IKB-Vorstand unter Verdacht:Völlig falsch eingeschätzt oder gelogen

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Der Aufsichtsrat der angeschlagenen Mittelstandsbank IKB und der Großaktionär KfW prüfen, ob sie strafrechtlich gegen den IKB-Vorstand vorgehen. Das Management habe die Finanzlage des Instituts entweder völlig falsch eingeschätzt oder gelogen., hieß es.

Claus Hulverscheidt und Martin Hesse

Die IKB nannte zudem Grundzüge eines Rettungspaketes und kündigte eine Sonderprüfung an. Ein weiterer Topmanager wurde entlassen.

Der von der IKB verwaltete US-Fonds Rhineland Funding hatte sich im Geschäft mit US-Hypothekenkrediten verspekuliert und milliardenschwere Risiken aufgehäuft.

Um das Institut vor dem Zusammenbruch zu bewahren, musste die Staatsbank KfW auf Druck der US-Börsenaufsicht SEC eine Bürgschaft übernehmen.

Die IKB erklärte am Donnerstagabend, die KfW übernehme alle Risiken der IKB, die aus Rhineland Funding erwachsen können. Die Höhe der Risiken bezifferte die IKB nicht.

Milliardendarlehen akut gefährdet

In Kreisen des KfW-Verwaltungsrats und in Bankenkreisen hatte es zuvor geheißen, bei Rhineland Funding seien Darlehen im Volumen von 3,5 Milliarden Euro akut gefährdet. 2,5 Milliarden Euro davon müssten im Zweifel von der KfW getragen werden. Die deutschen Privatbanken sowie Sparkassen und Raiffeisenbanken sollten sich den Rest teilen.

Die IKB teilte nun aber mit, die KfW werde darüber hinaus erwartete mögliche Verluste von bis zu einer Milliarde Euro aus risikobehafteten Positionen aus der Bilanz der IKB übernehmen.

Diese Verluste waren bislang unbekannt. Die Verluste von Rhineland tauchen wegen einer Sonderregelung nicht in der Bilanz der IKB auf. Das ist offenbar ein Grund, weshalb die Schwierigkeiten überhaupt so lange verschleiert werden konnten.

Sitzung bei der KfW in Bonn

Die von der IKB angekündigten Maßnahmen waren Ergebnis einer Sitzung des Kreditbewilligungsausschusses der KfW in Bonn. An dem Treffen nahm auch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) teil.

Die IKB meldete außerdem, sie habe Liquiditätsreserven von 12 Milliarden Euro, die den Bedarf für die kommenden zwölf Monate abdeckten. Der Vorstand habe zudem die Prüfungsgesellschaft PwC mit einer umfassenden Sonderprüfung beauftragt, insbesondere mit Blick auf Rhineland Funding.

Die Bank zog auch weitere personelle Konsequenzen. Der Geschäftsführer der IKB Credit Asset Management, Winfried Reinke, wurde fristlos entlassen. Zudem verschob die IKB die für den 30. August angesetzte Hauptversammlung auf das vierte Quartal.

Risiken waren nicht erkennbar

Aus informierten Kreisen verlautete, die sich auftürmenden Risiken im US-Geschäft der IKB seien weder für den Aufsichtsrat noch für die Finanzaufsicht Bafin erkennbar gewesen.

Das Management habe die Finanzlage des Instituts entweder völlig falsch eingeschätzt oder gelogen. Der am Sonntag entlassene Firmenchef Stefan Ortseifen habe noch in einer Aufsichtsratssitzung vor wenigen Wochen auf die Frage, ob es im Geschäft mit US-Immobiliendarlehen ein Problem gebe, mit "Nein" geantwortet.

Auch zwei reguläre sowie zwei Sonderprüfungen durch die Bafin, den Einlagensicherungsfonds der Privatbanken und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in den vergangenen Monaten hätten keine Unregelmäßigkeiten zu Tage gefördert.

In Bankenkreisen hatte es dagegen bereits im Juli Gerüchte über mögliche Schwierigkeiten der IKB im US-Immobiliengeschäft gegeben. Ortseifen war zunächst für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Aktie abgestürzt

Die Mitteilungen der IKB vom Abend waren offenbar ein neuer Versuch, das verlorene Vertrauen der Investoren wieder herzustellen. Im Tagesverlauf war die Aktie regelrecht abgestürzt. Sie verlor zeitweise mehr als 40 Prozent. Innerhalb einer Woche wurden damit fast eine Milliarde Euro Kapital vernichtet.

Die Europäische Zentralbank (EZB) äußerte sich nach einer routinemäßigen Besprechung des Zentralbankrats nicht direkt zum Fall IKB. EZB-Chef Jean-Claude Trichet verwies bei einem kurzfristig anberaumten Pressetermin lediglich auf Aussagen von Bundesbankpräsident Axel Weber, der das Engagement deutscher Banken im US-Immobilienmarkt am Mittwoch als "überschaubar und insgesamt begrenzt" bezeichnete.

Trichet ließ aber durchblicken, dass ihm die Turbulenzen an den Finanzmärkten Sorge bereiten.

"Wir erleben eine Phase der Nervosität und der Volatilität an den Märkten", sagte er. Die jüngsten Kursverluste nach langem Höhenflug der Börsen bedeuteten aber auch eine Normalisierung.

EZB beobachtet Entwicklung genau

"Es hat ein Prozess eingesetzt, in dem Investoren die Risiken neu bewerten", so der Notenbankpräsident. Die EZB werde die Entwicklung genau beobachten.

Trichet rief die Anleger zur Gelassenheit auf. An ihrer Absicht, die Zinsen für die Eurozone im September zu erhöhen, hält die EZB offenkundig fest.

Trichet signalisierte zumindest eine geringfügige Anhebung auf 4,25 Prozent. Bei ihren Beratungen hatten sich die Notenbanker wie erwartet entschieden, den Leitzins vorerst bei 4,00 Prozent zu belassen.

© SZ vom 03.08.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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