Erbschaftssteuer:Schwestern müssen zahlen, Lesben nicht

Lesezeit: 2 min

Streit um die Erbschaftsteuer: Warum zwei britische Rentnerinnen vor einem europäischen Gericht gescheitert sind.

Hannah Wilhelm

Die Schwestern Joyce und Sybil Burden wohnten ihr Leben lang unter einem Dach. Das ist eine ganz schön lange Zeit, denn Joyce ist mittlerweile 90 und Sybil 82 Jahre alt. Wie ein altes Ehepaar könnte man sagen - doch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht das ganz anders und hat eine Klage der beiden abgelehnt.

Ein Leben lang wohnten die Schwestern Joyce und Sybil Burden unter einem Dach. (Foto: Foto: Getty)

Die Schwestern wollten die gleichen Rechte wie Ehe- oder eingetragene gleichgeschlechtliche Paare. Ihr Argument: Sie hätten ja ebenso das ganze Leben zusammen verbracht. Konkret wollen sie Steuern sparen. Denn während sich beerbende Geschwister in Großbritannien kräftig Erbschaftsteuern abführen müssen, zahlen Ehe- und Lebenspartner im Erbfall keine Steuern. Deshalb hatten die Schwestern in Straßburg gegen das britische Erbrecht geklagt - und sind nun endgültig gescheitert.

Kampf über drei Jahrzehnte

Es geht den Burden-Schwestern vor allem um ihr Elternhaus, einen wunderschönen Landsitz in der Stadt Marlborough im Süden Englands. Seit 30 Jahren bewohnen sie das Haus mit den vier Schlafzimmern gemeinsam. Es ist etwa 1,18 Millionen Euro wert. Finanzielle Rücklagen haben die beiden Damen kaum gebildet. Wenn nun eine der beiden sterben würde, müsste die andere das Haus wohl verkaufen - um die anfallenden Erbschaftsteuern von 400.000 Euro zahlen zu können. Geld, das Ehepartner oder homosexuelle Lebenspartner nicht zahlen müssten. Die Schwestern fühlen sich deshalb diskriminiert.

Seit mehr als drei Jahrzehnten kämpfen sie schon gegen die Regelung. Bereits 1976 fingen sie an, Briefe an die britische Regierung zu schreiben, um sie zu einer Gesetzesänderung zu bewegen. Als vor vier Jahren die Regelung für homosexuelle Lebenspartner eingeführt wurde, zogen die Geschwister vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Doch die Richter entschieden in dieser Woche mit 15 zu zwei Stimmen gegen das Anliegen der Geschwister. Die Regelung verletze nicht die Menschenrechte der beiden Frauen. Die Begründung: Bei einer Ehe oder einer eingetragenen Lebenspartnerschaft gehe das Paar eine öffentliche Verpflichtung ein und habe vertragliche Rechte und Pflichten. Das unterscheide die Beziehung der Schwestern grundsätzlich von einer Ehe oder einer Lebenspartnerschaft. Außerdem räumten die Richter den 47 Mitgliedsstaaten des Europarats, dem das Gericht zugeordnet ist, große Freiheiten bei der Gestaltung ihres Steuerrechts ein.

Sie seien "bitter enttäuscht", sagten Joyce und Sybil Burden nach der Urteilsverkündung. Sie hätten immer ihre Steuern gezahlt, sich um Verwandte und andere Menschen gekümmert, ohne jemals staatliche Hilfe zu beanspruchen. Und nun seien sie in der traurigen Situation, sich gegenseitig in ihren letzten Jahren nicht absichern zu können.

Empörte Katholiken

Im Internet wird die Entscheidung heftig diskutiert. Vor allem Nutzer katholischer Websites reagieren verärgert: Es könne nicht sein, dass Geschwister weniger Rechte hätten als homosexuelle Partner. Eine Diskussion, die auch in Deutschland aktuell ist - durch die Erbschaftsteuerreform, die voraussichtlich 2009 in Kraft tritt. Nach bisherigem Recht sind Geschwister im Erbfall meist besser gestellt als eingetragene Lebenspartner. Werden derzeit eine Million Euro vererbt, zahlen sie 27 Prozent Steuern, der Freibetrag lautet 10.300 Euro. Lebenspartner müssten im gleichen Fall dagegen 35 Prozent abführen, der Freibetrag umfasst nur 5200 Euro.

Doch eingetragene Lebenspartner werden wohl zu den Gewinnern der Erbschaftsteuerreform gehören: Sie zahlen zwar künftig bei einer Erbschaft von einer Million Euro 30 Prozent - ebenso wie dann Geschwister. Ihr Vorteil wird aber der Freibetrag sein, der nach den Regierungsplänen bei eingetragenen Lebenspartnern auf 500.000 Euro steigt - und damit dem Freibetrag entspräche, den Ehepaare nutzen können. Der Freibetrag für Geschwister erhöht sich den Plänen zufolge nur auf 20.000 Euro. Eine Verlagerung des Wohnorts nach Deutschland ist den beiden Rentnerinnen also nicht zu raten. Eher nach Österreich - dort wurde die Erbschaftsteuer ganz abgeschafft.

© SZ vom 03.05.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: