Film über US-Staatsverschuldung:Haushaltsdefizit mal anders

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Die hohe Staatsverschuldung kommt in die US-Kinos - in Form eines Films, ganz nach dem Vorbild von Michael Moore.

Jörg Häntzschel

Es steht nicht gut um die USA. Wer in den letzten Monaten Zeitung gelesen hat, weiß es. Doch der wirtschaftliche Niedergang ist so reich an Dramatik und Schauplätzen - Hypothekenkrise, wackelnde Banken, sinkender Dollar, Abwanderung der Industrie, Inflation -, dass die dem Land bevorstehende viel größere Katastrophe, obwohl am Horizont klar zu erkennen, leicht in Vergessenheit gerät: Amerikas nationale Schuldenkrise.

Filmplakat von I.O.U.S.A: Die US-Staatsverschuldung kommt ins Kino. (Foto: Foto: Petersen Foundation)

Irgendwann um die Jahreswende werden es zehn Billionen sein, mit denen Amerika in der Kreide steht. Weil alles andere nicht fruchtete, um das Land wachzurütteln, hat der Regisseur Patrick Creadon nun zum Mittel des engagierten Dokumentarfilms gegriffen, um das trockene Thema unters Volk zu bringen. Al Gore hat es vorgemacht mit seinem spektakulär erfolgreichen "Eine unbequeme Wahrheit". Und auch bei Michael Moores "Bowling for Colombine" hat Creadon sich inspirieren lassen.

"Fiskalischer Krebs", "Untergang", "Schwarzes Loch der Schuld", "nur Terroristen mit Atombomben sind schlimmer": An düsteren Metaphern für das, was Amerika blüht, wenn es nicht aufhört, über seine Verhältnisse zu leben, ist hier kein Mangel. Doch zunächst erklärt Creadon, was bisher geschah, und das auf erstaunlich unterhaltsame Weise. Nur so wird verständlich, warum die heutige Krise so viel besorgniserregender ist als andere Zeiten hohen Defizits.

Das Schuldenmachen hat eine lange Tradition in Amerika. Während des amerikanischen Bürgerkriegs und während der beiden Weltkriege gab Amerika viel mehr aus, als es einnahm. Doch waren es damals die eigenen Bürger, die der Regierung Geld liehen, sind es heute Banken in China oder im Nahen Osten.

Harmlose Staatsschulden

Amerika verpfändet sich selbst nach und nach, und je mehr es das tut, desto mehr schwindet seine Macht. Würde China eines Tages seine Dollars auf den Markt werfen, ginge die Währung jäh zu Boden. "Finanzielle Kriegsführung" nennt der Film dieses Szenario düster.

Dass Amerika viel mehr importiert, als es exportiert, verschärft die Situation noch. "Das Einzige, was wir noch ausführen, ist Altmetall", sagt ein Schrottplatzbesitzer, während ein Kran im Hintergrund Autowrack für Autowrack auf das Schiff nach China wirft. Und der Mann hat beinahe recht! Als wäre das nicht genug, werden nun die in den Nachkriegsjahren geborenen Babyboomer ihre Pensionsansprüche einlösen, eskalierende Gesundheitsausgaben verursachen und als Steuerzahler ausfallen. Viele, und nicht nur die Passanten, die im Film interviewt werden, glauben, Staatsschulden hätten eine irgendwie harmlosere, abstraktere Qualität als private Schulden.

Um dieser Vorstellung entgegenzutreten, vergleichen die Filmemacher die Lage Amerikas immer wieder mit Eltern, die sämtliche Kreditkarten ausgereizt, das Haus beliehen und die Nachbarn angepumpt haben, nur um sich ein schönes Leben zu machen, und die diese Schulden dann ihren Kindern überlassen. Leider handelt es sich nicht nur um eine Metapher. Die privaten Haushalte stehen der staatlichen Disziplinlosigkeit beim Geldausgeben in nichts nach. Nie wurde in Amerika so wenig gespart wie heute.

Strikte Unparteilichkeit

Doch so schockierend die tiefroten Zahlen sind, die auf die Leinwand knallen, so matt fühlt sich der Film an. Er ist in Zusammenarbeit mit der Concord Coalition und anderen Organisationen entstanden, die sich des Schuldenthemas angenommen haben. Die Vortragsreisen von Concord-Direktor Robert Bixby bilden auch den rudimentären Handlungsrahmen. Dieses Arrangement lässt den Film über weite Strecken erscheinen wie eine Art erweiterte Informationsbroschüre dieser Organisation.

Das andere Problem ist die strikte Unparteilichkeit, der sich der Film verschrieben hat. Ganz gelingt es den eher steifen Mitwirkenden nicht, ihre Verachtung für die Geld- und Wirtschaftspolitik der Reagan- und vor allem der Bush-Regierung zu verbergen, die dank radikaler Steuersenkungen und ruinöser Kriege Clintons Haushaltsüberschüsse umgehend in dramatische Defizite verwandelte. Doch meistens umtanzt der Film das Thema wie ein Boxer, der sich nicht traut, zuzuschlagen.

Schade auch, dass der Film nicht nach den kulturellen, historischen und psychologischen Gründen für Amerikas fast zwanghafte Prasserei fragt. Die ersten Reaktionen der amerikanischen Presse lassen sich denn auch am besten als ein höflich hinter der Hand verborgenes Gähnen zusammenfassen. Der Versuch, das Thema aus der "schmutzigen" Sphäre der Politik zu lösen, sorgt hier trotz vieler mahnend erhobener Zeigefinger für genau jene lähmende Unverbindlichkeit, die die Filmemacher beklagen.

© SZ vom 23.08.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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