den Flächenverbrauch auf der "grünen Wiese" zu reduzieren. Bei Neubebauung können Klimaschutz und Energie-Einsparung sowie neue Formen kooperativer Entwicklung wie genossenschaftliches Wohnen realisiert werden. Mitunter enthält alte, teils denkmalgeschützte Bausubstanz bei Kasernen auch Potenzial für unverwechselbare Standorte.

Gleichwohl ist Konversion kein trivialer Vorgang, sondern ein hochkomplexer Prozess. Es dauert meist Jahre, bis aus einer ehemaligen Kaserne ein lebenswertes Wohngebiet geworden ist. Oft konkurrieren Gemeinden und private Investoren um Grundstücke. Unter bestimmten Bedingungen können Kommunen ein Erstzugriffsrecht geltend machen. Andererseits fehlen oft Planung und Finanzierung durch die öffentliche Hand; bis sie stehen, geht viel Zeit ins Land.

Funktioniert die Stromzufuhr? Ist das Gelände durch Treibstoff oder Munition kontaminiert?

Schwierig ist auch die Preisfindung. Einerseits ist die Bima gesetzlich verpflichtet, ihre Bestände zu marktüblichen Konditionen abzugeben. Andererseits hat der Bundestag die Bima ermächtigt, Grundstücke für besondere Zwecke wie den sozialen Wohnungsbau oder die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften verbilligt herzugeben. Schon herauszufinden, welches Gelände für welche Nutzung geeignet ist, stellt oft ein Problem dar. Was an der alten Kaserne kann man noch nutzen, was muss erneuert werden? Funktioniert die Stromzufuhr oder die Abwasserentsorgung noch? Ist das Gelände durch Altlasten wie Treibstoffe oder Munition kontaminiert?

Aus all diesen Gründen bleibt das Angebot an Wohnraum in ehemaligen Kaser- nen überschaubar. Immerhin eines aber hat DSK-Entwickler Weinstock noch nicht beobachtet: dass sich Käufer oder Mieter aus ideologischen Gründen von einstigen Militärobjekten hätten abschrecken lassen. Für den einen oder anderen mag ja das Bild von den "Schwertern zu Pflugscharen" sogar Realität geworden sein.

© SZ vom 10.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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