Ende des Energiestreits:"Gas ist nicht der Königsweg"

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Der Gas fließt wieder nach Westeuropa - jetzt fordern Politiker und Unternehmer, aus dem Streit zwischen Russland und der Ukraine Konsequenzen zu ziehen.

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) warnte vor einer einseitigen Konzentration auf den Energieträger Gas gewarnt. "Gas ist nicht der Königsweg", sagte der Politiker. Das habe der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine deutlich gezeigt. Langfristig würde eine Konzentration auf Stromgewinnung aus Gas die Abhängigkeit Deutschlands weiter erhöhen.

Messstation in Bad Lauchstädt, Sachsen-Anhalt: Das russische Gas strömt wieder in die EU. (Foto: Foto: ddp)

"Die Zeche zahlt am Ende der Verbraucher mit höheren Preisen." Glos wiederholte in diesem Zusammenhang seine Forderung nach einem Ausbau des Energiemixes, zu dem die Kohle und "selbstverständlich die Atomenergie" gehörten.

Energiekrise programmiert

An die Adresse der Streitparteien Russland und Ukraine sagte der Minister, es dürfe künftig nicht jedes Jahr zu Situationen wie dem nun beendeten Gaskonflikt kommen.

Die Russen und die Ukrainer sollten ihre Probleme untereinander lösen. In diesem Fall sei der Konflikt zu Lasten vieler Unbeteiligter gegangen, indem Lieferzusagen an andere Länder nicht eingehalten wurden. Dies sei völlig "inakzeptabel".

Der Versorger RWE warnte vor dramatischen Folgen für Deutschland, falls es beim Atomausstieg bleibe und der Neubau von Kohlekraftwerken sich weiter verzögere.

Deutschland werde "in eine Energiekrise steuern, die uns mit einer ählichen Härte treffen wird wie derzeit die Finanzkrise", sagte RWE-Vorstandschef Jürgen Großmann.

Er erneuerte seinen Vorschlag eines "Energiepakts für Deutschland", ohne konkrete Details zu nennen.

Unter den derzeitigen Vorgaben - Atomausstieg und strenge Vorgaben für den Emissionshandel zu Gunsten des Klimaschutzes - seien mittelfristig weiter steigende Strompreise absehbar, sagte Großmann. Er verwies auf fehlende Kraftwerkskapazitäten. "Es ist alles angerichtet für steigende Preise in Deutschland", sagte Großmann. Die Produktionsgrundlagen für die energieintensive Industrie drohten damit zu erodieren.

Der russische Gasmonopolist Gazprom hatte am Dienstagmorgen nach fast zweiwöchiger Lieferblockade erstmals wieder Gas für Europa in die Transitpipelines der Ukraine gepumpt.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bestätigte: "Das Gas fließt normal". In der Slowakei habe es bereits die Europäische Union erreicht. Auch Barroso betonte , die EU müsse Lehren aus diesem Streit ziehen.

"Wir müssen aufhören, nur über Energiesicherheit zu reden, wir müssen etwas dafür tun", sagte Barroso am Dienstag nach der Wiederaufnahme der russischen Gaslieferungen. "Es hat sich gezeigt, dass die Gaslieferungen aus Russland nicht zuverlässig waren, und dass Gaslieferungen durch die Ukraine nicht zuverlässig waren. Daraus müssen wir Konsequenzen ziehen", sagte der EU-Kommissionspräsident.

Er sei persönlich "sehr enttäuscht gewesen, wie die Führungen dieser Länder verhandeln", fügte Barroso mit Blick auf die Vielzahl verkündeter und dann wieder aufgekündigter Vereinbarungen zwischen Russland und der Ukraine hinzu. "Wenn man sein Wort gibt, sollten auch Taten folgen." Die EU müsse ihre Abhängigkeit von Russland und der Ukraine vermindern, folgerte Barroso. Sie brauche mehr Energielieferungen aus anderen Ländern. "Das ist eine Frage der Vorsorge."

Russland hatte die Erdgaslieferungen in die Ukraine am 1. Januar gestoppt. Am 7. Januar wurde auch der Erdgastransit in die EU-Länder eingestellt. Beide Seiten beschuldigten sich gegenseitig, für das Dilemma verantwortlich zu sein. Die Unterbrechung der Lieferungen am 7. Januar hatte in mehreren europäischen Ländern zu Engpässen geführt.

Handschlag nach erbittertem Streit: Die ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko und Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin. (Foto: Foto: dpa)

Am Montag hatten die beiden Länder den seit zwei Wochen schwelenden Streit jedoch mit einem neuen Abkommen beigelegt. Die Nachbarstaaten hatten in Moskau einen Gasliefervertrag für eine Laufzeit von zehn Jahren unterzeichnet. Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin hatte anschließend angekündigt, das Gas werde in Kürze wieder fließen. Experten zufolge dürfte es ein bis zwei Tage dauern, bis das erste russische Gas Westeuropa erreicht.

In Anwesenheit von Putin und Timoschenko hatten die Chefs von Gazprom und Naftogaz, Alexej Miller und Oleg Dubina, das Abkommen am russischen Regierungssitz unterschrieben.

Unklarheiten über den Preis

Das Abkommen wurde nicht veröffentlicht, Einzelheiten blieben unklar. Timoschenko sagte, die Ukraine werde in diesem Jahr pro 1000 Kubikmeter im Schnitt 230 Dollar zahlen, auch 2010 werde der Preis für ihr Land noch "zehn Prozent" unter dem Preis liegen, den die westeuropäischen Länder zahlen. Ein Energie-Berater des ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko sprach hingegen von einem Preis von 360 Dollar, der in den ersten drei Monaten dieses Jahres gelten werde.

Im vergangenen Jahr musste die Ukraine 179,50 Dollar für 1000 Kubikmeter Gas bezahlen. Am Montag hatte es geheißen, die Ukraine werde ab 2010 die in Europa üblichen Gaspreise zahlen.

© sueddeutsche.de/dpa/AP/AFP/Reuters/aho/mel//hgn/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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