Finanzmärkte:Treu ergeben

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Frisches Kapital für die Märkte: EZB-Chef Trichet will weitere Milliarden in das Finanzsystem pumpen. Nur so könne ein Kollaps verhindert werden.

Die Europäische Zentralbank (EZB) steht dem angeschlagenen Finanzsystem als letzte Instanz bei der Versorgung mit Liquidität weiter uneingeschränkt zur Verfügung. "Die EZB wird weiter solvente Banken Zugang zu Liquidität gewähren und das Funktionieren des Geldmarktes so lange garantieren wie es auch nötig ist", sagte EZB-Chef Jean-Claude Trichet am Dienstagabend in Frankfurt am Main. Durch die Bereitstellung ständig frischen Zentralbankgeldes im Verlauf der Finanzmarktkrise sei es gelungen, das System stabil zu halten.

Zur Stabilität gehört auch, dass die EZB Geld abzieht. Dieses Mal sollen es bis zu 200 Milliarden Euro sein, wie die EZB am Mittwoch mitteilte. Abgeschöpft werde zum Leitzinsniveau von 4,25 Prozent.

Die EZB, die US-Notenbank Federal Reserve und andere Zentralbanken hatten in den vergangenen Tagen immer wieder frisches Geld in die Märkte gepumpt, um ein Austrocknen zu verhindern. Hintergrund ist das immense Misstrauen der Banken untereinander. Sie leihen sich untereinander praktisch kein Geld mehr, so dass die Notenbanken einspringen mussten, um für stets ausreichende Liquidität im Finanzsystem zu sorgen.

Ackermann stützt Trichet-Linie

Rückendeckung erhielt Trichet von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Er begrüßte die diversen Liquiditäts- und Stützungsmaßnahmen für die Finanzmärkte. "Ohne diese Liquiditätseinschüsse der Notenbanken hätten wir eine ganz schwierige Situation gehabt", sagte Ackermann. Auch die Regierungen in den Benelux-Staaten, Großbritannien und Deutschland hätten am vergangenen Wochenende einen "wichtigen Schritt" gemacht. In der Nacht zum Montag hatte die Bundesregierung zusammen mit anderen Banken ein Rettungspaket für den Münchener Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate geschnürt. In den Benelux-Staaten und Großbritannien griffen die jeweiligen Regierungen ebenfalls angeschlagenen Finanzinstituten unter die Arme.

Ackermann räumte ein, keiner wisse, ob diese Maßnahmen reichten. "Aber jeder Schritt ist ein wichtiger Schritt, um wieder Vertrauen an den Finanzmärkten zu schaffen". Mit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers sei die Angst der Marktteilnehmer zurückgekehrt. Und sie habe zu einem Dominoeffekte geführt. "Dieser Teufelskreis muss nun durchbrochen werden, durch ein schnelles Bewilligen des Rettungspakets in den USA", sagte Ackermann.

Spekulationen auf eine Zinssenkung der EZB alleine oder gemeinsam mit anderen Zentralbanken erteilte Trichet indirekt eine Absage. Es habe sich bewährt, zwischen der Zinspolitik auf der einen und der Liquiditätspolitik auf der anderen Seite klar zu trennen. Die EZB achte bei der Festsetzung ihres Leitzinses ausschließlich darauf, dass er angemessen ist, um Preisstabilität in den Ländern der Währungsunion zu erreichen, sagte Trichet.

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Parallel mahnte Trichet die Verabschiedung des US-Rettungspakets für die Finanzbranche an. Der US-Kongress sollte dem Gesetz auch zum Wohl des weltweiten Finanzsystems zustimmen. Er sei zuversichtlich, dass das Rettungspaket letztlich kommen werde, fügte Trichet hinzu.

Auch andere Zentralbanker und Spitzenpolitiker weltweit hatten die dringende Verabschiedung der Hilfsmaßnahmen gefordert. Das russische Finanzministerium betonte, die USA trügen Verantwortung für andere Länder. Das US-Repräsentantenhaus hatte das 700 Milliarden Dollar schwere Paket zunächst überraschend abgelehnt. Der US-Senat soll noch am Mittwoch darüber abstimmen.

Der EZB-Rat entscheidet am Donnerstag in Frankfurt über den Leitzins, der aktuell bei 4,25 Prozent liegt. Zwar erwarten die allermeisten Ökonomen nicht, dass die EZB die Zinsen senken wird, um die Folgen der Finanzkrise abzumildern und die schwächelnde Konjunktur zu stützen. Wegen der Zuspitzung der Krise in den vergangenen Tagen wird an den Märkten jedoch mittlerweile über koordinierte Zinssenkungen bedeutender Zentralbanken in aller Welt spekuliert.

IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn hat Europa unterdessen aufgefordert, sich mit einem gemeinsamen Plan auf eine Ausweitung der Bankenkrise vorzubereiten. Die europäischen Staaten seien nicht immun gegen die Finanzmarktkrise in den USA, sagte der ehemalige französische Wirtschaftsminister. "Also müssen sie sich organisieren. Das ist dringend nötig auf der europäischen Ebene." Nach den Worten des IWF-Chefs wird die Krisenreaktion des Kontinents durch das Fehlen einer pan-europäischen Aufsichtsbehörde erschwert. "Die EU-Regeln machen es sehr viel schwieriger als in den USA", grenzübergreifend zu handeln, sagte er.

Börsen blicken auf die US-Entscheidung

Die Börsen warten auf den neuen Anlauf des US-Kongresses zur Verabschiedung des Banken-Rettungspaketes und hielten sich am Mittwochvormittag relativ stabil: An der Frankfurter Börse kletterte der Leitindex Dax nach Handelsbeginn um 0,58 Prozent in die Höhe und notierte bei knapp 5866 Zählern. An der Londoner Börse gewann der Footsie 100 0,8 Prozent und landete bei 4941 Punkten. Der CAC 40 an der Pariser Börse stieg um 0,92 Prozent (4070 Punkte). Die Tokioter Börse schloss mit Plus 0,96 Prozent. Auch an der New Yorker Börse hatte sich der Dow-Jones-Index mit einem Aufschlag von knapp 4,7 Prozent von den herben Verlusten vom Montag erholt und notierte zu Handelsschluss bei 10.851 Punkten.

© sueddeutsche.de/Reuters/AFP/dpa/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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