Finanzgeschäfte in Liechtenstein:Mehr Bankkunden als Bürger

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Der Kleinstaat Liechtenstein erwirtschaftet ein Drittel seines Bruttoinlandsproduktes mit Finanzgeschäften - da ist Diskretion Trumpf.

Claus Hulverscheidt und Judith Raupp

Besonders heimelig wirkt Vaduz nicht auf Besucher. Nüchterne Betonbauten säumen die Hauptstraße im Hauptort des Fürstentums Liechtenstein. Aber sachliche Distanz ist es wohl, was die meisten Anleger dort suchen. Liechtenstein lebt von der Diskretion - und zwar gut.

Liechtenstein lebt von der Diskretion - und zwar gut. (Foto: Foto: AFP)

Finanzgeschäfte steuern etwa ein Drittel zum Bruttoinlandsprodukt von 4,3 Milliarden Schweizer Franken (2,7 Milliarden Euro) bei. 14,3 Prozent der Beschäftigten arbeiten in diesem Sektor, die meisten bei den Banken. Diese beschäftigen 2800 der insgesamt 30000 Arbeitnehmer in Liechtenstein.

In den vergangenen 15 Jahren ist die Zahl der Banken in dem Fürstentum von drei auf 16 gestiegen. Sechs gehören mehrheitlich Liechtensteiner Investoren, fünf sind in Schweizer und weitere fünf in österreichischem Besitz. Die meisten haben sich auf das Geschäft mit reichen Privat- und Firmenkunden spezialisiert.

Alle Banken zusammen verwalteten 2006 ein Vermögen von 173,4 Milliarden Franken, was gegenüber dem Vorjahr einem Wachstum von 26,6 Prozent entsprach. Die beiden größten Häuser sind die LGT Bank Liechtenstein mit einem verwalteten Vermögen von 62,4 Milliarden Franken und die Liechtensteinische Landesbank mit einem verwalteten Vermögen von 51,8 Milliarden Franken.

Die LGT, aus der die DVD mit den brisanten Steuerdaten stammen soll, gehört zu hundert Prozent der Fürst von Liechtenstein Stiftung. Die Bank erwirtschaftete im Jahr 2006 einen Gewinn von 175 Millionen Franken. Die LGT verwaltet unter anderem die fürstlichen Barmittel von 2,1 Milliarden Franken.

Die LGT wirbt mit ihrer hauseigenen Ausbildungsstätte LGT Academy, die die "ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung" zum Ziel habe. Die Landesbank Liechtenstein erzielte 2006 einen Gewinn von 236,4 Millionen Franken. Sie rühmt sich, dass sie 100.000 Kunden bei einer Wohnbevölkerung in Liechtenstein von 35000 habe und diese "ausländische Kundenbasis noch ausbauen" wolle.

In den neunziger Jahren setzte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Liechtenstein auf eine schwarze Liste, weil das kleine Alpenland kriminellen Geldwäschern Zuflucht gewährte. Das Fürstentum verschärfte deshalb die Finanzmarktaufsicht.

Die OECD lobte das Land für sein Gesetz gegen Geldwäscherei. Allerdings kritisiert die Organisation weiterhin, dass bei Steuerflucht nur mit unzureichender Hilfe zu rechnen sei. Besonders ärgerlich seien die Stiftungsmodelle in Liechtenstein.

Auf der nächsten Seite: Liechtenstein, 75.000 Stiftungen, ein "beachtlicher Teil davon" von Deutschen - die Bundesregierung schließt Sanktionen nicht aus.

Nach Schätzung der Bundesregierung gibt es etwa 75.000 Stiftungen in dem Fürstentum. Ein "beachtlicher Teil" davon sei von Deutschen gegründet worden, heißt es in einem internen Papier.

Diskrete Kapitale: Liechtensteins Hauptort Vaduz (Foto: Foto: ddp)

Dabei ist aus Sicht der deutschen Behörden völlig klar, dass die Stiftungen "ganz überwiegend zu Steuerhinterziehungszwecken eingesetzt werden". Das Entdeckungsrisiko sei minimal, weil der liechtensteinische Staat sich weigere, mit dem Ausland zu kooperieren.

Im Fürstentum ist es besonders einfach, Familienstiftungen zu gründen. Die Identität des Stiftungsgründers weiß oft nur der Treuhänder oder der Anwalt. Der Zweck der Stiftung ist fast beliebig wählbar und muss nicht von einer Behörde genehmigt werden. Auf ausländische Stiftungsvermögen werden nur geringe Steuern erhoben.

Sollte sich Liechtenstein dauerhaft weigern, die OECD-Bemühungen zur Eindämmung des "schädlichen Steuerwettbewerbs" zu unterstützen, werden innerhalb der Bundesregierung Sanktionen nicht ausgeschlossen.

In dem internen Papier der Bundesregierung heißt es, denkbar sei eine Erschwerung des Geschäftsverkehrs mit Steueroasen, indem etwa Betriebsausgaben nicht mehr steuerlich anerkannt oder Transaktionsgebühren auferlegt würden. Die Finanzminister der EU-Staaten wollen das Thema Steuerflucht demnächst besprechen.

Das liechtensteinische Staatsoberhaupt, Erbprinz Alois, kritisierte die Bundesregierung in ungewöhnlich scharfem Ton. Es handele sich hier um einen "vollkommen überrissenen" Angriff, ja um eine Kampagne eines Großstaates gegen einen Kleinstaat, sagte er auf einer Pressekonferenz in Vaduz. Erbprinz Alois sprach mit Blick auf die DVD, die den deutschen Behörden zugespielt wurde, von "Hehlerei im großen Stil".

© SZ vom 20.02.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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