Konjunktur:"Mit dem Wort Rezession tun wir uns schwer"

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Volkswirte erwarten für Deutschland keine Rezession - lediglich eine "spürbare Abkühlung".

Helga Einecke

Die schlimmste Einschätzung kommt aus und für die USA: Entweder ist die amerikanische Wirtschaft bereits in einer Abschwungphase oder sie rutscht gerade in eine Rezession.

Das schreibt die Investmentbank Goldman Sachs als Reaktion auf die Kursverluste der Aktien und den anhaltenden Abschreibungsbedarf großer Banken.

Deren Volkswirte haben ihre Prognose für alle Länder weltweit nach unten geschraubt, glauben aber an eine Erholung im Jahr 2009.

"Mit dem Wort Rezession tun wir uns schwer", sagt dagegen Mario Gruppe, Marktanalyst der NordLB. Er spricht lieber von einer "spürbaren Abkühlung". Tatsächlich sei die Stimmung in den USA getrübt, die Arbeitslosigkeit relativ hoch, und die übrigen Zahlen hätten zum Jahresauftakt enttäuscht.

Deutschland als Wachstumslokomotive

Für Europa und Deutschland äußert er sich freundlicher. Die Unsicherheit an den Finanzmärkten greife noch nicht auf die reale Wirtschaft über. Die Wirtschaft könne 2008 im Euroraum und in Deutschland jeweils um 1,8 Prozent wachsen.

Deutschland sei die Lokomotive für den gesamten Raum. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank, empfindet den Konjunktur-Start ins neue Jahr als holprig. Er deutet den Abwärtstrend der Stimmungsindikatoren als eine bevorstehende Delle. Auf eine bevorstehende Rezession weise bisher nichts hin.

Ökonomen zerlegen die im August ausgebrochene Finanzkrise gern in drei Phasen: Zunächst wurde das Geld knapp, weil sich die Banken gegenseitig keine kurzfristigen Kredit mehr gewährten. Die Notenbanken sprangen ein, um den Liquiditätsengpass zu überbrücken. Derzeit entspannt sich die Lage am Geldmarkt, während die Phase zwei neue Ängste weckt.

Die von der US-Immobilienkrise betroffenen Banken müssen Kreditportfolios massiv abschreiben und sich neue Geldgeber suchen, häufig aus Öl produzierenden Ländern. Eine Begleiterscheinung sind eine schlechtere Bewertung der Banken am Aktienmarkt und die Flucht in Staatsanleihen oder in Gold. Erst in Phase drei kühlt die Konjunktur ab, leiden Firmen unter sinkender Nachfrage und stockt das volkswirtschaftliche Wachstum.

Nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) wird sich die Delle in Deutschland mit einem Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent im ersten Quartal 2008 noch in Grenzen halten. Bereits im vierten Quartal 2007 hat sich der DIW-Einschätzung zufolge das Konjunkturtempo auf ein Plus von 0,4 Prozent verlangsamt. Bundesbankpräsident Axel Weber sagte: "Ich würde in Deutschland nicht von Rezessionsgefahren reden." Er hält ein Wirtschaftswachstum von zwei Prozent für den Euroraum und für Deutschland in diesem Jahr noch für denkbar.

Die Wirtschaftsweisen Wolfgang Franz und Peter Bofinger sind weniger optimistisch. Sie sehen den Höhepunkt der Finanzkrise erst im Laufe des Jahres. Weitere Schuldner dürften in Schwierigkeiten geraten, Kredite ausfallen und den Banken die Bilanz verhageln.

© SZ vom 17.1.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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