Festival:Wohnen der Zukunft

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Der Park Gleisdreieck in Berlin zeigt, wie sich vormals geschlossene Areale zu urbanen Freiräumen für alle Bürger wandeln können. (Foto: Julien Lanoo)

Welche Ideen gibt es für urbane Flächen? Was können die Bürger leisten? Diese Fragen stellen sich derzeit viele Metropolen. Das Festival "Make City" in Berlin sucht im Juni nach Antworten.

Von Lars Klaaßen

Nach anderthalb Jahren Vorarbeit geht Francesca Ferguson gerade in den Endspurt für "Make City". Das internationale Festival für "Architektur und Andersmachen" wird vom 11. bis zum 28. Juni in Berlin stattfinden. Dafür hat die Architekturkritikerin und Kuratorin mehr als hundert Gründungsmitglieder zusammengebracht.

Wozu das Festival, und warum Berlin? Ferguson weist durch das Fenster einer ehemaligen Fabriketage, in der sich nun ein Kommunikationsbüro befindet: "Hier sieht man Stadt als vielfältigen, wandlungsfähigen und öffentlichen Raum." Die Büro-Lofts im alten Gründerzeitbau stehen im Schatten eines alten Fabrikschlots. Vor dem Klinkerbau befindet sich der ehemalige Mauerstreifen. Darauf die Bauwagensiedlung Lohmühle, ein alternatives Wohn- und Kulturprojekt, das in den frühen Neunzigerjahren entstand. Daneben verläuft der Damm einer ehemaligen Bahntrasse. Heute kann man darauf durch die Stadt spazieren. Wer welchen Teil der Stadt für welche Zwecke nutzen könne, sagt Ferguson, werde bei Make City hinterfragt.

"In kaum einer anderen Stadt der Welt findet derzeit ein derart aktiver Dialog über Architektur, Stadtplanung, städtische Freiräume und bürgerschaftliche Teilhabe statt wie in Berlin. Hier entstehen Prototypen für das Bauen der Zukunft, die Grenzen sprengen und Impulse für andere Städte geben", so die Initiatorin des Festivals. Das hat zwei Gründe: Einerseits haben Investoren die Stadt für sich entdeckt, Wohnraum wird immer teurer. Es gibt gute Gründe, in Berlin über einfallslose Architektur und Verlust von Freiräumen zu klagen. "Andererseits gibt es hier viele kleine Projekte, die sehr spannend sind, aber kaum bemerkt werden", sagt Ferguson. "Hier bieten sich noch immer Potenzial und Chancen." Ferguson ist überzeugt, dass Berlin noch eine Chance hat, "Stadt anders zu machen". Dies sei auch verbindender und verbindlicher Anspruch aller Festivalbeiträge.

Die Teilnehmer können nicht nur diskutieren, sondern sich auch Projekte anschauen

Insgesamt sind mehr als 125 Veranstaltungen geplant: Studio Talks, Führungen, Ausstellungen und Interventionen. "Wir zeigen und diskutieren gelungene Möglichkeiten des Mitmachens, ganz neue ökologische und ökonomische Ansätze, und Architektur, die die Grenzen zwischen offenem und geschlossenem Raum abschafft oder neu definiert." Die Veranstaltungen des Festivals befassen sich mit drei Schwerpunkten: Zum einen steht "urbanes Gemeingut" im Fokus, wie etwa Stadtlandschaften und Freiräume. Ein weiteres Thema sind neue Formen des Wohnens und Arbeitens. Hinzu kommt als Drittes die Auseinandersetzung mit der Frage, welchen Beitrag die Bürgerbeteiligung leisten kann und muss. "Das Festival schaut in Hinterhöfe, geht auf die Dächer der Stadt und fragt, ob Hochhäuser von Morgen aus Holz sind", sagt Ferguson. "Es blickt auf neue Formen von Wohngemeinschaften, Architektur und Landschaftsarchitektur, das Ganze kombiniert mit zivilgesellschaftlichen Ansätzen des Stadt-Machens." Auf einem der Foren wird zum Beispiel gefragt: "Wie öffentlich und demokratisch sind eigentlich Urban Commons?" Der Begriff boomt, aber mit recht unterschiedlichen Bedeutungen. Manche verstehen darunter eine gemeinschaftliche Aneignung von Flächen. In den vergangenen Jahren haben in dieser Hinsicht vor allem Urban-Gardening-Projekte Aufmerksamkeit erregt. Für andere fallen auch öffentliche Infrastrukturen und Dienstleistungen wie Plätze, Straßen, Energie, Wasser und Bildung unter "Commons". "Entscheidend ist, stärker ins Bewusstsein zu rufen, dass es sich schließlich um öffentliche Räume und Güter handelt, bei deren Gestaltung die Bürger ein Wörtchen mitreden sollten", sagt Sabine Drewes, Referentin für Kommunalpolitik und Stadtentwicklung der Heinrich-Böll-Stiftung, die auch zu den Akteuren des Festivals gehört.

"Wenn engagierte Akteure aus Architektur, Design und Kunstszene im Rahmen des Festivals Impulse an Politik, Wirtschaft und uns, die 'normalen Bürger' geben, hat Make City das Potenzial, einen entscheidenden Schritt in Richtung einer nutzergenerierten Stadtentwicklung aufzuzeigen", sagt Jörg Stollmann. Der Professor für Städtebau und Urbanisierung an der TU Berlin organisiert für Make City das Symposium "Beware of Smart People!" - es richtet den Blick auf Möglichkeiten und Gefahren aktueller "Smart City"-Anwendungen. Stollmann ist überzeugt: "Neue technische Möglichkeiten werden künftig die Rahmenbedingungen für die Teilhabe am Gemeinwesen verändern: technisch, politisch, ökonomisch und psychologisch." In welcher Form dies geschehe, dafür würden heute die Weichen gestellt.

Neben der Beteiligung an Diskussionen können die Besucher auch unmittelbare Eindrücke von Projekten und Orten gewinnen. Die Architektenkammer Berlin beteiligt sich von Anfang an am Festival mit dem "Tag der Architektur" im XL-Format, der zum Abschluss als Publikumstag gefeiert wird und dieses Jahr doppelt so viele teilnehmende Büros aufbieten kann. "Viele spannende Gebäude und Freiräume werden an diesem Wochenende zu besichtigen sein", betont Christine Edmaier, Präsidentin der Architektenkammer Berlin. "Die Besucher können Berliner Projekte und Büros direkt aus erster Hand kennenlernen." Diese Möglichkeit bietet sich auch in vielen anderen Städten, zum 20. Mal wird dieser bundesweite Tag ausgerichtet. Auf dem Programm stehen kostenfreie Führungen - auch durch Wohnhäuser, die sonst nicht öffentlich zugänglich sind.

Make City, Berlin, 11.-28. Juni, Programm unter makecity.berlin

© SZ vom 22.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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