Finanzkrise: Fall Citigroup:Schwarze Löcher

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Die Krise erreicht ein neues Stadium: Jetzt trifft es Banken, die schon in Sicherheit gesehen wurden. Nun droht der Abgrund.

Hans von der Hagen

Der Citigroup drohte der Kollaps. Vielleicht hatte es Deutsche-Bank-Chef Josef "Joe" Ackermann schon vor rund einem Jahr geahnt, als er den Chefposten bei der einst größten US-Bank ablehnte: Dort gibt es nichts zu gewinnen. Nicht jetzt. Stattdessen verschlingt das Institut Geld in einem enormen Tempo.

Citigroup: Verhängnisvolle Eigendynamik (Foto: Foto: AP)

Lange schien das Institut nichts erschüttern können. Da müssten sich die Verluste schon auf mehr als 80 oder 90 Milliarden Dollar auftürmen, bevor es brenzlig wird, sagten noch vor wenigen Monaten Experten in dem gleichen Tonfall, mit dem Astronomen das Ende des Sonnensystems in ferner Zukunft durchdenken.

Brutal verschätzt

Das war zu Zeiten, als die Finanzkrise noch "Subprime-Krise" hieß und Tabellen mit dem Bestand an Immobilienpapieren in den Bilanzen der Banken die Lage beherrschbar erschienen ließ. In denen die Banken gelobt wurden, die eine vergleichsweise mutige Informationspolitik betrieben und sich schon früh auf die Suche nach Investoren machten.

Mittlerweile ist klar: Viele Banken, Investoren und Experten haben sich brutal verschätzt - oder wollten das Undenkbare nicht mehr denken. Gerade jene Institute, die durch ihre Entschlossenheit einen Vertrauensvorschuss erhalten, die früh Gläubiger gefunden hatten und schon wieder gutaufgestellt zu sein schienen, diese Banken können dem Druck kaum noch standhalten.

Nicht weil sie so entschlossen gehandelt hatten, sondern trotzdem - wie die Citigroup. Die Finanzkrise hat ein neues Stadium erreicht: Jetzt trifft es die Institute, die schon in Sicherheit gewogen wurden, nun aber von der Wirtschaftskrise eingeholt werden.

Gefährlicher Kursverfall

Der herbe Verlust des Vertrauens in die Citigroup spiegelt sich an der Börse wider. Die Großbank hat mehr als 80 Prozent ihres Wertes eingebüßt, die Aktie droht zum Penny-Stock zu verkommen. Daran ändert auch die kräftige Kursreaktion am Montag - im frühen Geschäft an der Wall Street gewinnt die Aktie fast zwei Drittel an Wert - zunächst nur wenig.

Der Kursverfall hat die US-Bank auf den fünften Rang in der Tabelle der größten Institute Amerikas abrutschen lassen. Allein in der vergangenen Woche verlor das Papier zwei Drittel seines Wertes - das ist keine Belanglosigkeit, kein Vorgang, der nur Spekulanten trifft und den Rest der Welt nichts angeht.

Vielmehr signalisiert der Kursverfall den drohenden Zusammenbruch der Bank. Erschwerend kommt hinzu, dass die Verluste wie auch schon beim Investmenthaus Lehman Brothers eine verhängnisvolle Eigendynamik entwickeln. Das macht die Situation so bedrohlich: Gegen die Wucht der Spekulationen und Gerüchte kann kein Bankchef der Welt anreden.

Daher nimmt die Politik die Börse so ernst. Darum hat sie jetzt eingegriffen. Und sie hat es auf die einzige Art getan, wie in diesen Tagen nur gehandelt werden darf: schnell und beherzt. Es ist die Lehre aus vergangenen Krisen: In der Finanzindustrie verträgt Hilfe keinen Verzug.

Allein an Garantien für problematische Wertpapiere bekommt die Citigroup mehr als 300 Milliarden Dollar. Zusätzlich erhält sie 20 Milliarden Dollar in Cash, nachdem sie bereits im letzten Monat 25 Milliarden Dollar einheimste.

Die Zahlen, aber auch die Geschwindigkeit, mit der sich immer neue Zahlenberge auftürmen, machen deutlich, dass diese Krise ein Ungetüm geworden ist, das sich der Vorstellungskraft aber auch einer effizienten Kontrolle und Steuerung weitgehend entzieht. Und die Citigroup würde, wenn sie kollabiert, zu einem schwarzen Loch werden, das mit seinen enormen Gravitationskräften die gesamte Finanzindustrie bedrohen würde.

Dem Citigroup-Chef Vikram Pandit macht die US-Regierung keinen Vorwurf. Er darf bleiben in dem Job, den "Joe" Ackermann nicht machen wollte. Es ist aber auch schwer, Herren für schwarze Löcher zu finden.

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