Früher Silo, heute Wohnung:Schöpferische Resteverwertung

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Leerstehende Bauten werden zum außergewöhnlichen Betätigungsfeld für kreative Planer und Architekten. Begehrt ist vor allem der klassische Industriebau.

Gudrun Passarge

Wohnen in der Stadt erlebt eine Renaissance, der langweilige Siedlungsbrei mancher Vororte dagegen verliert an Attraktivität. In der Immobilienbranche ist deswegen von einer "epochalen Trendwende" die Rede.

Was leer steht, ist begehrenswert: Als Wohnraum dient dieser ehemalige Wasserturm im Landkreis Würzburg. (Foto: Foto: dpa)

Doch der Raum in den Städten ist nicht mehr beliebig verfügbar. "Bauen im Bestand" heißt daher die Losung der Zukunft; bereits heute fließen 60 Prozent der Bauinvestitionen in Sanierungen und Ausbauten.

Konkurrenz für Neubauten

Darin sehen Architekten und Planer, beispielsweise der selbstständige Immobilien Consulter Horst Hofbauer und der Münchner Architekt Robert Meyer ihre Chance. Der eine baut Gewerbeimmobilien um, der andere stockt Wohngebäude auf und verdichtet. Hofbauer: "Das ist eine wirkliche Konkurrenz für Neubauten."

Die Zahlen sprechen für sich. Etwa 50 Prozent der von der Lokalbaukommission München bearbeiteten Vorgänge betreffen bauliche Änderungen an bestehenden Gebäuden, schätzt der Leiter der Lokalbaukommission, Cornelius Mager. Er führt das auch auf die "gut gepflegten, gründerzeitlichen Bestände vor allem innerhalb des Mittleren Rings" zurück, oder auch auf die Altbaubestände in Pasing und Neuhausen.

Kreativität ist gefragt

Durch die Qualität dieser Bauten sei ihre Nutzbarkeit und Attraktivität erhalten geblieben, sodass sich eine Sanierung lohne - mehr als ein Neubau. Insgesamt spricht Mager von einer "bedeutenden Rolle" des Bauens im Bestand.

Was nach Auskunft von Mager allerdings eher selten beantragt wird, ist eine Umnutzung von Bürobauten in Wohnungen. "Das ist zu teuer", sagt der Immobilienberater Hofbauer. Meist sei es sehr schwierig und kostenträchtig, nachträglich Bäder und Küchen einzubauen. Hofbauer sieht deshalb bei solchen Objekten die "Kreativität gefragt".

Dabei ist er voll des Lobes für ältere Industrie-Bauten, die gemäß "ganz klaren, klassischen Strukturen" geplant wurden, "da wurde auf Funktionalität Wert gelegt". Das erleichtere einen Umbau, der eine neue Nutzung erlaube. Bekommt seine Firma ein neues Projekt, so erstellt der Immobilienberater zunächst eine Marktanalyse. Er prüft die unveränderbaren Strukturen und macht anhand dieser Grunddaten Nutzungsvorschläge.

"Der klassische Büronutzbau ist meiner Meinung nach tot", sagt Hofbauer. Chancen sieht er noch in einer Verbindung von Büros mit Loft-Wohnen oder auch in Projekten, die sich rasch den Marktverhältnissen anpassen lassen.

Wenn also beispielsweise der Hauptmieter das Gebäude verlässt, muss es relativ schnell möglich sein, kleinere Einheiten und eine Mischung zu schaffen, von der alle profitieren, so wie das früher in Ärztehäusern funktioniert hat, wo der Patient gleich mehrere Angebote hatte und die Mieter deswegen auch Vorteile hatten.

Diese Idee steht auch hinter dem Mietermanagement für einen Zeitraum von zehn Jahren, das Hofbauers Firma anbietet. Es geht darum, engen Kontakt zu den Mietern zu halten, um schnell auf deren Bedürfnisse reagieren zu können.

Lagerhalle gesucht

Damit seine Kunden eine genaue Vorstellung davon bekommen, wie ein Gebäude nach einer Umnutzung ausschauen könnte, sucht Hofbauer derzeit eine Lagerhalle in der Umgebung von München. Dort plant er, Modelle nachzubauen, in denen einzelne Räume maßstabsgetreu nachgebildet sind.

"Die Nutzer können dann mitarbeiten und sagen, wollen wir Parkett oder blauen Teppichboden." Die Investition in diesem Bereich erachtet Hofbauer für sinnvoll. "Wir wollen einen eigenen Markt daraus machen." Immerhin kann er schon einige Beispiele vorweisen. Etwa das Bürohaus an der Landsberger Straße, das nach seiner Planung zu einem Jugendhotel umgebaut wurde. Oder das Geschäftshaus einer Bank, die das Objekt von der Bahn gekauft hat und es nach ihren Vorstellungen umgestalten ließ.

Warnung vor "lauwarmem Zwiebackbrei"

Im gleichen Markt, aber vor allem auf Wohngebäude, hat sich Robert Meyer konzentriert. In Deutschland sind schätzungsweise 26 Millionen Wohnungen sanierungsbedürftig, darunter auch zahlreiche Immobilien in München.

Derzeit hat der Architekt eine Reihe von Aufträgen, in denen die Besitzer auch die Dachgeschosse zu Wohnraum ausbauen wollen. Doch nicht immer läuft das problemlos. Meyer berichtet von einem Beispiel aus dem Lehel, wo er ein Haus zwischen zwei Denkmalschutzobjekten umbauen will: "Da redet der Denkmalschutz richtig mit." Und das, obwohl das betreffende Gebäude gar nicht unter Denkmalschutz steht. Die Mansarden-Dachform wurde Meyer nicht genehmigt, was er sehr bedauert.

Er kritisiert, in München entstehe ein "lauwarmer Zwiebackbrei, mit dem man niemandem wehtut". Damit allerdings vertue man die Chance, neue, innovative Architektur zu verwirklichen, wie es etwa in Wien geschehe. "Gute Qualität kann immer nebeneinander bestehen", sagt der Architekt und gibt zu bedenken: "Was wir heute bauen ist das, was von unserer Zeit übrig bleibt."

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