Geldanlage als Altersvorsorge:"Ewiger Kampf mit dem inneren Schweinehund"

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Wer fürs Alter etwas zurücklegen will, braucht Disziplin und eine gute Strategie - dann hat man auch mehr für das Leben nach dem Job.

Thomas Öchsner

Klar, die Zahlen sind erschreckend: Sich bewusst zu machen, wie die Inflation an der gesetzlichen Rente und einer zusätzlichen privaten oder betrieblichen Altersvorsorge nagen kann, ist schon deprimierend. Deshalb das Sparen für den Ruhestand ganz aufzugeben, macht die Sache aber nicht besser. Was also tun? Finanzexperten raten, die Altersvorsorge strategisch zu planen, damit für ein gutes Rentnerleben mehr übrigbleibt - zehn Tipps, um mehr Geld im Ruhestand zu haben.

Stütze im Alter: Wer frühzeitig und strategisch anlegt, kann seine Rente deutlich aufbessern. (Foto: Foto: dpa)

1. Die eigenen Ansprüche ermitteln

Wer seine finanzielle Lage im Alter realistisch einschätzen will, muss zunächst ermitteln, wie hoch die gesetzliche Rente ausfallen könnte. Das steht in der jährlichen Renteninformation. Diese Daten liefern sicherlich nur eine ungefähre Vorstellung, was zu erwarten sein wird. Aber zumindest ist darin eingearbeitet, dass das Rentenniveau von heute 48 Prozent des Bruttoeinkommens weiter sinken wird, nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung bis 2020 auf "nicht unter 46 und bis 2030 auf nicht unter 43 Prozent". Zu diesem Grundstock werden - falls vorhanden - die möglichen Leistungen aus zusätzlichen Vorsorgeverträgen (Betriebsrente, Riester-Rente, Lebensversicherung, Fondssparvertrag) hinzugezählt. So lässt sich das potentielle Einkommen als Rentner zumindest grob ermitteln.

2. Die mögliche Versorgungslücke errechnen

Im nächsten Schritt wird der Unterschied zwischen dem erwarteten Einkommen im Ruhestand und den erwarteten Ausgaben ermittelt. Ein Anhaltspunkt ist dafür das aktuelle monatliche Nettoeinkommen. "Dies ist aber nicht entscheidend", sagt Michael Huber, Niederlassungsleiter Frankfurt beim Vermögenszentrum München. Schließlich könnten die tatsächlichen Ausgaben ja niedriger sein als das Nettoeinkommen, weil zum Beispiel derzeit Geld in eine Immobilienfinanzierung fließt oder Sparpläne für die Kinder oder die eigene Altersvorsorge dann nicht mehr notwendig sind. Huber räumt ein, dass es sich bei der Differenz aus dieser Rechnung nur "um einen vagen Wert handelt, weil man ja nicht weiß, was in der Zukunft noch passiert". Aber nur so "bekommt man eine Gefühl dafür, wie groß die Lücke ist".

3. Einen Kassensturz machen

Ob sich die Versorgungslücke mit privaten Mitteln ganz oder teilweise schließen lässt, zeigt ein Kassensturz. Dabei werden Einnahmen und (auch die unregelmäßigen) Ausgaben gegenübergestellt. Dabei helfen kann das Führen eines Haushaltsbuches, zumindest für ein paar Monate oder noch besser ein Jahr. Der Haushaltsüberschuss ist der Topf, aus dem sich Geld für die Altersvorsorge herausholen lässt.

4. Den Start nicht herauszögern

Je früher Geld für den Ruhestand zurückgelegt wird, desto besser. Das liegt am häufig unterschätztem Zinseszinseffekt. Beispiel: Ein 40-Jähriger legt jeden Monat 200 Euro 25 Jahre lang in einen Aktienfonds an, der durchschnittlich pro Jahr um fünf Prozent an Wert gewinnt. Mit 65 Jahren kommt er so auf 11.7647 Euro, vor Abzug der Abgeltungsteuer und ohne Ausschüttungen des Fonds. Hätte er als 35-Jähriger angefangen zu sparen, kämen dagegen 163.772 Euro zusammen. Aber Vorsicht: Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, rät immer erst existentielle Risiken wie die Berufsunfähigkeit, selbst verursachte Schäden (Haftpflicht) oder den Wegfall des Haupternährers der Familie (Risikolebensversicherung) abzusichern. Erst dann komme eine zusätzliche Altersvorsorge in Frage. Notwendig sei außerdem eine Liquiditätsreserve von drei bis sechs Netto-Monatsgehältern, um teure Überziehungszinsen auf dem Girokonto zu vermeiden, die Kapitalerträge wieder auffressen. Das Abbezahlen von Schulden sollte immer Priorität vor dem Sparen haben. "Wenn ich einen Hypothekenzins von 4,5 Prozent bezahle und für das Ersparte 3,5 Prozent bekomme, habe ich einen Anlagezins von minus einem Prozent. Der Zinseszinseffekt ist dann negativ."

5. Mit Disziplin ans Werk gehen

Vermögensverwalter Huber empfiehlt, per Dauerauftrag Geld zurückzulegen - und das möglichst am Monatsanfang. "Dann tut das Sparen nicht so weh, weil man sich an das niedrigere verfügbare Einkommen gewöhnt." Außerdem sollte "das Ersparte heilig sein und nicht für ein Auto oder den nächsten Asien-Urlaub zweckentfremdet werden", sagt der Experte.

6. Ziele setzen und sich selbst belohnen

Vermögensverwalter Huber empfiehlt weiter, sich mit dem Erreichten nicht zufriedenzugeben und wenn möglich die Sparleistung regelmäßig zu erhöhen: "Zum Beispiel kann sich der Vorsorgesparer vornehmen, ein Drittel oder die Hälfte jeder Gehaltserhöhung von bestimmten Bonuszahlungen zusätzlich fürs Alter zurückzulegen." Ist das Ziel erreicht, "kann man dann als Belohnung ruhig mal etwas für Luxus ausgeben, falls noch etwas übrig ist", sagt Huber. "Das erhöht den Spaßfaktor fürs Weitersparen, und das ist wichtig, denn Sparen ist ein ewiger Kampf mit dem inneren Schweinehund."

7. Das Potential von Aktien nutzen

Andreas Beck, Vorstand des Instituts für Vermögensaufbau, rät Anlegern, grundsätzlich immer nach dem Ertrag nach Abzug von Inflation und Kosten zu fragen. "Dabei wird sich in vielen Fällen, etwa beim Kauf einer Bundesanleihe, herausstellen, dass fast nichts übrigbleibt." Wer mehr als nur seine Kaufkraft erhalten wolle, sollte sich deshalb mit der Aktienanlage anfreunden. Viele Menschen schätzten die Chancen zu gering und die Risiken bei Aktien viel höher ein, als sie tatsächlich sind. "Aktienanlagen haben im historischen Durchschnitt weitaus höhere Renditen erbracht als festverzinsliche Wertpapiere", sagt Beck. Er empfiehlt deshalb als langfristige Geldanlage Aktien, internationale Aktienfonds und besonders die kostengünstigen Indexfonds, die sich an der Entwicklung von Aktienindizes wie dem Deutschen Aktienindex Dax orientieren. "Das kommt aber nur für Leute in Frage, die trotz vorübergehender Verluste ruhig schlafen können und mindestens fünf bis zehn Jahre Zeit mitbringen", sagt Vermögensexperte Beck.

8. Teure und komplizierte Garantien und Produkte meiden

Beck hält einen Mentalitätswandel für dringend notwendig. "Viele Menschen haben Angst davor, dass ihre Anlage an Wert verliert. Sie haben aber keine Angst vor dem Kaufkraftverlust." Immer häufiger werden deshalb Garantiefonds oder Garantieanleihen gekauft, bei denen der Anbieter den Erhalt des eingesetzten Kapitals gewährleistet. Der Finanzexperte hält davon gar nichts. "Wenn ich zum Beispiel nach fünf Jahren nur mein Geld zurückbekomme, habe ich inflationsbereinigt vielleicht 10 bis 15 Prozent weniger." Gemessen an diesem Risiko sei der mögliche Mehrertrag von solchen Produkten viel zu gering. Vermögensexperte Beck rät gerade Anlage-Anfängern, grundsätzlich einfache Produkte zu bevorzugen, die sie selbst gut verstehen. Komplizierte Angebote seien oft mit hohen versteckten Gebühren überfrachtet.

9. Die staatlichen Förderungen ausschöpfen

Sparer sollten prüfen, ob sie Anspruch auf staatliche Förderung haben. "Geld, das der Staat herschenkt, sollte man sich nicht entgehen lassen", sagt Finanzexperte Beck. Zulagen oder Steuervorteile gibt es bei der Riester-Rente (für alle Rentenversicherungspflichtigen und Beamten) und bei der Rürup-Rente (vor allem für Selbständige), der geförderten betrieblichen Altersvorsorge, auf die jeder Arbeitnehmer Anspruch hat, und für Bausparer (Wohnungsbauprämie, Arbeitnehmersparzulage). Weitere Infos sind im Internet zu finden: www.vorsorgedurchblick.de.

10. An das Wohneigentum denken

Vorsorgesparer sollten beim Thema Alterssicherung immer auch überlegen, ob für sie die eigenen vier Wände in Frage kommen, sofern sie genug Eigenkapital bilden können und über ein stabiles und ausreichendes Einkommen verfügen. "Der Kredit wird auf die Dauer billiger, weil auf Grund der schleichenden Entwertung des Geldes der Wert der Raten für die Abbezahlung des Darlehens sinkt", sagt Vermögensexperte Beck. Umgekehrt sei aber der Wert von Immobilien, zumindest in wirtschaftlich wachsenden Region gestiegen. "Die Immobilie ist deshalb ein guter Inflationsschutz", sagt Beck.

© SZ vom 10.4.2008/jkf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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