Insider-Prozess in New York:Der Mann, der zu viel wusste

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Ein Banker als Zeuge: Im New Yorker Insider-Prozess musste nun Lloyd Blankfein aussagen. Vor lauter Heiterkeit hätte sich der Goldman-Chef fast verplappert

Moritz Koch, New York

Schon als er im dunklen Anzug und mit blauer Krawatte den Gerichtssaal betrat, hatte Lloyd Blankfein ein Lächeln auf den Lippen. Der Chef der Investmentbank Goldman Sachs war offensichtlich gut gelaunt. Warum auch nicht? Blankfein konnte sich sicher sein, im bevorstehenden Kreuzverhör zur Abwechslung einmal nicht in die Rolle des Schurken gedrängt zu werden. Der Bankboss war als Zeuge der Anklage geladen. Er sollte in einem der brisantesten Finanzprozesse der vergangenen Jahrzehnte aussagen: dem Insiderverfahren gegen den Hedgefonds-Manager Raj Rajaratnam.

Lloyd Blankfein (l.)  und Raj Rajaratnam im Gerichtssaal - der Bankboss war als Zeuge der Anklage geladen. (Foto: AFP)

Seit drei Wochen versucht die Staatsanwaltschaft eine Geschworenen-Jury davon zu überzeugen, dass Rajaratnam über ein Netzwerk von Informanten an der Wall Street verfügte, das ihm Tipps für seine Investments gab. Das Verfahren durchleuchtet dabei auch das dunkelste Kapital in der Geschichte der Wall Street, jene Tage im Herbst 2008, als das Finanzsystem vor dem Crash stand.

Die Anklage will beweisen, dass Rajaratnam von dem damaligen Goldman-Verwaltungsrat Rajat Gupta vertrauliche Informationen zugespielt bekam. Die Behörden haben mehrere Telefonate zwischen Rajaratnam und Gupta abgehört, in denen die beiden über Goldman redeten. Verdächtig sind die Gespräche vor allem, weil sie teils nur Minuten nach Verwaltungskonferenzen geführt worden.

Unter anderem geht es um eine Sitzung im Oktober 2008, in der das Goldman-Management die Kontrolleure darüber informierte, dass die Bank in großen Schwierigkeiten steckte. Was damals los gewesen sei, wollte der Staatsanwalt wissen. "Wir verloren Geld", antwortete Blankfein. "Warum ist das bedeutsam?", hakte der Ankläger nach. "Im Allgemeinen verdienen wir Geld", erläuterte der Bankchef trocken, und in den Zuschauerreihen brach Gelächter aus. Einmal in Fahrt gekommen, ulkte Blankfein weiter. Das Zeugenverhör kreiste mittlerweile um die Rettung der Wall Street durch den Staat. Die Kredite der Regierung, sagte Blankfein, seien nicht so teuer gewesen, wie das Geld von Warren Buffett, dem Großinvestor, der Goldman ebenfalls zu Hilfe geeilt war. Wieder Gelächter.

Mehr Ernsthaftigkeit erwünscht

Nicht immer kam Blankfeins Humor in der Vergangenheit so gut an. Ende 2009 beschwor er einen Sturm der Entrüstung herauf, als er sich nach einem Interview mit den Worten verabschiedete, er habe noch "Gottes Werk" zu erledigen. Und auch, wenn seine Scherze dieses Mal besser aufgenommen wurden, wird sich die Staatsanwaltschaft etwas mehr Ernsthaftigkeit gewünscht haben. Verdeckte das Gelächter doch, wie wichtig Blankfeins Aussagen waren. Die Strafverfolger werden Rajaratnam nur ins Gefängnis bringen können, wenn sie beweisen, dass der Hedgefonds-Manager durch Guptas Tipps einen geldwerten Vorteil erlangte. Und Blankfein bestätigte: Die Informationen aus dem Verwaltungsrat waren wertvoll. Gupta habe seine Verschwiegenheitspflicht verletzt, als er Rajaratnam über die Verluste informierte. Für den Spekulanten zahlte sich der Tipp aus. Das jedenfalls behauptet die Staatsanwaltschaft. Er habe Goldman-Aktien verkauft, bevor die schlechte Nachricht öffentlich gemacht wurde.

Auch aus der Causa Buffett konnte Rajaratnam aus Sicht der Anklage Kapital schlagen. Es war im September 2008: Augenblicke nachdem das Goldman-Management den Verwaltungsrat über Buffetts Milliardeninvestment informierte, rief Gupta Rajaratnam an, und der Hedgefonds-Manager zögerte keine Sekunde. Er kaufte Goldman-Aktien. Am nächsten Tag stieß er sie mit hohem Gewinn wieder ab. Die Verteidigung weist die Anschuldigungen zurück. Rajaratnam habe seine Anlageentscheidungen allein auf Basis allgemein verfügbarer Informationen getroffen. Brisant ist auch, dass Blankfein nicht nur Gupta, sondern auch Rajaratnam persönlich kannte.

Es steht viel auf dem Spiel: Im Falle einer Verurteilung droht dem Hedgefonds-Manager eine langjährige Haftstrafe. Sein mutmaßlicher Kompagnon Gupta, einst Chef der Unternehmensberatung McKinsey, muss sich parallel einem zivilrechtlichen Verfahren erwehren. Goldman und Blankfein dagegen sind unbescholten. Allerdings könnte sich Blankfein mit einer beiläufigen Äußerung in Schwierigkeiten gebracht haben. Er habe geahnt, dass die Strafverfolger Guptas Verwicklung in Rajaratnam Netzwerk prüften, sagte er. Nur sehen die US-Wertpapiergesetze vor, dass Unternehmen solches Wissen mit Investoren unter bestimmten Bedingungen teilen müssen. Vor lauter Heiterkeit hat sich der Goldman-Chef offenbar verplappert.

© SZ vom 25.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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