Filmfonds droht Mammutprozess:Festgeld für Hollywood

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In München dürfte bald der größte deutsche Steuerprozess des Jahres beginnen. Es geht um Geldanlagen in Filmfonds - und die Frage, ob Ermittler Englisch können.

Klaus Ott

Von ihren Kollegen wird Huberta Knöringer gerne mal auf den Arm genommen. "Na, gestern wieder im Fernsehen gewesen statt hier gearbeitet", bekommt die Vorsitzende Richterin der vierten Strafkammer am Landgericht München I dann zu hören.

Eine Frau für spektakuläre Fälle: Richterin Huberta Knöringer (Foto: Foto: dpa)

Das ist nicht böse gemeint. Schließlich weiß jeder im Justizzentrum an der Nymphenburger Straße, einem hässlichen Betonklotz unweit der CSU-Parteizentrale, dass die Expertin für Kartell- und Steuerrecht, Anlagebetrug und Korruption regelmäßig Überstunden macht. Machen muss.

Bei Knöringer landen seit Jahren immer wieder große, spektakuläre Verfahren, die sich meist über viele Monate hinziehen und in denen die für Wirtschaftsdelikte zuständige vierte Strafkammer mitunter juristisches Neuland betritt.

Die Brüder Thomas und Florian Haffa mussten sich nach dem Niedergang ihres Medienkonzerns EM.TV vorhalten lassen, das Aktiengesetz verletzt zu haben. Insgesamt fast 1,5 Millionen Euro Geldstrafe waren die Folge.

Nächster Mammutprozess steht bevor

Den früheren Geschäftsführer des Fußballklubs 1860 München, Karl-Heinz Wildmoser junior, schickte die Richterin wegen eines Bestechungsskandals beim Bau der neuen Münchner Arena ins Gefängnis. Dem Knast entkam der einstige Tennis-Star Boris Becker gerade noch; er erhielt wegen Steuerhinterziehung zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung.

In Bälde steht, sofern alles nach Plan läuft, der nächste Mammutprozess bevor. Seit Dezember sitzen Knöringer und ihre Kollegen über einer 498 Seiten dicken Anklageschrift, in der es um zahlreiche eher unbekannte Kinowerke aus Hollywood (Händler des Todes), einige wenige Produktionen aus Deutschland (Der Ring der Nibelungen) und ein lange Zeit praktiziertes Steuersparmodell im Filmgeschäft geht.

Bei zwei Medienfonds, VIP 3 und 4, sollen fast 10.000 Kapitalanleger dem Fiskus insgesamt 275 Millionen Euro vorenthalten haben. Voraussichtlich nächste Woche wird die Anklage wohl zugelassen und das Verfahren eröffnet. Alles andere wäre eine Überraschung.

Schließlich hat die vierte Strafkammer zwischenzeitlich bereits entschieden, dass der Hauptbeschuldigte, der Kaufmann Andreas Schmid, in Untersuchungshaft bleibt. Schmid, der VIP aufgebaut und geleitet hat, und ein weiterer früherer Fonds-Geschäftsführer sollen sowohl den Fiskus wie auch die Anleger getäuscht haben. Die Staatsanwaltschaft hat 29 Zeugen benannt. Die beiden Beschuldigten und ihre Anwälte bestreiten die Vorwürfe vehement.

Erst Haffa, jetzt Schmid

Huberta Knöringer wird der bevorstehende Prozess, der in zwei Monaten beginnen dürfte, wieder jede Menge Arbeit bringen. Und das Fernsehen wird bestimmt auch wieder berichten - wie bei den Haffas, Wildmoser junior und Becker.

Deutschlands derzeit größtes Steuerverfahren liegt an. Von der erfahrenen Richterin, die als mild im Ton, aber hart in der Sache gilt, wird nicht weniger als ein Grundsatzurteil erwartet. Ermittlungsverfahren gegen sechs verschiedene Filmfonds wegen Untreue, Betrug oder Steuerhinterziehung sind in München und anderswo anhängig.

Als Erster kommt wahrscheinlich VIP-Gründer Schmid vor Gericht. Mehr als 30.000 vermögende Leute aus ganz Deutschland, die mehr als zwei Milliarden Euro in die sechs Filmfonds von Apollo bis VIP investiert haben, bangen um ihr Geld und ihre Steuervorteile und blicken gespannt nach München.

Dabei geht es vor allem um eine knifflige Frage: Sind bei VIP 3 und 4 von Schmid und dessen Partnern insgesamt 441,4 Millionen Euro heimlich wie eine Art Festgeld bei drei Großbanken angelegt worden, statt als Risikokapital in Filmproduktionen zu fließen, wie das die Staatsanwaltschaft behauptet?

Oder blicken die Ermittler schlichtweg nicht durch, weil sie angeblich kaum Englisch können und deshalb die Verträge nicht kapieren, wie dies der VIP-Fonds bei einem Pressegespräch ("Fakten versus Vorwürfe") suggerierte?

Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher: Das Festgeld muss den Zweck gehabt haben, die Rückzahlung des Geldes zu gewährleisten, wie das in einem Prospekt unter der Rubrik "Garantiefonds" versprochen worden war. Dann hätten die vermeintlichen Filminvestitionen nicht als Risikokapital von der Steuer abgesetzt werden dürfen, was aber mindestens 9682 Anleger so praktiziert haben.

Foto mit Charlize Theron

Im Gericht sind jedenfalls heftige Wortgefechte zu erwarten, und auch der Aufstieg des Andreas Schmid aus kleinen Verhältnissen bis nach Hollywood wird zur Sprache kommen. Der gebürtige Fürstenfeldbrucker hat nach der Realschule Sozialversicherungs-Fachmann gelernt und sich dann als Vermögensberater selbständig gemacht.

Schmid handelte mit Immobilien, ehe er vor knapp zehn Jahren begann, Filmfonds zu vertreiben. Kapitalanlagen in Kinowerke konnten Investoren, das war bis Herbst 2005 eine Besonderheit des Steuerrechts, auf einen Schlag beim Fiskus geltend machen.

Die Branche boomte, allein VIP sammelte fast 750 Millionen Euro ein. Der VIP-Chef ließ sich mit Oscar-Preisträgerin Charlize Theron ablichten, und er durfte mit Kanzler Gerhard Schröder über den deutschen Film diskutieren. Geholfen hat ihm das nichts, als September 2005 die Ermittler kamen und Schmid im Münchner Gefängnis Stadelheim landete.

"Perversion" eines absurden Steuermodells

Steuerfahnder und Staatsanwälte hatten sich, nach einer Strafanzeige, das VIP-Konstrukt etwas genauer angeschaut und waren auf einen ihnen merkwürdig erscheinenden Umstand gestoßen. Bei VIP 3 und 4 soll ein Großteil des Kapitals nur "eine juristische Sekunde" lang, so steht es in den Akten, bei Filmfirmen gelandet und von dort gleich an die Banken weitergereicht worden sein.

Für die Ermittler ist das eine Art Scheingeschäft, für Schmids Anwälte ein völlig legales Vorgehen. Die Filmproduzenten, so die Anwälte unter anderem, hätten rechtlich über das Geld verfügen können. Ein Fahnder entgegnet, das sei die "Perversion" eines ohnehin absurden Steuersparmodells gewesen.

Die Filmfonds hatten das Geld ihrer gut betuchten Klientel vor allem in Übersee ausgegeben, während einheimische Produktionen darbten. Der deutsche Fiskus subventionierte Hollywood.

Und mancher Anleger schaffte es auf diese Weise, seine Steuerschuld so weit zu drücken, dass er auch noch in den Genuss der Eigenheimzulage kam. Der Staat ließ sich also doppelt ausnehmen. Erst Ende 2005 bereitete die Bundesregierung diesem finanz- und medienpolitischen Irrsinn ein Ende.

Das Thema bietet Stoff genug für ein viele Monate dauerndes Verfahren. Dafür bürgt auch die Besetzung der Hauptrollen. Schmid hat drei Spitzenanwälte engagiert: Jörg Weigell, einen der führenden Steuerjuristen im Lande, Klaus Volk, der im Mannesmann-Prozess den Vorstandschef der Deutschen Bank verteidigte, und Sven Thomas, der dort den ehemaligen Mannesmann-Chef vertrat. Knöringer und Thomas kennen sich aus einem anderen Verfahren. Als die Haffas in München vor Gericht gestanden hatten, war auch Thomas als Anwalt dabei.

© SZ vom 03. Februar 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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