HVB:Schrei zum Abschied ganz laut Arrivederci

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Die letzte Hauptversammlung der Hypo-Vereinsbank: Wehmut und Wut bei den Aktionären und eine Blumen-Barrikade vor dem Mikrofon.

Thomas Fromm

Stundenlang sitzt er da und verzieht keine Miene. Den Kopfhörer auf den Ohren, einen Schreibblock vor sich. Nur ab und zu hebt Alessandro Profumo den Kopf und schaut in den Saal hinein. Dann, wenn die Aktionärsvertreter den Unicredit-Chef frontal angehen. Wenn von "italienische Usurpatoren" die Rede ist, von Münchner "Handlangern der neuen Konzernzentrale" und von "Marionetten einer italienischen Großbank".

Alessandro Profumo schweigt und starrt ins Leere. Er würde die HVB-Kleinaktionäre lieber heute als morgen loswerden. (Foto: Foto: ddp)

Profumo hört auch dann stoisch zu, als ein aufgeregter Aktionär das böse Wort von der "italienischen Mafia" in den Mund nimmt. Aber Profumo sagt nichts.

Er ist nicht gekommen, um den 700 Restaktionären der Hypo-Vereinsbank (HVB) zum Abschied Grußbotschaften zu überbringen. Und er ist auch nicht gekommen, um noch einmal alles zu rechtfertigen.

Die Milliardenübernahme der HVB vor drei Jahren; die umstrittene Übertragung der HVB-Ertragsperle Bank Austria an die neue Konzernmutter aus Italien, den Plan, die Resteigentümer für das Angebot von 38,26 Euro pro Aktie aus der HVB zu drängen.

Profumo weiß: An einem Tag wie diesem braucht er ein dickes Fell, aber er weiß auch, dass alles, was hier passiert, wohl kaum noch Folgen haben wird.

Dass Kleinaktionäre die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat verweigern wollen? Kann einem egal sein, wenn man als Unicredit-Chef über 95 Prozent der HVB-Aktien hält. Profumo kann ruhig zuhören. Er hofft, dass er die letzten Resteigentümer schon bald rausgedrängt hat. Dann gehört ihm die HVB allein.

Klare Machtverhältnisse

Nein, als Aufsichtsratschef und Großaktionär der HVB ist Profumo zur wohl letzten Hauptversammlung der Münchner Bank angereist, und er hat vor allem ein Ziel: Das Ganze so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.

Als er am frühen Morgen gefragt wird, wie er sich bei der wohl letzten Hauptversammlung der HVB fühle, sagt er nichts. Als er dann gefragt wird, ob er hoffe, dass dies wirklich die letzte Aktionärsversammlung der Bank sein würde, sagt Profumo zunächst auch nichts. Nach einer langen Pause dann ein langgezogenes "Yeees".

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum die Unicredit vorsichtshalber zwei Tage für die Hauptversammlung eingeplant hat.

Doch noch ist es nicht soweit. Im Saal sitzen 700 Restaktionäre, die genau wissen, dass sie nicht mehr erwünscht sind. Dass sie Managern gegenübersitzen, die vor allem eines wollen: Sie, die verbliebenen Aktionäre, abzuschaffen, um allein zu regieren. Das macht sie wütend.

"Es ist ein denkwürdiger, trauriger Vorgang", sagt Roland Klose von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Die Anleger hätten der Bank in schwierigen Zeiten die Treue gehalten und sollten nun nicht mehr an den Früchten des Erfolgs teilhaben.

Wäre das Verhältnis zwischen dem HVB-Management und seinen Aktionären in Ordnung, hätte vielleicht sogar ein wenig Feierstimmung aufkommen können an diesem warmen Sommertag am Stadtrand von München. So aber läuft alles nach dem "Ihr-da-oben-wir da-unten"-Schema ab.

Die Kleinaktionäre ahnen, dass sich ihr HVB-Vorstand längst höheren Mächten untergeordnet hat. Und gegen einen Großaktionär, der 95 Prozent der Aktien hält, kommen sie nicht an. 27 Männer sitzen oben auf dem Podium. Viele der Aufsichtsräte und Vorstände haben italienische Namen. Sie heißen Bulgarelli, Nicastro, Ermotti - oder eben Profumo. Als wäre es die Aufstellung der italienischen Fußball-Nationalmannschaft vor einem Länderspiel.

"Eine Riesensauerei ist das alles", brüllt ein Aktionär aus Dachau. Seit 20 Jahren habe er sein Geld in HVB-Aktien investiert. Jetzt soll er raus, will aber nicht, denn er habe sich an Bank und Aktie gewöhnt. "Das Großkapital wird sich am Ende schon durchsetzen", sagt der Rentner.

Rabiater Protest

Ein Aktionär aus dem westfälischen Warendorf meint, ein bisschen Wehmut sei schon dabei an einem solchen Tag. Aber das ließe sich lindern - dann nämlich, wenn die Unicredit ihr Angebot nochmal verbessert und mehr bietet als die bisher 38,26 Euro pro Aktie.

Die HVB sei ihm egal, sagt der Aktionär. Nur gerecht müsse es zugehen. "Im Grunde sind wir hier ohnmächtig", meint eine junge Aktionärin in der Mittagspause. "Viel machen können wir nicht, die HVB gehört uns ja nicht mehr."

Viel geht nicht mehr, aber ein bisschen was geht immer. Vor einem Jahr wollte ein Aktionär den Managern zeigen, wem hier noch was gehört. Er wollte die Treppe hinaufsteigen, die hoch zum Podest führte.

Sicherheitsleute hinderten ihn daran, dabei prellte er sich den großen Zeh. Anschließend ging er hin und focht die Hauptversammlungsbeschlüsse an. Das Corpus Delicti vom letzten Mal, die Treppe, ist inzwischen von einer künstlichen Mauer umgeben, davor stehen Plastikblumen.

Am Tag der wohl letzten Hauptversammlung versuchen rabiate Kleinaktionäre lautstark, den Versammlungsleiter wegen Befangenheit abzusetzen. Ihr Versuch schlägt, wie sollte es angesichts der Mehrheitsverhältnisse bei der HVB sein, fehl.

Am Nachmittag, es ist kurz nach 16 Uhr, stellen Aktionäre dann die Wahl zur Abwahl des Versammlungsleiters in Frage, weil es vorher keine Aussprache gegeben hat. Nun geht es vor allem um eines: Zeit.

Vorsichtshalber haben Unicredit und HVB schon mal zwei Tage für die Hauptversammlung eingeplant. So haben die Kleinaktionäre noch ein paar Stunden mehr Zeit, ihre Schlacht gegen den Großaktionär zu kämpfen.

Oben auf dem Podium sitzt Alessandro Profumo, schweigt und starrt ins Leere. Noch ist er die HVB-Kleinaktionäre nicht los.

© SZ vom 29.07.2008/jpm/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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