Finanzkrise:Osteuropa geht das Geld aus

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Die globale Finanzkrise erreicht den Osten: Analysten warnen vor einer scharfen Rezession und großen Problemen im Bankensektor.

S. Boehringer und C. Hoffmann

Die Angst vor einem Absturz der osteuropäischen Volkswirtschaften hat am Dienstag die Aktienkurse auf Talfahrt geschickt. Besonders betroffen waren österreichische Bankaktien. Sorgen bereitet den Anlegern ein Kommentar der Ratingagentur Moody's, wonach in Osteuropa massive Probleme drohen.

Wackelige Kredite und der jüngste Rutsch der regionalen Währungen machen den osteuropäischen Geldhäusern zu schaffen - wie in der tschechischen Hauptstadt Prag. (Foto: Foto: dpa)

Moody's hatte gewarnt, der wirtschaftliche Abschwung in Osteuropa sei vermutlich schwerer als anderswo und könnte die Banken Westeuropas über ihre osteuropäische Töchter empfindlich treffen. Gleichzeitig kündigte der Bonitätsprüfer Standard & Poor's an, die Einstufung osteuropäischer Banken prüfen zu wollen.

Den Geldhäusern in Polen, Ungarn, der Tschechischen Republik und anderen Ländern des Ostens machen die wachsende Zahl wackeliger Kredite und der jüngste Rutsch der regionalen Währungen zu schaffen. Dadurch könnte die Kapitalbasis der Institute erodieren. Das träfe dann auch die westeuropäischen Mutterkonzerne.

Osteuropa galt bis vor kurzem als eines der letzten Wachstumsfelder im Bankgeschäft, die Margen waren dort deutlich höher als im Westen. Finanzinstitute aus Österreich, Italien, Frankreich, Belgien, Deutschland und Schweden mischten deshalb kräftig im Osteuropageschäft mit. Sie halten Moody's zufolge insgesamt 84 Prozent aller Beteiligungen westeuropäischer Banken in Osteuropa.

Am heftigsten betroffen ist nach Auffassung der Ratingagentur das österreichische Bankensystem, da auf Osteuropa fast die Hälfte des Auslandsgeschäfts aller österreichischen Banken entfalle. Entsprechend heftig brachen die Kurse ein. Erste Bank stürzten am Dienstag um 18,3 Prozent ab, die österreichische Raiffeisen um 13,5 Prozent.

In der Bredouille sind nicht nur die Banken, ganze Volkswirtschaften stehen unter Druck. An den Börsen in Polen, Ungarn, Tschechien, der Ukraine und Russland fielen die Kurse um bis zu 9,4 Prozent. Osteuropa muss 2009 rund 400 Milliarden Dollar an Verbindlichkeiten ablösen oder verlängern. Es handelt sich um Kredite, die Unternehmen, Banken und Staaten aufgenommen haben. In Zeiten einer global wütenden Kreditkrise ist das eine nicht zu unterschätzende Bürde.

Die bisherigen Geldgeber sind zumeist in Westeuropa angesiedelt. Alleine Österreich hat etwa 230 Milliarden Euro in die Region verliehen, was mehr als 70 Prozent der Wirtschaftsleistung der Alpenrepublik gleichkommt. Insgesamt stehen in Osteuropa Verbindlichkeiten zwischen 1500 und 1700 Milliarden Dollar aus, die oft in fremder Währung - Euro und Dollar beispielsweise - zurückgezahlt werden müssen.

Betroffen sind auch private Haushalte. "Viele Privatleute in den aufstrebenden Ländern haben sich in Hartwährungen wie dem Euro, dem Dollar oder dem Schweizer Franken verschuldet, um Zinsen zu sparen", erklärt Matthias Krieger von der Landesbank-Baden-Württemberg. Nach den jüngsten Kursstürzen ihrer Heimatwährungen bekommen sie Schwierigkeiten, ihre Verbindlichkeiten zu tilgen.

Die hohe Auslandsverschuldung wird zunehmend zum Problem. Denn der üppige Strom an Kapitalzuflüssen aus dem Ausland nach Osteuropa droht zu versiegen. Bis vor kurzen noch hatten Unternehmen wie beispielsweise Audi und Skoda in Ungarn und Tschechien kräftig investiert. Investmentgesellschaften wie DWS oder Allianz Global Investors kauften im großen Stil Aktien und Anleihen aus Ländern des Ostens. Doch damit ist es vorbei.

Mit dem dramatischen Rückgang des Welthandels fehlen den Osteuropäern zudem die dringend benötigten Deviseneinnahmen aus dem Exportgeschäft. "In Osteuropa klafft eine gewaltige Finanzierungslücke", sagt deshalb Harwig Wild, Osteuropaexperte des Bankhauses Metzler. "Der Kapitalmarkt ist geschlossen, selbst beste Adressen wie Gasprom oder Lukoil bekommen kein Geld mehr." Osteuropa geht das Geld aus. Viele Länder haben deshalb schon in Brüssel und beim Internationalen Währungsfonds um Geld gebeten.

In ihrer Not verkaufen Schuldner die heimische Währung, um Kredite in Euro, Dollar oder Yen abzulösen. Die Währungen Osteuropas sind deshalb im freien Fall. Binnen Jahresfrist verlor der polnische Zloty gegenüber dem Euro 25,5 Prozent an Wert, der ungarische Forint büßte 13,4 Prozent ein, die tschechische Krone gab 13,4 Prozent nach und der russische Rubel stürzte um 19,8 Prozent ab.

Russland steht im Zentrum der Krise im Osten. Der Ölpreis befindet sich auf Talfahrt. Damit fehlt Russland eine wichtige Einnahmequelle, denn der Handel mit Öl und Gas macht mehr als die Hälfte des Exportgeschäfts aus. Um den Verfall der Wirtschaft und des Rubel zu stoppen, plündert die Notenbank die Währungsreserven. In der Spitze besaß Russland im August vergangenen Jahres noch 598 Milliarden Dollar, seitdem ist der Schatz auf 385 Milliarden Dollar geschmolzen.

© SZ vom 18.02.09/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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