Kanada:"Werden dieses Jahr einen Goldrausch haben"

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Im kanadischen Dawson City hoffen Schürfer auf das große Glück. Von Hunderten wird vielleicht einer reich. Doch der Optimismus bleibt groß.

Bernadette Calonego

In der Goldgräberstadt Dawson City darf man den gefrorenen Yukon-Fluss nicht mehr betreten. Unter der wärmenden Frühlingssonne taut das Eis. Bald werden die Eisblöcke unter großem Getöse aufbrechen und den Fluss hinuntertreiben. Ungeduldig warten die Goldschürfer im kanadischen Yukon-Territorium darauf, dass die Bäche wieder fließen und sie Gold aus dem Sand waschen können. "Mit den heutigen Preisen werden wir dieses Jahr einen Goldrausch haben", prophezeit Reid Haines, der in Dawson City Werkzeug einkauft.

Entlang des Yukon-Flusses werden nicht nur Schlittenhundrennen gefahren - es wird dort auch Gold gefunden (Foto: Foto: AP)

Der Kanadier hat sich mit einem Partner zusammengetan und will einige Leute anheuern, um das Beste aus dem heutigen Goldboom herauszuholen. Reich geworden ist er bislang nicht, seine Einnahmen hat er in eine bessere Ausrüstung gesteckt. "Es kostet enorm, das Gold herauszuholen", sagt er, "und es gibt viele große Firmen in diesem Geschäft." Aber, so versichert Haines, Leute wie er hätten im Yukon immer noch die Chance, eine reiche Goldader zu entdecken.

Stilles Glück

Die Glücklichen, die in Dawson City reich werden, hängen es allerdings nicht an die große Glocke. "Wir erzählen niemandem, was wir finden", sagt Haines. Man sieht es auch so. Wenn jemand plötzlich in großem Stil neue Trucks und Maschinen kauft. Oder wenn Goldsucher von einem Tag auf den andern aus Kanadas Norden in die Wärme des amerikanischen Südens abhauen. "Die Millionäre bleiben nicht hier, die gehen nach Hawaii oder nach Palm Springs", sagt Romy Jansen, die seit über zwanzig Jahren selbstgemachten Goldschmuck in ihrem Laden Wild & Wooly verkauft: "Von Hunderten schafft es vielleicht einer."

Dawson City sieht vielerorts immer noch wie zu Zeiten des Goldrausches aus. Hölzerne Gehsteige auf Stelzen führen über den Permafrost-Boden, der sich bei Regen in Schlamm verwandelt. Einige historische Gebäude zerfallen, andere erstrahlen im alten Glanz, wie Diamond-Tooth-Gertie's Spielhalle und Bombay Peggy's einstiges Bordell, das heute ein Gasthaus ist. Die Hoffnung auf sagenhaften Reichtum hatte 1897 Zehntausende Goldsucher in den Yukon gelockt, auch den legendären Dichter Jack London, nachdem die Kunde vom Gold im Klondike River die Runde gemacht hatte. Viele Männer und einige Frauen wollten der Depression in den USA entfliehen. Nach einer zermürbenden Schiffsreise landeten die meisten in Skagway, mussten im Winter Tonnen von Lebensmitteln über steile Bergpässe schleppen und im Sommer gefährliche Stromschnellen auf den Flüssen überwinden.

Die meisten scheitern

Als sie endlich 1898 in Dawson City ankamen, waren alle Goldgräberlizenzen bereits vergeben. Die meisten kehrten verarmt nach Hause zurück. Heute leben nur noch knapp 1900 Menschen hier und nicht wie während des Booms, fast 40 000. Aber Gold ist im Yukon immer noch zu finden, und in der Bar des Hotels Eldorado treffen sich heute wie einst die Goldsucher und Geschäftsleute.

Claim 33 ist Jerry Brides registriertes Goldsuchgebiet, nicht weit vom Bonanza Creek und Eldorado Creek, den zwei Bächen bei Dawson City, wo 1896 das erste Gold gefunden wurde. Noch liegt Schnee, aber bald wird Jerry Bride in etwa 20 Kilometern Entfernung nach Gold graben. Er holt seine Goldpfannen aus dem von einem Holzofen geheizten Zelt, in dem er lebt. In der Pfanne wäscht er Kies und Sand und Dreck aus dem Bach, wie einst die Männer vor über hundert Jahren.

Das schwere Gold sinkt auf den Pfannenboden und kann so herausgeklaubt werden. "Die kleinen Pfannen sind für Anfänger", sagt Bride. "Ich nehme die große." Die Goldpartikel zeigen oft ein größeres Vorkommen tiefer im Untergrund an, in der Regel in Gestein eingeschlossen. Dann muss der Goldgräber in die Tiefe graben, um zur Ader zu gelangen.

"Im letzten Sommer fand ich rund 100 Feinunzen Gold", sagt der Schürfer und fingert fünf Nuggets aus einem Behälter. Das sind nach heutigen Preisen mehr als 90000 US-Dollar. Für Nuggets werde aber zwei- bis dreimal mehr Geld bezahlt als für geschmolzenes Gold, sagt Bride. Denn Nuggets sind einmalig in der Form und als Schmuck und Souvenirs begehrt.Schon früher wurden Maschinen für die Wühlarbeit im Boden eingesetzt.

Am Bonanza Creek findet man immer noch einen drei Stockwerke hohen Bagger aus der Goldrauschzeit. Mit Maschinen rücken auch die Gebrüder Bernard und Ron Johnson dem Gold zu Leibe. Vom Bonanza Creek aus sieht man ihren Claim. Zuerst sprengen sie den Felsen und räumen das Goldsuchgebiet von Geröll und Gebüsch. Dann wird die Erde mit dem Bagger abgegraben, das Gestein zertrümmert und das Geröll vom Bulldozer in eine Waschrinne geworfen.

Dort wird es geschüttelt, bis sich im Wasser Gold und Dreck trennen. Oft enthalte das gelbe Metall rund 22 Prozent Silber, sagt Bernard Johnson: "Je reiner das Gold, umso goldener scheint es." Für die rauhen Männer und Frauen im Yukon ist die Faszination des Edelmetalls ungebrochen.

"Es ist dort draußen, Mann", sagt Doug Jackson, der schon seit 20 Jahren in der Umgebung von Dawson City nach Gold buddelt. "Man ist immer eine Schaufel Dreck entfernt von 1000 Feinunzen."

Oder von fast einer Million US-Dollar. Jackson hat schon als Junge nach Gold gesucht, erzählt er, "gerade als ich imstande war, eine Goldpfanne zu halten. Bislang konnte er gerade so von dem leben, was er an Gold erbeutete. Aber dieses Jahr will er reich werden. "Wenn du Goldfieber hast, bleibst du ein ewiger Optimist", sagt er, "du gibst nie auf."

© SZ vom 16.05.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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