Euronext-Kunden bevorzugen Deutsche Börse:Neue Wendung im Fusionspoker

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Die Kunden der Mehrländerbörse Euronext haben der Fusion mit der New York Stock Exchange (Nyse) ein klare Absage erteilt. Sie schlagen vor, dass die Deutsche Börse bei Euronext einsteigt.

Michael Kläsgen

Die Deutsche Börse würde durch dieses Tauschgeschäft größter Einzelaktionär der aus den Handelsplätzen Paris, Amsterdam, Brüssel und Lissabon bestehenden Mehrländerbörse.

Die Deutsche Börse wird möglicherweise bei Euronext einsteigen. (Foto: Foto: dpa)

Sie könnte einen Aktionärspakt mit dem bereits bestehenden Aktionärsbündnis hauptsächlich französischer Banken bei Euronext schließen und so ein Gegengewicht zu den Hedge-Fonds unter den Aktionären bilden, sagte der mit der Ausarbeitung des Berichts beauftragte Aufsichtsratsvorsitzende des französischen Elektronikkonzerns Schneider Electric, Henri Lachmann.

Unabhängige Weiterentwicklung möglich

Frankfurt behalte so die Kontrolle über das Derivate-Geschäft und die Wertpapier-Abwicklung, die beide mehr als 80 Prozent ihres Gewinns repräsentierten. Vor allem könnten sich die europäischen Börsenbetreiber auf diese Weise unabhängig weiterentwickeln, sagte Lachmann im Namen der Kunden aller Euronext-Länder, darunter internationale Investmentbanken und Fonds.

Die Unabhängigkeit sieht Lachmann bei einer Fusion mit Nyse gefährdet. "Das ist keine Fusion unter Gleichen, wie behauptet, sondern um eine Akquisition der Euronext durch Nyse. Der Sitz der fusionierten Börse liegt in den USA, der Vorsitzende und der Finanzchef sind in den USA und die Mehrheit der Verwaltungsratsmitglieder werden von Nyse gestellt", setzte Lachmann Eurnext-Chef Jean-Francois Théodore unter Druck und ergänzte: "Konsolidierung ja, Verkauf nein."

Verhandlungen mit der Deutschen Börse waren schon beendet

Der fließend deutsch sprechende Aufsichtsratsvorsitzende von Schneider Electric war vor drei Monaten von dem Pariser Finanzplatz Europlace beauftragt worden, einen Bericht über die Auswirkungen einer Fusion von Euronext mit Nyse beziehungsweise der Deutschen Börse zu erstellen. Vorher hatte Théodore ein Fusionsabkommen mit Nyse geschlossen und die Verhandlungen mit der Deutschen Börse abgebrochen.

Lachmann wertete allerdings eine Fusion mit der Deutschen Börse ebenfalls als "eine im Moment schlechte Lösung", vorausgesetzt, man wolle die Unabhängigkeit von Euronext garantieren. Er nannte allerdings die von der Borsa Italiana anvisierte Dreier-Fusion zwischen Euronext, Frankfurt und Mailand "einen interessanten Vorschlag". Italien favorisiert eine Fusion zwischen Euronext und Deutscher Börse und will sich dem Verbund anschließen.

Laut Lachmann bedeute der Vorschlag eine "kulturelle Revolution" für die Deutsche Börse, die, weil sie die Abwicklung integriert hat, "ein ganz anderes Unternehmen als Euronext" sei. Überhaupt seien Börsenbetreiber "keine Unternehmen wie andere", sondern hätten einen öffentlichen Auftrag. Die einzelnen Börsenbetreiber interpretierten den Vorschlag der Euronext-Kunden unterschiedlich. Lachmann sagte, die Reaktion Théodores sei "gemischt" gewesen.

Offiziell nutzte er das Votum der Euronext-Kunden nicht, um sich von Nyse zu distanzieren. Ein Euronext-Sprecher begrüßte den Vorschlag. Darin würden die Erwartungen der Nutzer widergespiegelt, weil die Deutsche Börse aufgefordert würde, Handel und Abwicklungen aufzuspalten, was seit langem von Euronext und Kunden gefordert würde. Nach Lachmanns Worten reagierte die Deutsche Börse positiv.

Deutsche Börse gibt sich defensiv

Die Deutsche Börse gab sich defensiv und teilte mit, den Bericht prüfen zu wollen. So solle unter anderem ermittelt werden, ob durch das Tauschgeschäft automatisch das so genannte Silo-Modell aufgebrochen würde. Auch wenn das der Fall sei, heiße das nicht, dass der Vorschlag abgelehnt werde.

Hinter den Kulissen war Freude über den Bericht zu vernehmen, weil er einer europäischen Fusion den Vorzug gebe. Lachmann sagte, nach einer Fusion von Euronext, Deutscher Börse und Borsa Italiana könne man die Optionen für ein Zusammengehen mit Nyse ausloten.

Euronext und Nyse stehen zu ihrem Abkommen

Euronext und Nyse sehen das anders. Beide stehen zu ihrem Abkommen. "Wir halten die Tür geöffnet für europäische Börsen, weil wir in der neu entstehenden Nyse/Euronext-Familie weitere Mitglieder haben möchten", sagte Nyse-Chef John Thain. Das Tauschgeschäft könnte parallel zur transatlantischen Fusion vollzogen werden. Dass sich die Deutsche Börse an der Fusion beteiligen könne, hatten Euronext und Nyse vorgeschlagen, dies wurde in Frankfurt jedoch abgelehnt.

Auf einer noch nicht datierten außerordentlichen Hauptversammlung sollen die Euronext-Aktionäre im Dezember über die Nyse-Fusion abstimmen.

© SZ vom 5.10. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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