Finanzkrise:Wie stabil sind Deutschlands Banken?

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Panikmache, oder nicht? WestLB-Chef Alexander Stuhlmann hat angedeutet, dass die US-Hypothekenkrise den gesamten deutschen Bankensektor gefährden könnte. Der Mann könnte recht haben.

Paul Katzenberger

Notenbanker wissen, welchen Schaden unbedachte Äußerungen anrichten können. Bundesbank-Präsident Axel Weber könnte daher inzwischen einen kürzlichen Ausspruch bedauern: Die Probleme der IKB Deutsche Industriebank seien institutsspezifischer Natur, hatte er erklärt, nachdem für die Mittelstandsbank eine hastige Rettungsaktion organisiert werden musste.

Doch dann passierte dieser "isolierte", "auf eine spezielle Institution bezogene" Unglücksfall wieder: In der Nacht auf den vergangenen Samstag wurde bekannt, dass verschiedene Sparkassen kurzfristig für Kredite der SachsenLB in Höhe von 17,3 Milliarden Euro einstehen mussten. Damit war die SachsenLB das zweite deutsche Institut innerhalb von drei Wochen, das in eine Schieflage geraten war.

Einzelfälle oder Systemproblem?

Beobachter fragen sich nun, ob es sich bei den Kreditausfällen der IKB und der SachsenLB tatsächlich um die von Weber beschworenen Einzelfälle handelt, oder ob nicht der deutsche Bankensektor insgesamt ein Systemproblem hat.

Der Argwohn richtet sich dabei besonders gegen die staatlichen Landesbanken, die in größeren Liquiditätsnöten zu stecken scheinen als etwa die privaten Geschäftsbanken.

Ihren Ausgang nahmen die Schwierigkeiten der Landesbanken dabei vor zwei Jahren, als sie auf Druck der EU-Wettbewerbshüter ihre staatlichen Bürgschaften verloren. Weil sich für sie dadurch die Refinanzierung auf den Kapitalmärkten verteuerte, mussten sie sich neue Geschäftsmodelle ausdenken.

Finanzkonstruktion

Dabei verfielen sie auf eine neue Finanz-Konstruktion, für die in der Finanzbranche das englische Wort "Conduit" steht, und die ihren Schöpfern inzwischen große Probleme bereitet.

Bei diesen Gebilde, die am besten mit "Zweckgesellschaft" oder "Special Purpose Vehicle" in verständliches Finanzdeutsch übersetzt werden, handelt es sich in vielen Fällen um außerbilanzielle Gesellschaften.

Die "Conduits" erwirtschaften ihre Gewinne mit sogenannten "Fristentransformationen", das heißt, sie kaufen langfristige Kredite mit höherer Rendite an und refinanzieren diese über den Verkauf kurzlaufender Effekten mit geringerer Verzinsung (Asset Backed Commercial Paper, ABCP).

Ein entscheidender Vorteil

Das attraktive an den "Conduits": Sie können nach den Regeln des HGB gesondert von der Bankbilanz ausgewiesen werden, sofern das rechnungslegende Institut keinen beherrschenden Einfluss ausübt. Das hat einen ganz entscheidenden Vorteil: Die Bank muss ihren "Conduit" nicht mit teurem Eigenkapital absichern.

In guten Zeiten erwies sich diese Konstruktion als lukrativ, doch im Fall der IKB begannen die Schwierigkeiten, als der US-Immobilienmarkt ins Wanken geriet: Das Institut hatte sich dort in Milliardenhöhe refinanziert und konnte durch die massenhaften Ausfälle seine Kreditlinie nicht mehr halten.

Die Krise bei der SachsenLB wurde ausgelöst, als die Anleger in Geldmarktpapieren ihre Einlagen auf einen Schlag zurückzogen. Der von dem Institut aufgelegte "Conduit" Ormond Quay geriet ins Schlingern, weil die SachsenLB ihre Verpflichtungen bei den langfristigen Krediten nicht mehr einhalten konnte: Regionale Sparkassen mussten dem Institut unter die Arme greifen.

Tiefer gehend

Die Schieflagen der IKB und der SachsenLB konnten durch das beherzte Einspringen anderer Banken zwar zumindest vorläufig gerade gezogen werden, doch das Problem dürfte tiefer gehend sein: Denn obwohl keine deutsche Landesbank von ihrer Bilanzsumme her unter den Top-30-Instituten Europas rangiert, befinden sich nach Informationen der Financial Times alle Landesbanken unter den größten 30 Emittenten von "Conduits" in Europa.

Der Markt dafür ist riesig: Allein die europäischen Banken seien mit 378 Milliarden Euro in den Zweckgesellschaften investiert - ein Viertel dieser Institute komme aus Deutschland, so die Financial Times .

Der Warnruf, den der neue WestLB-Chef Alexander Stuhlmann am Montagabend ausstieß, dürfte vor diesem Hintergrund gestanden haben. Die deutsche Finanzbranche sei in einer "nicht unkritischen Situation", hatte Stuhlmann gesagt.

Ausländische Banken zögern

Seine - für einen Banker - ungewöhnlich offenen Worte hatte Stuhlmann mit der Beobachtung begründet, dass es für die deutschen Geldhäuser zunehmend schwerer werde, Geld am Kapitalmarkt zu besorgen. An den Märkten sei zu spüren, dass ausländische Partnern nicht mehr so leicht Kreditlinien zur Verfügung stellten. Aus diesem Grund könnten weitere deutsche Institute in Schwierigkeiten geraten, so der WestLB-Chef.

Die Exponiertheit vieler deutscher Banken bezüglich der "Conduits" legt nahe, dass Stuhlmanns Sorgen berechtigt sein könnten.

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