Konflikt mit den eigenen Anhängern:Sarkozys Steuertricks

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Frankreichs Präsident auf Konfrontationskurs: Nicolas Sarkozy will den Mittelstand zur Kasse bitten und dafür die Armen entlasten - seine Anhänger toben.

Michael Kläsgen

Noch sind nicht alle Franzosen aus dem Sommerurlaub zurück, da herrscht im Land eine Stimmung wie im Tollhaus. Der Grund: Präsident Nicolas Sarkozy hat sich eine neue Steuer ausgedacht, und zwar auf Kapitaleinkünfte, also auf Mieteinnahmen, Dividenden, Aktiengewinne und Lebensversicherungen. Damit will er die 1,5 Milliarden Euro aufbringen, die angeblich fehlen, um eine neue Variante des französischen Kombilohns (Revenu de solidarité active, RSA) zu finanzieren. Jener soll dazu dienen, Sozialhilfeempfänger und Alleinerziehende aus der Armutsfalle zu hieven.

Frankreichs Präsident Sarkozy legt sich mit den eigenen Anhängern an. (Foto: Foto: AFP)

Wie in vielen westeuropäischen Ländern lohnt es sich für sie kaum, eine Arbeit anzunehmen, weil dann die Hilfe wegfällt und sie unter Umständen weniger Geld erhalten als durch die Transfers. Mit dem neu gestaffelten Lohnzuschuss will Sarkozy das von Mitte 2009 an ändern. Sozialhilfeempfänger, die auf Mindestlohnbasis Teilzeit arbeiten, sollen dann im Monat etwa 200 Euro mehr in der Tasche haben. Allein: Die Staatskassen sind leer.

Seit seinem Amtsantritt vor gut einem Jahr hat Sarkozy bereits ein halbes Dutzend neuer Abgaben erfunden: Fisch besteuerte er, weil der Schiffsdiesel teurer wurde, Internetbetreiber und Mobilfunker müssen herhalten, weil er Werbung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen verbot, und Zusatzkrankenversicherungen schröpft er, weil die Sozialkassen in der Kreide stehen.

Sozialisten jubeln

Das Besondere an der neuen Steuer ist, dass Sarkozy damit sein politisches Lager vergrätzt. "Ich bin nicht gewählt worden, um neue Steuern zu schaffen", meckert ein UMP-Abgeordneter. Die Steuer sei eine "sozialistisch-kommunistische Maßnahme", ätzt ein anderer. Die Linke hingegen ist erfreut, weil "die Reichen für die Armen" aufkämen. In Paris herrscht verkehrte Welt.

Als wäre das nicht genug, unterstrich Sarkozy mit einer politischen Geste am Donnerstag noch das Wechselspiel. Die Maßnahme verkündete er in dem kleinen Örtchen Laval, während vor den Toren von Paris der Arbeitgeberverband Medef seine dreitägige Sommerakademie zelebrierte, mit zahllosen internationalen Konzernlenkern und Politgrößen wie dem Ehrengast König Abdallah von Jordanien, aber ohne Sarkozy.

Affront gegen Arbeitgeber

Der stellte sich hingegen in Laval, wo wie in 34 anderen Gemeinden der Kombilohn getestet wird, an die Seite des Mannes, der sich den neuen Lohnzuschuss ausgedachte: Martin Hirsch. Der war früher Chef der Wohlfahrtsorganisation Emmaus, die Obdachlose speist und beherbergt. Hirsch ist ein kantiger Typ. Er verweigert den Titel Minister und nennt sich stattdessen Hoher Kommissar.

Auf Fotos mit seinen Kabinettskollegen stellt er sich gern zwei Meter abseits, um zu signalisieren: Mit denen da habe er nichts zu tun. Medef-Chefin Laurence Parisot war über Sarkozys Affront entsprechend ungehalten: "Wir müssen weg von dieser französischen Manie, die da lautet: Wo können wir noch eine neue Steuer draufsetzen?" Die Steuer komme zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Tatsächlich schrammt Frankreich im besten Fall mit Mühe an einer Rezession vorbei, die Immobilienpreise sinken, und die Klage über mangelnde Kaufkraft ebbt nicht ab. Eine weitere Steuer dürfte die Malaise beschleunigen. Andere Länder wie die USA oder Spanien legen derweil Konjunkturprogramme auf.

Sarkozy will den Menschen Geld wegnehmen, und zwar nicht den Superreichen. Die Steuer in Höhe von 1,1 Prozent trifft nach Expertenmeinung große Teile der Mittelschicht: die zwölf Millionen Inhaber einer Lebensversicherung, die 6,5 Millionen Kleinaktionäre und die vier Millionen Grundsteuerpflichtigen. Dabei hatte Sarkozy noch vor einem Jahr gebetsmühlenartig wiederholt: "Man muss den Franzosen die Wahrheit sagen: Wenn man das Kapital zu sehr besteuert, verschwindet es."

© SZ vom 29.08.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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