Juncker unter Druck:Adieu, Europe

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Jean-Claude Juncker muss sein Amt als Sprecher der Eurogruppe voraussichtlich doch aufgeben. Er hat einen Fehler gemacht.

Cerstin Gammelin

Gezockt und verloren". Diese Worte bringt man vor allem mit gescheiterten Bankern, Börsenmaklern oder Fondsmanagern in Verbindung. Nun gibt es ein politisches Opfer. Jean-Claude Juncker, Luxemburger Premierminister und Sprecher der Eurogruppe, hat hoch gepokert - und sich in eine Situation manövriert, aus der er nur dann politisch unbeschadet herauskommt, wenn er auf sein europäisches Amt verzichtet.

Der mögliche Rückzug des Vorzeige-Europäers Juncker wirft ein schlechtes Licht auf die Europäische Union (Foto: Foto: AP)

Wenn die Luxemburger an diesem Sonntag ein neues Parlament gewählt haben, dürften die Tage des 54-Jährigen als Sprecher der Eurogruppe gezählt sein - unabhängig davon, ob seine Partei gewinnt oder nicht.

Juncker ist zum Teil selbst an dem sich abzeichnenden Desaster schuld. Denn der amtierende Premier kündigte an, im Falle seiner Wiederwahl sein Amt als Finanzminister aufzugeben - weiterhin aber der Eurogruppe vorsitzen zu wollen. Dieses Kalkül stellt sich nun als falsch heraus. "Wenn Juncker nicht mehr Finanzminister ist, müssen wir das Amt neu besetzen", erklärte die Sprecherin von Währungskommissar Joaquin Almunia am Donnerstag in Brüssel. Denn: "Sprecher der Eurogruppe muss ein Finanzminister sein".

Sinn für die Gemeinschaft schwindet

Tatsächlich hat die Eurogruppe vertraglich in ihren "Arbeitsmethoden" festgelegt, der Gruppenchef müsse die Finanzhoheit in einem EU-Mitgliedsland haben. Auch der - noch nicht gültige - Reformvertrag von Lissabon sieht vor, dass das Amt nur an einen Minister eines Eurolandes fallen darf. "Und ein Ministerpräsident ist kein Minister", sagte ein hoher EU-Diplomat.

Der mögliche Rückzug des Vorzeige-Europäers Juncker wirft allerdings auch ein schlechtes Licht auf die Europäische Union, der in der Krise der Gemeinschaftssinn mehr und mehr abhanden kommt. Vor allem die großen Länder, Deutschland, Frankreich und Großbritannien denken zunehmend in nationalen Kategorien, ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten der kleineren Partner. Ausgerechnet Juncker ist diesen protektionistischen Tendenzen gewissermaßen zum Opfer gefallen.

Querschuss aus Paris

Es begann im Herbst vergangenen Jahres, als Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy die Länder der Eurozone zu einem Krisentreffen nach Paris rief. Am späten Abend, bei der Pressekonferenz im Elysée, stand Juncker überwiegend stumm neben Sarkozy. Der damals amtierende EU-Ratspräsident präsentierte die Ergebnisse, der Eurogruppenchef durfte ergänzen. Später stritten beide öffentlich über eine europäische Wirtschaftsregierung. Sarkozy war dafür (unter seinem Vorsitz), Juncker dagegen. Damals durfte er sich dabei der Unterstützung aus Deutschland sicher sein. Kanzlerin Angela Merkel lehnte jeden diesbezüglichen Vorschlag aus Frankreich ab.

Doch die Krise hielt an, und zu dem Ärger mit Frankreich gesellte sich Streit mit Berlin. Beide Länder setzten sich auf dem G-20-Weltfinanzgipfel am 1.April vehement dafür ein, Luxemburg neben anderen Ländern als Steueroase anzuprangern. Juncker nannte das "Wortbruch". Tatsächlich hatten sich alle EU-Staaten auf ihrem Frühjahrsgipfel darauf geeinigt, kein EU-Land auf diese Liste setzen zu lassen.

Später warf Finanzminister Peer Steinbrück Luxemburg vor, Steuerflüchtlinge unterschlüpfen zu lassen. Das Fass zum Überlaufen brachte aber offensichtlich ein Interview der französischen Finanzministerin Christine Lagarde mit der Financial Times an diesem Dienstag. Darin verweigerte sie Juncker jegliche Rückendeckung. Wer Sprecher der Eurogruppe sein wolle, müsse "für dieses Amt motiviert sein", sagte sie. Sie müsse ihn genau das aber fragen. Lagarde gilt als mögliche Nachfolgerin.

© SZ vom 05.06.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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