EZB-Zinsentscheidung:Der Unterschied zwischen "niedrig" und "moderat"

Lesezeit: 3 min

Eine Erhöhung der Leitzinsen auf 3,50 Prozent erscheint als nahezu sicher. Doch die Wörter, die EZB-Chef Trichet in seiner anschließenden Erklärung verwendet, könnten millionenschwere Auswirkungen haben.

Helga Einecke

Die Sitzung des EZB-Rats verspricht spannend zu werden. Dabei geht es weniger um die Entscheidung, die Leitzinsen für die Eurozone zum sechsten Mal zu erhöhen.

Verheißt diese Geste nun steigende Zinsen? Oder meint der EZB-Vorsitzende: Vorsicht,der Zenit ist erreicht? (Foto: Foto: dpa)

Schon seit längerer Zeit haben EZB-Präsident Jean-Claude Trichet und seine Mannschaft die Finanzmärkte darauf vorbereitet, dass es Anfang Dezember noch einen Schritt nach oben gehen und der Leitzins dann aller Wahrscheinlichkeit nach ein Niveau von 3,5 Prozent erreichen wird. Damit verteuert sich die kurzfristige Geldvergabe an die Kreditinstitute um 0,25 Prozentpunkte.

Die spannende Frage ist vielmehr: Ist damit der Zinsgipfel erreicht, oder plant die EZB im Jahr 2007 einen oder mehrere weitere Zinsschritte? Bis vor wenigen Tagen sah es noch so aus, als sei für Februar oder März der nächste Zinsschritt vorprogrammiert. Die Konjunktur im Euroraum hat sich überraschend gut erholt. Im größten Land des Währungsgebietes, Deutschland, ist der Aufschwung spürbar durch mehr Konsum, mehr Jobs und steigende Staatseinnahmen.

Inflationsprognose bei 2,2 Prozent?

Niederschlagen dürfte sich die bessere Perspektive auch in den Projektionen der EZB, die an diesem Donnerstag veröffentlicht werden. Analysten der Deutschen Bank gehen davon aus, dass die Volkswirte der Notenbank darin eine Wachstums- und eine Inflationsrate von jeweils 2,2 Prozent für die Eurozone im nächsten Jahr einplanen.

Vor drei Monaten waren sie beim Wachstum weniger optimistisch (2,1 Prozent) und bei der Inflation deutlich pessimistischer (2,4 Prozent). Der inzwischen gesunkene Ölpreis dürfte einer der Gründe für die geänderte Sichtweise sein.

Die EZB hat das Ziel, den Anstieg der Verbraucherpreise im Euroraum knapp unter zwei Prozent zu drücken. Das ist ihr in der Vergangenheit nicht ganz gelungen. Die Befürworter eines harten Kurses im Kreis der Geldpolitiker - die sogenannten Falken - verweisen auf die ungebrochen starke Nachfrage nach Krediten, die sich in einer steigenden Geldmenge niederschlägt.

Reichlich vorhandenes Geld

Dies berge weitere Inflationsgefahren, weil das reichlich vorhandene Geld zu mehr Nachfrage und Akzeptanz höherer Preise führen könne. Die Forderung nach höheren Löhnen in Deutschland dürfte ihnen weitere Munition dafür liefern, dass sich die Preise auch über steigende Kosten aufschaukeln könnten.

Die Verfechter einer weichen geldpolitischen Linie - die sogenannten Tauben - warnen dagegen vor dem Abwürgen des Aufschwungs. Sie führen ins Feld, dass die Nachfrage aus den USA als dem bisherigen Motor der Weltkonjunktur sich abkühlt und dies Folgen für den Euroraum hat.

Außerdem dämpften der gesunkene Ölpreis und der stark gestiegenen Eurokurs die Preise in der Währungszone gleich doppelt. Der Eurokurs war der Auslöser dafür, dass sich die Finanzmärkte nicht mehr so sicher über die nächsten Schritte der Notenbank waren.

Als Grundlage für die Sichtweise der EZB dürfte die Stellungnahme von Trichet dienen, die er im Anschluss an die Ratssitzung abgeben wird. Darin gibt er den Finanzmärkten mit Schlüsselwörtern Hinweise auf den künftigen geldpolitischen Kurs. Im November galt zum Beispiel der Begriff "große Wachsamkeit" als ein Signal für die anstehende Zinserhöhung.

Warten auf die Schlüsselworte

Volkswirte und Analysten werden genau verfolgen, ob Trichet die Leitzinsen als "niedrig" oder "moderat" einstufen wird. Auch der Satz "eine weitere Rücknahme der akkommodierenden geldpolitischen Ausrichtung bleibt geboten", der zuletzt nie fehlte, steht auf der Beobachtungsliste weit oben.

Die EZB dürfte die Leitzinsen binnen einem Jahr in sechs Schritten von 2,00 Prozent auf voraussichtlich 3,50 Prozent erhöhen. Trichet hat während der zwölf Monate dabei jede einzelne Aktion mit seinen Schlüsselwörtern vorbereitet. An diesem Donnerstag könnte es aber auch passieren, dass er die üblichen Signalwörter und damit eine Festlegung auf einen künftigen Kurs vermeidet.

Einige Ökonomen glauben ohnehin, die 18 Mitglieder des EZB-Rats könnten sich an diesem Donnerstag nicht auf einen gemeinsamen Kurs einigen. Zu groß sei die Unsicherheit über die künftige Entwicklung der Konjunktur und der Zinspolitik in den Vereinigten Staaten, die Auswirkungen der Steuererhöhungen in Europa sowie die weitere Entwicklung der Wechselkurse.

Zugute gehalten wird der Europäischen Notenbank, dass sie vor einem Jahr den Aufschwung im Euroraum wesentlich klarer vorhergesehen und mit ihrem Bremskurs auch entschlossen und ungeachtet der Proteste von Politikern darauf reagiert hat.

© SZ vom 07.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: