Hypo Real Estate:Kontrolle kurios

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Wenn der Prüfer mit dem Prüfling: Weil die Bankenaufsicht nichts erreichte, sollte die HRE selbst dafür sorgen, dass ein gravierender Mangel im Kontrollsystem behoben wird.

Klaus Ott

Über die Risiken bei der Hypo Real Estate, (HRE), die den Staat inzwischen Milliarden kostet, war die deutsche Bankenaufsicht schon Wochen und Monate vor der drohenden Pleite der Skandalbank im Bilde gewesen. Eine Sonderprüfung hatte, wie die Kontrolleure Ende Juli 2007 notierten, "gravierende Defizite" ans Tageslicht gebracht.

Die deutsche Bankenaufsicht war über die Schieflage der Hypo Real Estate bereits Monate vor der drohenden Pleite informiert. (Foto: Foto: AP)

Das waren freilich nicht die einzigen Mängel, mit denen sich die Bonner Finanzbehörde Bafin und die Bundesbank herumschlagen mussten, die gemeinsam über die Kreditinstitute wachen. Sorgen bereitete den Aufsehern auch eine Gesetzeslücke, die ihre Arbeit erschwerte. Finanzholdings wie die HRE, die ziemlich verschachtelt und deshalb schwer zu fassen sind, unterstanden nur eingeschränkt der Kontrolle von Bafin und Bundesbank.

Als sich die Lage bei der HRE im Sommer 2008 zuspitzte, versuchten die Finanzwächter dieses Problem auf ungewöhnliche Art und Weise zu lösen. Die HRE selbst sollte beim Bundesfinanzministerium vorstellig werden und dafür sorgen, dass die Gesetzeslücke endlich geschlossen wird. Das von Peer Steinbrück (SPD) geleitete Ministerium soll sich zuvor bereit erklärt haben, etwas zu unternehmen, diese Zusage aber nicht eingehalten haben.

So steht es im Protokoll einer Krisensitzung vom 31. Juli 2008 bei der Bafin in Bonn, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Ein seltsamer Vorschlag. Genauso gut könnte man wohl einen Alkoholiker auffordern, für mehr Polizeikontrollen zu sorgen, damit er bei Trunkenheit am Steuer erwischt und ihm der Führerschein abgenommen werde.

Alarmierende Ergebnisse

Am 31. Juli 2008 hatte die Bafin den damaligen HRE-Chef Georg Funke und drei weitere Bankvorstände nach alarmierenden Ergebnissen einer Sonderprüfung der Bundesbank bei dem Immobilien- und Pfandbriefinstitut nach Bonn einbestellt, um Lösungen zu erörtern. Es ging vor allem um Missstände im Risikomanagement. Am Ende des mehr als dreistündigen Treffens klagte die zuständige Abteilungsleiterin der Bafin, man sei bereits im Juni 2007 beim Finanzministerium mit dem Anliegen vorstellig geworden, die HRE-Holding der Bankenaufsicht zu unterstellen.

Laut Protokoll sagte die Abteilungsleiterin, "nachdem das Ministerium dem - abweichend von den ursprünglichen Bekundungen - nicht nachgekommen sei, müsse das Ministerium erneut auf die Dringlichkeit des Themas hingewiesen werden." Die Bafin fordere den HRE-Vorstand auf, nun ebenfalls an Steinbrücks Ressort heranzutreten und eine nochmalige Gesetzesinitiative zu starten. Die HRE sagte laut Protokoll zu, das Ministerium "zeitnah" anzuschreiben. Die Bafin hielt in der Niederschrift fest, wie man dann weiter vorgehen wolle. "Bafin und Bundesbank werden den Vorschlag mit einem flankierenden Schreiben unterstützen."

Die Aufseher wollten also HRE-Chef Funke bei Steinbrück vorschicken und sich danach Funkes Vorstoß anschließen. Dieser Vorgang belege, dass "Finanzminister Steinbrück die Banken nicht wirklich kontrollieren wollte", sagt Volker Wissing, Finanzexperte der FDP im Bundestag und Mitglied des HRE-Untersuchungsausschusses.

"Systemrelevante Bank"

Aus Sicht des Ministeriums stellt sich das ganz anders dar. Man habe mitnichten das Anliegen der Bankenaufsicht "ignoriert", sagt ein Sprecher. Man habe vielmehr frühzeitig Gesetzesvorschläge ausgearbeitet, diese aber Vorgaben der Europäischen Union anpassen und somit ändern müssen. Bei der "nächsten geeigneten" Gelegenheit, der Reform des Pfandbriefgesetzes, habe man diese Vorschläge dann verwirklicht, so das Ministerium. Da war es dann allerdings zu spät, da war die HRE schon längst in der Krise und musste mit Bürgschaften von inzwischen 102 Milliarden Euro vor der Pleite bewahrt werden. Für das meiste Geld garantiert der Staat, der jetzt auch noch die Skandalbank übernimmt und mehrere Milliarden Euro Kapital zuschießt.

Steinbrück kann die HRE nicht fallen lassen, weil sie sonst andere Institute mit in den Abgrund reißt. Die HRE ist eben, wie der Minister und die Bankenaufsicht immer wieder betonen, eine "systemrelevante" Bank. Das steht so auch im Protokoll des Krisentreffens vom 31. Juli 2008. Dieser Umstand mache alles nur noch schlimmer, notierten die Bankkontrolleure sinngemäß. Die Bafin erwarte daher ein "sofortiges und vollständiges Abstellen der schwerwiegenden Defizite".

Über die Inhalte des Krisengesprächs hat die Bafin nach eigenen Angaben das Finanzministerium damals rasch unterrichtet. "Die Bank war gläsern für den Staat", glaubt der FDP-Abgeordnete Wissing. "Aber Steinbrück und seine Leute wollten von den Problemen nichts wissen."

© SZ vom 30.05.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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