Finanzkrise:Die zerstörerische Kraft des Misstrauens

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Wird eine Bank gerettet, argumentiert der Staat mit den Folgen einer Pleite. Wie die Schieflage einer Bank sich zu einer Systemkrise ausweiten kann.

M. Hesse und M. Zydra

Staatsgeld für marode Banken? Eine Volksabstimmung zu dieser Frage würde wohl ein klares "Nein" bringen. Das Votum der Straße belegt, wie erklärungsbedürftig die Sache ist. Schon nach der Schieflage der Mittelstandsbank IKB hatte der Chef der Finanzaufsicht, Jochen Sanio, gesagt, im Falle eines Kollaps habe die schlimmste Bankenkrise seit 1931 gedroht.

Der berühmte Domino-Effekt: Kränkelt eine Bank, kann sich das schnell auf andere Banken auswirken. (Foto: Foto: istock)

Damals stürmten mitten in der Weltwirtschaftskrise Kunden die Danatbank, seinerzeit das drittgrößte Kreditinstitut. Hätte eine Pleite der IKB tatsächlich ähnlich fatale Folgen gehabt? Zwar hört der Bürger viel von einem drohenden Systemkollaps, der ist leicht prognostiziert. Die Probleme einer Bank können sich jedoch auf sehr vielen Wegen auf das gesamte System übertragen. Wie gravierend die Folgen sind, hängt vor allem davon ab, wie eng ein Kreditinstitut mit der übrigen Finanzwelt verwoben ist.

Ausgangspunkt ist das Vertrauen in den Geschäftspartner, eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine funktionierende Finanzwirtschaft. Daran hapert es derzeit. Eine Bankenpleite könnte eine Kettenreaktion auslösen, weil sich das Misstrauen immer tiefer in den Bankenmarkt hineinfrisst und den Geldfluss im System nach und nach austrocknet. Am Beispiel der Hypo Real Estate (HRE) lässt sich das sehr gut zeigen.

Direkte Verluste

Zunächst einmal löst eine Bankpleite direkte Verluste bei Geschäftspartnern aus. Unmittelbar von einer Pleite betroffen sind beispielsweise Banken, die gemeinsam mit einem Kriseninstitut Projekte finanziert haben. HRE ist einer der wichtigsten Akteure auf dem europäischen Immobilienmarkt. Die Bank hat in Konsortien Immobilienprojekte finanziert - sprich Geld verliehen.

Nun stelle man sich vor, HRE sei insolvent. "Die Gläubiger würden ihre Kreditraten nicht mehr überweisen", sagt Stefan Stobbe, Manager der dänischen Bankinvest. "Sie müssten befürchten, dass ihre Ratenzahlungen in die Konkursmasse von HRE fließen und nicht mehr in die Tilgung des Kredits", sagt der Experte. HRE könnte ihre Verpflichtungen aus Projektfinanzierungen nicht mehr wahrnehmen. "Andere Konsortialbanken müssten einspringen, was deren Kapitalbasis belastet."

Als zweites sind die Gläubiger eines Pleite-Instituts betroffen. HRE hat sich an den Finanzmärkten viel Geld geliehen. Eine Insolvenz würde fatale Signale setzen. "Schnell spricht sich herum, welche Banken der HRE Geld gegeben haben und vorerst nicht mehr damit rechnen können, dass das Kapital zurückgezahlt wird", sagt Martin Faust, Professor für Bankwirtschaft an der Frankfurt School of Finance & Management. Durch ihre Geschäftsbeziehung zu HRE verlieren diese Institute ihrerseits Vertrauen am Markt. Auch sie bekommen im schlimmsten Fall keine Finanzierung mehr, weil der Geschäftspartner befürchten muss, er bekommt das Geld nicht mehr zurück.

Artgenossen unter Verdacht

Dieser Teufelskreis zieht dann immer weitere Kreise, denn die von der HRE-Pleite direkt betroffenen Banken haben ihrerseits ja auch Kreditgeschäfte gemacht, die nun in den Augen des Marktes gefährdet sind. "Alle die wie HRE irgendwo im Hypothekengeschäft tätig sind, wären als nächstes unter Druck gekommen", sagt ein Banker.

Warum, das erklärt der frühere Ratinganalyst und Bankberater Thomas von Lüpke. "Wenn eine der größten deutschen Banken gekippt wäre, hätte das auf jeden Fall für andere deutsche Kreditinstitute einen Reputationsverlust zur Folge gehabt." Die Frage sei, zu welchen Kosten sich eine Bank noch finanzieren kann, wenn sie in eine Schublade mit einem Krisenfall wie HRE gesteckt werde. Deshalb wäre nach Ansicht vieler Experten ein Zusammenbruch der IKB für die Landesbanken problematisch geworden: Die IKB wurde ebenfalls als öffentliches Institut wahrgenommen, so dass die Landesbanken neben den direkten Verlusten bei der IKB auch größere Schwierigkeiten bei der Refinanzierung bekommen hätten.

Dabei halten Experten die direkten Effekte aus einem Zusammenbruch von HRE für weniger gravierend als die indirekten. So heißt es, viele Banken hätten ihre Kreditengagements bei HRE schon in den Monaten zuvor reduziert. Komme es jedoch zu einem Notverkauf der Vermögenswerte bei der Hypothekenbank, könne das die Preise vieler Wertpapiere unter Druck setzen und bei Banken weltweit neue Abschreibungen nach sich ziehen.

Sehr viele Institute haben ähnliche Arten von Wertpapieren in ihren Beständen, so dass jeder Notverkauf weitere Wertberichtigungen nach sich zieht. Dabei geht es längst nicht mehr nur um Immobilienkredite, die einst die Krise auslösten. Auch Übernahmekredite, Darlehen für Gewerbeimmobilien, Kreditkartenforderungen und Autofinanzierungen müssen in den Portfolien der Banken mit geringeren Werten angesetzt werden. "Eine Abwicklung der Hypo Real Estate wäre für den globalen Bankenmarkt ein Problem", sagt ein Bankenexperte. Der Hauptzweck des Garantieschirms dürfte gerade darin bestehen, Notverkäufe zu verhindern.

Der Kunde läuft davon

Sind bei anderen Banken verstärkt Abschreibungen nötig, reduzieren diese das Eigenkapital der Institute. Nun kommt die Finanzaufsicht ins Spiel. Es gibt Vorschriften, wie viel Eigenkapital eine Bank für verschiedene Arten von Geschäften vorhalten muss. Um ihr Eigenkapital zu stärken, muss die Bank entweder an den Börsen neues Kapital aufnehmen - was angesichts des großen Misstrauens der Anleger gegenüber Banken nach einem Pleitefall schwierig ist. Ein zweiter Weg, die Kapitalbasis zu stärken, ist der Verkauf von Vermögenswerten, also meist Wertpapieren. Doch dadurch kommen die Preise solcher Wertpapiere weiter unter Druck, die Spirale dreht sich weiter nach unten.

Besser stehen in so einer Situation Banken da, die sich in hohem Maße über Kundeneinlagen refinanzieren. Dieses Geld steht meist sehr langfristig zur Verfügung. Die Pleite einer großen Bank kann aber eine fatale Signalwirkung auf die Kunden haben. Als der britische Hypothekenfinanzierer Northern Rock im Winter in Zahlungsnöte geriet, stürmten Kunden die Filialen, weil sie ihr Geld nicht mehr sicher wähnten.

Auch die amerikanische Hypothekenbank Indymac brach letztlich zusammen, weil die Kunden an ihr Geld wollten. Ziehen die Kunden ihre Einlagen ab, versiegt für die Banken auch diese letzte, verlässlichste Finanzierungsquelle. Greift die Panik auch bei anderen Banken um sich, wird der Systemkollaps wahr.

© SZ vom 30.09.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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