Förderprogramm "München Modell":Keine Warteschlangen

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Seit zehn Jahren bietet die Stadt München günstigere Wohnungen an. Aber das Ergebnis ist mysteriös: Eigentumswohnungen werden gekauft, doch Mieter lassen sich nur schwer finden.

Bernd Kastner

Ihr Förderprogramm hat die Stadt, damals vor zehn Jahren, "München Modell" getauft. Vielleicht sollte man es "München Mysterium" nennen, dieses bundesweit einzigartige Modell des geförderten Wohnungsbaus.

Bundesweit einmalig ist das Programm "München Modell" - bisher wurden 97 Projekte realisiert. Einige davon befinden sich am Ackermannbogen (oben). Zum Programm gehören Eigentums- und Mietwohnungen. Allerdings lässt die Nachfrage nach den Mietwohnungen zu wünschen übrig; woran das liegt, weiß niemand so recht. (Foto: Foto: Andreas Heddergott)

Da gibt die Stadt 115,2 Millionen Euro seit 1996 aus, um 2600 Wohnungen bauen zu lassen und deren Bewohnern finanziell unter die Arme zu greifen. Doch als Bilanz zum Zehnjährigen heißt es nicht etwa, wie man in der Stadt mit dem härtesten Immobilienmarkt Deutschlands vermuten könnte: Sie gehen weg wie warme Semmeln, die Wohnungen, wir könnten zehnmal so viel bauen und hätten immer noch zu wenig.

Nein, Georg Reisner, der im Planungsreferat für das "München Modell" zuständig ist, sagt lediglich, man sei "zufrieden" mit der Resonanz.

Zufrieden, nicht mehr? Man stutzt, denn rein statistisch hätte jeder zweite Münchner Haushalt Anspruch auf so eine Wohnung, könnte sich also bewerben. Die Einkommensgrenze liegt beim Niveau für Sozialwohnungen - plus 60 Prozent, plus "Kinderkomponente". Das heißt, eine Familie mit zwei Kindern darf bis zu 73.000 Euro brutto im Jahr verdienen, und dazu kommen noch 9000 Euro "Kinderkomponente".

Die Stadt "verschenkt" also sehr viel Geld: Diese Muster-Modell-Familie spart bei einer 90-Quadratmeter-Wohnung etwa 45.000 Euro im Vergleich zum freien Markt, zahlt pro Quadratmeter zwischen 2300 und 2790 Euro. Wer den Zuschlag für eine Modell-Wohnung bekommt, erhält zudem vom Freistaat noch ein zinsgünstiges Darlehen über 100.000 Euro.

Mit dem Programm wollte die Stadt 1996 vor allem die Genossenschaften fördern. Die sind allseits beliebt, weil es sich bei ihnen so gut und billig leben lässt, doch es gibt immer zu wenige Genossenschaftswohnungen. Die Stadt wollte also den Genossenschaften Gutes tun - doch die hatten die Nase gerümpft.

Das liege daran, erklärt Wilhelm Prey, Vorsitzender der Vereinigung Münchener Wohnungsunternehmen, dass die Modell-Projekte meist an der Peripherie entstünden, die Genossenschaften aber vorwiegend im Innerstädtischen beheimatet seien und dort ihre Häuser hätten. Streubesitz wäre wirtschaftlich töricht, also lieber keine städtisch geförderten Wohnungen. Entsprechend wurden von den bis heute realisierten 97 "München Modell"-Bauprojekten gerade mal drei von Genossenschaften umgesetzt.

Deshalb wurde aus dem "München Modell" erst einmal ein Eigentumswohnungs-Kaufförderprogramm nach folgendem Prinzip: Die Stadt gibt Grundstücke verbilligt an Bauträger ab, die sich verpflichten, die Ersparnis an die Käufer weiterzureichen. Wer kauft, kann selbst einziehen und muss zehn Jahre dort bleiben, frühestens dann darf er weiterverkaufen. Auch Kapitalanleger können zugreifen, sind aber verpflichtet, für einen Zeitraum von 15 Jahren zu verbilligten Preisen (8,50 Euro pro Quadratmeter) an Menschen zu vermieten, die die Einkommenskriterien erfüllen.

Zu wenig Kinder in der City

Man wolle vor allem Familien in der Stadt halten oder in diese zurücklocken, sagt Stadtbaurätin Christine Thalgott bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Mehr Familien hätte eine Stadt wie München dringend nötig, denn nur noch in jedem siebten Haushalt lebt ein Kind. Und so sind seit 1996 insgesamt 1700 Eigentumswohnungen entstanden oder sie stehen kurz vor dem Bezug, meist in großen Neubaugebieten wie am Ackermannbogen, auf der Nordheide oder, vor allem, in der Messestadt. Allein dort gibt es 750 Modell-Wohnungen. Sie gehen alle weg, keine Frage, doch Warteschlangen bilden sich nicht.

Anders sieht es bei den mehr als 800 Mietwohnungen aus. Das Miet-Programm startete 2001 als "Kurskorrektur", weil man irgendwann merkte, dass viele Familien aus der Zielgruppe sich ein paar hunderttausend Euro für eine Eigentumswohnung nicht leisten können. Was also läge näher, als Mietwohnungen anzubieten, schließlich beklagen Politiker und Mietervertreter, dass fast nur noch im Eigentum gebaut werde.

Die Stadt ergänzte ihr Programm - und sucht nun, in Gestalt ihrer Wohnbaugesellschaft Gewofag, seit etwa einem Jahr händeringend nach Mietern. Es ist tatsächlich so: In der Messestadt Riem stehen seit 2005 etwa 33 Wohnungen mit drei oder vier Zimmern leer. Und 2007/2008 sollen weitere 230 auf den Markt kommen.

Ein "Mysterium" nennt Modell-Manager Georg Reisner diesen Leerstand und kann auch nur mutmaßen, woran das liegt. Vielleicht daran, dass die Miete zwar verbilligt, aber immer noch hoch ist, selbst wenn die Stadt im vergangenen Jahr, um die Ladenhüter loszuwerden, den Quadratmeterpreis von 9,50 auf 8,70 Euro heruntersubventioniert hat.

Dennoch muss man für eine 100 Quadratmeter große Wohnung mit weit mehr als 1000 Euro Warmmiete rechnen. Für viele ist das unerschwinglich. Gerade im Vergleich zum freien Markt, auf dem die Preise in den vergangenen Jahren deutlich nachgegeben haben. Der Unterschied zur Modell-Wohnung ist längst nicht mehr der wie noch vor vier Jahren, als man eine Differenz von 25 Prozent anpeilte.

Maria Knauer, seit kurzem Geschäftsführerin der Gewofag, erklärt, dass diese Wohnungen anfangs als Eigentums-Modell geplant worden waren. Als sie zu Mietwohnungen wurden, habe man nicht rechtzeitig genug mit dem Vermarkten angefangen. Wer schuld daran ist, das wisse sie nicht so genau - das sei vor ihrer Zeit gewesen. Dennoch hat sie heute die Folgen zu tragen: "Der Mietausfall war erklecklich."

Trotz der Leerstände ist die Stadt von ihrem Kurs überzeugt und will weitere "München Modell"-Wohnungen bauen lassen. Die Einkommensgrenzen bleiben gleich, doch um die Nachfrage zu steigern, hat man inzwischen andere Hürden deutlich gesenkt. Mussten Anwärter ursprünglich fünf Jahre lang im Stadtgebiet München wohnen oder arbeiten, um sich bewerben zu dürfen, reichen nun drei Jahre. Familien mit Kindern müssen gar nur noch ein Jahr warten und können auch aus einem der umliegenden Landkreise zuziehen. Und wer eine der freien Wohnungen in der Messestadt will, kann sofort zugreifen, auch wenn er frisch aus Buxtehude kommt.

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