Entscheidung der EZB:Koste es, was es wolle

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Mit ihrer Zinssenkung kämpft die Europäische Zentralbank gegen die drohende Deflation an. Warum dauerhaft sinkende Preise unbedingt verhindert werden müssen.

Catherine Hoffmann

Schlechte Nachrichten sehen eigentlich anders aus: Rechtzeitig zur Heizperiode ist im vergangenen Herbst der Ölpreis kräftig gefallen. Jetzt senken die Gasversorger ihre Preise. Milch, Kaffee, Mehl sind billiger als noch vor einem halben Jahr. Fernseher und Hörbücher kosteten im Februar ein Viertel weniger als im Januar. Vieles wird günstiger. Der Inflationsdruck lässt nach.

Die Preise fallen - aber deine dauerhafte Deflation muss unbedingt verhindert werden. (Foto: Foto: AP)

Während sich die Konsumenten noch darüber freuen, ist unter Ökonomen eine Debatte über die Gefahren dauerhaft sinkender Preise entbrannt. Notenbankchefs in den USA und Europa zerbrechen sich den Kopf darüber, ob und wie sie eine Deflation bekämpfen sollen. Die Europäische Zentralbank und ihr Präsident Jean-Claude Trichet haben deshalb den Leitzins seit Oktober um drei Prozentpunkte auf den historischen Tiefstand von 1,25 Prozent gesenkt.

Billiges Geld - eine Droge

Der Satz liegt damit aber immer noch deutlich höher als in den USA und Japan mit praktisch null Prozent. Die EZB zögert nicht nur, die Zinsen weiter zu lockern, sie schreckt auch davor zurück, Staaten und Banken Anleihen abzukaufen und damit die Geldmenge aufzublasen. Weil bei Null Schluss ist, testen die USA, Großbritannien und Japan längst solch unkonventionellen Mittel gegen die Krise. Die alternative Geldpolitik soll helfen, die taumelnde Wirtschaft zu stabilisieren, und die Deflationsgefahren bändigen.

Trichet und seinen Kollegen zaudern, die Notenpresse anzuwerfen. Warum nur? Die Wirtschaft steckt in einer tiefen Rezession. Die Zahl der Arbeitslosen wird nach Einschätzung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung allein in Deutschland auf mehr als fünf Millionen steigen. Die deutsche Wirtschaft dürfte in diesem Jahr um 5,3 Prozent schrumpfen. Und die Teuerungsraten schnurren zusammen wie losgelassene Gummibänder. Im März fiel die Inflationsrate voraussichtlich auf 0,6 Prozent. So niedrig war sie seit knapp 50 Jahren nicht.

Doch im Frankfurter EZB-Turm hat man es nicht eilig, den Preisverfall zu stoppen, vielleicht aus Angst, dass, sind die Zinsen erst einmal bei null, es schwer fallen wird, Banken, Unternehmen und Verbraucher auf Entzug zu setzen. Denn billiges Geld wirkt wie eine Droge: Es macht high und abhängig. Die USA sind ein abschreckendes Beispiel für ein Land, das am Tropf des billigen Geldes hängt - nicht erst seit der Finanzkrise.

Angst vor Inflation unbegründet

Die Amerikaner fürchten heute vor allem Deflation und Depression, wie das Land sie in den dreißiger Jahren erlebt hat. Die Great Depression ist tief im kollektiven Gedächtnis verwurzelt. Also gehen die Vereinigten Staaten in der Krise bis zum Äußersten: Sie geben lieber zu viel als zu wenig Geld aus und nehmen das Risiko künftiger Inflation in Kauf. Die Deutschen wurden dagegen geprägt von der Erfahrung der Hyperinflation. Ihre Furcht vor Geldentwertung bestimmt Geld- und Fiskalpolitik, ihretwegen entstand der Stabilitätspakt für den Euro.

Doch die Angst vor der Inflation ist heute unbegründet. Gewiss, die Menge des von der Zentralbank gedruckten Geldes steigt. Viel Geld allein macht aber noch keine hohen Teuerungsraten. Die Preise kommen nur ins Laufen, wenn Bürger, Banken und Unternehmen das Geld ausgeben statt es zu horten. Geld, das unter der Matratze oder auf dem Sparbuch herumliegt, schafft keine Inflation. Es muss schon ausgegeben werden. Nur so kommt der Wirtschaftskreislauf in Schwung.

Doch die Unsicherheit ist heute so groß, dass niemand recht Lust zum Konsumieren und Investieren hat. Fallen morgen die Preise, wird die Zurückhaltung noch größer. Denn wer kauft heute, was er morgen schon billiger haben kann? Schieben die Verbraucher größere Ausgaben auf, lähmt das die Wirtschaft. Versuchen Unternehmen, die Kauflust durch Rabatte zu wecken, wird alles noch schlimmer. Die Kunden warten ab - und wegen der schleppenden Nachfrage und der niedrigen Preise lohnen sich Investitionen nicht. Jobs geraten in Gefahr, Löhne unter Druck. Das einzige, was wächst in einer Deflation, ist die Last der Schulden. Das ist gefährlich. Deshalb täte der EZB ein wenig amerikanischer Tatendrang gut.

© SZ vom 03.04.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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