Finanzierung zu null Prozent:Kleiner Zins, große Versuchung

Lesezeit: 3 min

Einladung zum Schulden machen: Viele Geschäfte locken Kunden mit Ratenzahlungen. Verbraucherschützer warnen.

Silvia Liebrich

Die Radiowerbung klingt verlockend: "Kaufen Sie jetzt Ihre Traumküche, zahlen Sie erst in zwölf Monaten." Oder soll es ein neues Auto sein? Kein Problem. Nahezu alle Fahrzeughersteller locken mit günstigen Ratenzahlungen, und vom Staat gibt es obendrauf noch die Abwrackprämie von 2500 Euro. Noch nie war es in Deutschland so leicht, auf Pump zu leben. Gezahlt wird später, vielleicht auch nie.

In den Geschäften warten die verschiedensten Verlockungen. (Foto: Foto: dpa)

Egal ob sie Fernseher, Handy oder Schrankwand kaufen, immer mehr Verbraucher verschulden sich lieber, anstatt gleich zu zahlen. So, als ob es die Krise nicht gäbe, Job und Einkommen sicher wären. Jeder vierte Deutsche zahlt inzwischen einen oder mehrere Ratenkredite ab, und es werden mehr. Das zeigen Zahlen des Bankenverbandes: Der Bestand an Ratenkrediten bei inländischen Banken hat sich seit 2002 um 15 Prozent auf 132 Milliarden Euro erhöht, Darlehen für Haus- und Wohnungsbesitzer nicht eingerechnet. Den Großteil machen Finanzierungen für Autos aus, gefolgt von Möbeln und Hightech-Geräten.

Bereitschaft, auf Pump zu leben

Die Konsumforscher der GfK liefern für die unverdrossene Kauflust der Bundesbürger eine plausible Erklärung: Konjunkturprogramme vom Staat sorgen für Optimismus. Zudem sind die Lebenshaltungskosten dank fallender Energie- und Lebensmittelpreise gesunken. "Die Konsumenten sehen ihre Kaufkraft gestärkt und schätzen folglich ihre Einkommensaussichten optimistischer ein", heißt es bei der GfK. Und damit wächst die Bereitschaft, auf Pump zu leben.

Die Null-Zins-Kredite wirken wie eine Einladung zum Schuldenmachen. Wer seine Rechnung sofort begleicht, ist bei diesen Offerten meist im Nachteil. Denn wer in Raten zahlt, kann den noch ausstehenden Betrag anlegen und bekommt dafür von seiner Bank auch noch Guthabenzinsen. Sofortzahler, die dafür lieber einen Rabatt aushandeln wollen, beißen in der Regel auf Granit. "Ein Warenhaus ist schließlich kein Bazar", sagt dazu ein Sprecher des Arcandor-Konzerns, zu dem die Karstadt-Kaufhäuser gehören. Zinslose Kredite für technische Geräte bietet das Unternehmen nach eigenen Angaben seit mehr als drei Jahren an - und es lohnt sich: "Solche Angebote fördern natürlich den Absatz", sagt er.

Die Finanzierung übernimmt die Karstadt-Quelle-Bank. Zwischen einem Warenwert von 399 und 3000 Euro gelte das Kreditangebot ausnahmslos für alle Kunden. Ein Gehaltsnachweis oder eine Schufa-Auskunft seien nicht notwendig, sagt der Firmensprecher. Ähnlich läuft es bei den Metro-Töchtern Media Markt und Saturn, die im Kreditgeschäft mit der Deutschen Bank, der spanischen Santander Bank und Citibank zusammenarbeiten.

Bonität ist Bankensache

Auch hier will man nicht wissen, wie es um die Zahlungsfähigkeit der Klientel bestellt ist. "Für die Bonitätsprüfung ist die Bank zuständig", heißt es. Nicht nur für den Handel ist der Verkauf auf Raten lukrativ, auch die Banken profitieren. Gilt das Geschäft mit Konsumkrediten doch als eins der wenigen, mit denen sie noch Geld verdienen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wen die Versprechungen besonders gefährden können.

Verbraucherschützer beobachten das wachsende Angebot von Ratenfinanzierungen mit Sorge. Zahlreiche Kunden ließen sich so zu Investitionen animieren, die sie sich eigentlich nicht leisten könnten. "Die Versuchung ist sehr groß", sagt Beate Wagner von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Hier wird mit dem Feuer gespielt", warnt auch Werner Sanio, Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung. "Vor allem Haushalte, die ohne Toleranzrahmen kalkulieren, kommen schnell ins Trudeln." Ganz besonders, wenn das Risiko von Gehaltsausfällen durch Kurzarbeit oder gar einen Arbeitsplatzverlust wachse. Immer mehr Verbraucher rutschten so in die Schuldenfalle. Laut Sanio hat sich die Zahl der überschuldeten Haushalte seit 1990 verdoppelt, auf 3,1 Millionen. Knapp 100.000 Privatinsolvenzen wurden 2008 registriert.

Bei den Sparkassen geht man davon aus, dass die Zahl der Verbraucherpleiten in den nächsten Jahren deutlich zunehmen wird. "Im Zuge einer Wirtschaftskrise erhöht sich erfahrungsgemäß auch die Zahl der Privatinsolvenzen, mit einer Verzögerung von etwa zwei Jahren", sagt Karl-Peter Schackmann-Fallis, Vorstand des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Schuld daran seien neben der wachsenden Arbeitslosigkeit auch die verlockenden Finanzierungsangebote im Einzelhandel.

Deutsche sind keine Amerikaner

Von amerikanischen Verhältnissen seien die Deutschen aber weit entfernt, betont man im Handel und bei den Banken. Tatsächlich liegt der Verschuldungsgrad von US-Haushalten mit 25 Prozent des verfügbaren Einkommens deutlich über den 14 Prozent deutscher Haushalte. "Die Deutschen verschulden sich nicht leichtfertig", sagt Hubertus Pellengahr vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels. "In den USA wurden Kredite viel leichtfertiger vergeben als in Deutschland", ergänzt Stephan Moll vom Bankenfachverband.

Für Schuldenberater Sanio rechtfertigt das jedoch nicht die wachsende Verschuldung von Privathaushalten: "Die Schuldenkrise wird spätestens in zwei Jahren auch die deutschen Konsumenten erreichen", ist er sich sicher. Es sei also falsch, Verbraucher mit Billigkrediten zu höheren Ausgaben zu bewegen. "Das ist verantwortungslos und passt nicht in eine Zeit, in der nichts mehr sicher zu sein scheint."

© SZ vom 16.3.2009/vw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: