Interview mit Christopher von Oppenheim:"Für uns spielen Steueroasen keine Rolle"

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Privatbankier Baron Christopher von Oppenheim über Liechtenstein, altes und neues Geld - und warum Deutsche weniger spenden als Amerikaner.

Caspar Dohmen

Wenn einer weiß, wie Reiche ihr Geld anlegen, dann Baron Christopher von Oppenheim, persönlich haftender Gesellschafter bei der Privatbank Sal. Oppenheim. Mit dem Begriff Steueroase kann Oppenheimer, 42, wenig anfangen, es handele sich doch um "Wettbewerb zwischen Ländern um Investitionen".

Baron Christopher Oppenheim ist einer von vier Gesellschaftern bei Oppenheim, Europas größter Privatbank mit Sitz in Luxemburg. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr von Oppenheim, was verstehen Sie unter dem Slogan "Lassen Sie Ihr Geld arbeiten"?

Oppenheim: Das klingt ein bisschen arrogant. Man denkt, während wir schlafen, jagt das Geld der Bank um den Globus und wirft Gewinn ab. Viel wichtiger ist der Prozess der Transformationen, der durch Geld bewirkt wird. Geld empfangen und vernünftig investieren ist ein hoch kreativer und komplexer Prozess. Deswegen ist es so schwierig, jemanden Geld anzuvertrauen. Dies ist vielleicht mit ein Grund dafür, dass viele Anleger lieber in reale Werte wie Häuser und Grundstücke als in Aktien investieren.

SZ: Welche Rendite erwarten Ihre Kunden?

Oppenheim: Wir schauen auf das Gesamtvermögen unserer Kunden. Darauf sollte die Rendite mindestens Inflation plus die Kosten des Managements betragen. Das wären vier Prozent nach Steuern. Wenn man in verschiedenen Anlageklassen ein bis zwei Prozent mehr Rendite macht, hat man schon Gutes geleistet.

SZ: Wollen Ihre Kunden Geschäfte mit Ihnen über Steueroasen abwickeln?

Oppenheim: Nein.

SZ: Sie kommen ohne aus?

Oppenheim: Das spielt bei uns überhaupt keine Rolle.

SZ: Danach fragt kein Kunde?

Oppenheim: Keiner. Zum Vermögens-erhalt gehört es eben nicht zu sagen: Und jetzt musst du dein Geld wegschaffen.

SZ: Aber Sie verkaufen Produkte, die in Steueroasen aufgelegt werden...

Oppenheim: Mit dem Begriff Steueroasen kann ich eigentlich nichts anfangen. Es gibt einen Wettbewerb zwischen Ländern um Investitionen. Da zahlt man in einem Land mehr Einkommensteuer, im anderen mehr Körperschaftsteuer. Wenn ich in einem Land bin, in dem die Körperschaftsteuer vier Prozent niedriger ist, ist dies dann eine Steueroase?

SZ: Es hat für den Umzug der Oppenheim-Holding nach Luxemburg also keine Rolle gespielt, dass dort ein besonders günstiges Erbschaftssteuerrecht für Familien gilt?

Oppenheim: Nein.

SZ: In Ihrem Geschäftsbericht finden sich einige Adressen in Steueroasen. Die Oppenheim-Tochter BHF-Bank hat sogar eine Dependance auf Jersey. Wofür brauchen Sie die, wenn Sie gar keine Geschäfte über Steueroasen machen?

Oppenheim: Viele Dinge sind nicht von der Steuer, sondern von der Struktur der Investments getrieben. Es könnte beispielsweise daran liegen, dass es dort eine andere Regel für die Streuung von Risiken bei der Kapitalanlage gibt. Oder ein Geschäftspartner ist dort ansässig, und es erscheint sinnvoll, dort eine Korrespondenzgesellschaft zu haben. Der Geschäftszweck der Dependance auf Jersey hatte sich übrigens bereits vor vielen Jahren erledigt, die Gesellschaft wurde in diesem Jahr aufgelöst. Wir dürfen auch nicht die geschichtliche Entwicklung in Europa vergessen. Es gab in der Nachkriegszeit Phasen, in denen einzelne Länder wie Frankreich Unternehmen verstaatlicht haben. Oder denken Sie an die Phase innenpolitischer Instabilität in Spanien unter der Franco-Diktatur. Da mögen verschiedene Leute nach Wegen gesucht haben, um ihr Vermögen und ihre Firma im Ausland anzusiedeln. Deswegen spielen solche Länder vielleicht bei uns auch eine andere Rolle als für andere Familien in Europa. Aber nochmals: Für uns spielen Steueroasen in der Beratung von Kunden keine Rolle.

SZ: Jemand wie der ehemalige Postchef Klaus Zumwinkel wäre kein typischer Kunde von Oppenheim? Er soll sein Vermögen vor dem Fiskus in Sicherheit gebracht haben, indem er Geld in einer Stiftung in Liechtenstein anlegte, wenn die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft stimmen.

Oppenheim: Ich kenne die Umstände und seine Motivation nicht.

SZ: Gibt es einen Unterschied bei der Geldanlage zwischen Familien mit altem und neuem Vermögen?

Oppenheim: Das richtig alte Vermögen in Deutschland ist sehr durch den Grundbesitz geprägt. Darunter verstehe ich große adlige Familien mit viel Landbesitz. Wenn da ein Hurrikan durchzieht, dann ist der Wald für die nächsten 80 Jahre wirtschaftlich nicht nutzbar. Dann haben sie keine flüssigen Mittel mehr. Solche Familien müssen in drei Generationen denken. Im Deutschland der Nachkriegszeit ist das Vermögen von Unternehmensbesitz geprägt, mit wenig Liquidität sowie einer geringen Beteiligung von Private Equity oder Hedgefonds. Insofern gibt es zwischen altem und neuem Geld in den Strukturen große Unterschiede. Darüber hinaus hat sich das Investitionsverhalten deutlich verändert. Vor zehn Jahren haben fast alle im Dax angelegt, heute sind die Anlagen internationaler gestreut.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Oppenheim über die gesellschaftliche Verantwortung der Familienunternehmen sagt und wie er das Stiftungsrecht verbessern würde.

SZ: Führen die teils hohen Renditen an den Kapitalmärkten dazu, dass Unternehmer lieber dort mehr Geld anlegen als im eigenen Konzern?

Oppenheim: Unternehmer wissen zunehmend, dass in ihrer Firma das Geld sehr gut aufgehoben ist. Wenn man desinvestiert und in die Kapitalmärkte geht, dann muss man einen langfristigen Horizont haben und eine langfristige Investitionsperiode. Die Deutschen legitimieren sich außerdem über das, was sie sind: Unternehmer, nicht Geldbesitzer.

SZ: Zuletzt sind die Rohstoffpreise stark gestiegen, etwa für Reis oder Mais. Eine der Ursachen sollen Spekulanten sein. Waren Ihre Kunden dabei?

Oppenheim: Nein. In unserer Beratung geht es um Investition, nicht um Spekulation. Spekulation klingt herrlich, man weiß nur nicht, wann es aufhört. Wir haben keine Glaskugel. Wenn die Spekulation aufhört, sind die Rückschläge meist extrem, und man verliert mehr, als man zu gewinnen dachte. Wir können niemandem empfehlen, sich daran zu beteiligen.

SZ: Sind Spekulanten schädlich?

Oppenheim: Nein, es gibt einen Bedarf dafür. Spekulanten nutzen mittelfristige Trends. Ohne sie hätte man keine kontinuierliche Preisbildung an den Märkten.

SZ: Werden Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht?

Oppenheim: Der Mittelstand und insbesondere familiengeführte Unternehmen nehmen ihre gesellschaftliche Verantwortung außerordentlich ernst. Die Familienunternehmer haben mehr Arbeitsplätze und Lehrstellen geschaffen, mehr Patente entwickelt und mehr investiert als die Dax-Unternehmen. Gleichzeitig sind sie jedoch in ihrem wirtschaftlichen Handeln eingeschränkter, etwa bei der Verlagerung von Produktions- oder Entwicklungsstätten. Viele Mittelständler führen tolle Betriebe, aber da redet selten jemand drüber. In den Fernsehshows kommen meist die Vertreter der Politik oder der Großkonzerne zu Wort, wenn es um wirtschaftspolitische Themen geht. Familienunternehmer sind sicherlich nicht heilig, wissen aber, woran sie gebunden sind.

SZ: Werden die Familienunternehmen zu wenig beachtet?

Oppenheim: Wir bräuchten einen Bert Rürup der Familienunternehmen. Warum haben wir nicht vier Universitäten, die Familienunternehmen zum zentralen Bestandteil ihrer Betriebswirtschaftslehre machen? Dabei stehen in den nächsten Jahren 70000 Firmen vor der Nachfolge. Statistiken besagen, dass höchstens 35 Prozent der Nachfolger aus der Familie kommen. Am Ende steht dann doch ein Verkauf, manchmal ein Management Buy Out. Der familiengeführte Mittelstand muss sich langfristig auf tiefgreifende Veränderungen einstellen.

SZ: Die Amerikaner Warren Buffett oder Bill Gates spenden hohe Summen - sind die deutschen Reichen geizig?

Oppenheim: In Deutschland können diese Größen nicht entstehen, weder bei Privatvermögen noch im Stiftungsbereich. Buffett und Gates haben ihr Vermögen nicht zuletzt über die Börse realisiert. In Deutschland steht dagegen die Fortführung des unabhängigen Familienunternehmens über Generationen im Vordergrund. Hinzu kommt, dass der Erfolg in Amerika über Geld und Aktienkurse sichtbar gemacht wird. Das würde man hier nicht in Ordnung finden.

SZ: Sehen Sie Verbeserungsbedarf?

Oppenheim: Es gibt es einiges am Stiftungsrecht zu verbessern. Wir haben zu viel Kontrolle und zu wenig Vertrauen. Die ersten Ansätze der Liberalisierung zeigen bereits, dass wohlhabende Deutsche auch großzügig sind. Gerade bei vermögenden Familien und Firmen sehen wir ein stetig zunehmendes Bewusstsein, dass Stiftungen ein lebenswichtiger Baustein einer nachhaltigen Gesellschaftsstruktur sind. Würden die Regelungen im Stiftungsrecht großzügiger gestaltet, dann würden die Wohlhabenden sicher mehr stiften. Wir können bislang keine Stiftungsgelder an andere Stiftungen geben. Dabei sind die Stiftungen in den USA dadurch groß geworden.

SZ: Sind Löhne und Gehälter im vergangenen Jahrzehnt in Deutschland weniger gestiegen als Einkommen aus Kapitalanlagen?

Oppenheim: Es hat sich verschoben. Die Lohnzurückhaltung hat der Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland aber immens geholfen. Das waren dringend notwendige Schritte, die zu einer Verbesserung der Infrastruktur und Lebensqualität beigetragen haben. Das Telefonieren kostet heute fast gar nichts mehr.

SZ: Es gibt aber immer mehr Menschen, die abrutschen...

Oppenheim: In der politischen Verantwortung wird das Thema Gerechtigkeit häufig auf das Geldverteilen reduziert. Dies hilft, wenn überhaupt, nur kurzfristig. Viel entscheidender ist die Bewältigung von Themen wie Integration, Schule und Ausbildung, um zu verhindert, dass die Gesellschaft weiter auseinander fällt.

© SZ vom 21.07.2008/jpm - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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