EZB und Konjunktur:Europa kommt zu spät

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Zu lange gezögert: Das Konjunkturpaket kommt später als möglich, und auch die Kreditverbilligungen aus dem Frankfurter EZB-Turm sind unnötig verzögert.

Alexander Hagelüken

Es gibt selbst in diesen schweren Zeiten noch gute Nachrichten. Dazu zählt auf jeden Fall, dass Europas Notenbanker die Zinsen am Donnerstag auf den niedrigsten Stand seit fünf Jahren schleusten. Mancher wird bei solchen Zahlen unruhig werden, Inflation fürchten und die Zentralbanker kritisieren. Das Gegenteil ist richtig: Die Zinssenkung zeigt genauso wie das neue Konjunkturpaket der Bundesregierung, dass Europas führende Akteure die Wirtschaftskrise endlich ernst genug nehmen - und dabei von Amerika lernen.

Von Amerika lernen? Ein solcher Satz klingt momentan seltsam. Schließlich haben die Vereinigten Staaten das globale Desaster erst ausgelöst, durch unverantwortliche Finanzhäuser und eine Geldschwemme der Notenbank. Das ist alles ziemlich unstrittig. Genauso stimmt es aber, dass Amerikas politische Eliten schnell reagieren, um die Folgen der Krise zu mildern. Kaum gewählt, hat der neue Präsident Barack Obama seinen Landsleuten signalisiert, die Rezession durch ein riesiges Konjunkturprogramm zu bekämpfen. Die Klarheit der Botschaft war dabei wichtiger als eine endgültige Zahl. Ebenso rasch und beherzt handelte die Notenbank Fed, die den Geschäftsbanken das Geld praktisch kostenlos leiht, damit die Unternehmen genug Kredite bekommen. So weit, so eindeutig - und angemessen, da der schwerste Wirtschaftseinbruch seit Weltkrieg Zwei droht.

In Europa dagegen regierte lange die Zaghaftigkeit. Bundeskanzlerin Merkel gab sich als Bremserin des Kontinents, als schon die halbe Welt Konjunkturprogramme von ihr forderte. Ähnlich defensiv agierte die Europäische Zentralbank. Bis in den Herbst hielt sie die Zinsen höher, als es für die Konjunktur gut war. Sie überschätzte die Inflationsgefahren, weil sie übersah, dass in einer Rezession Energie und Nahrungsmittel wieder billiger werden. Nachdem EZB-Chef Jean-Claude Trichet und seine Kollegen Kredite doch noch verbilligt hatten, verunsicherten sie mit Andeutungen einer Zinssenkungs-Pause, während die Wirtschaft weiter abstürzte.

Die Folgen dieses Zauderns werden die Deutschen nun spüren. Das Konjunkturpaket kommt später als möglich und ist durch das monatelange Gefeilsche in unattraktive Häppchen zerstückelt, die wenig Appetit machen. Auch die Kreditverbilligungen aus dem Frankfurter EZB-Turm sind unnötig verzögert - was umso schwerer wiegt, als die Darlehensvergabe an Firmen ohnehin gestört ist, weil die Banken ums Überleben ringen.

Positiv ist, dass die Notenbanker wenigstens jetzt halbwegs entschlossen handeln. Eine Zinssenkung um einen halben Prozentpunkt auf 2,0 Prozent sendet eine klarere Botschaft als ein kleinerer Schritt, den viele Beobachter durchaus erwartet hatten. Die Notenbanker können sich die Zinssenkung durchaus leisten. Die Inflation rutschte zuletzt auf nur noch 1,6 Prozent, weit unter die EZB-Zielmarke von zwei Prozent. Die Gefahr heißt nun nicht Preissteigerung, sondern Deflation. Wenn Firmen ihre Preise senken müssen und die Löhne stagnieren, wird dies die Krise verschärfen und verlängern. EZB-Chef Trichet sollte stärker als am Donnerstag signalisieren, dass er zu weiteren Zinssenkungen bereit ist.

Natürlich birgt die Krisenbekämpfung Risiken. Die Konjunkturpakete erhöhen die Schulden. Und die Mager-Zinsen werden, wenn sie zu lange bestehen, die nächste Finanz-Blase erzeugen. Die Maßnahmen sind dennoch nötig. Die Probleme, die aus ihnen entstehen, können Politiker und Notenbanker in einigen Monaten angehen. Jetzt müssen sie die gegenwärtige Krise bekämpfen, um das Schlimmste zu verhindern.

© SZ vom 16.01.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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