Elektronische Lohnsteuerkarte:Datenschützer warnen vor dem Schnüffelstaat

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Die Bundesdatenschützer verfolgen die geplante Einführung der elektronischen Lohnsteuerkarte mit Skepsis. Ihr Verdacht: Solche riesigen Zentraldateien würden die Neugier anderer Behörden wecken.

Paul Katzenberger

Im Jahressteuergesetz 2008, das das Kabinett am Mittwoch beschließen will, sollen nach einem Bericht der Berliner Zeitung künftig alle Daten zentral erfasst werden, die für die Lohnsteuerpflicht von Bedeutung sind.

Im Klartext würde das heißen: Für alle 40 bis 45 Millionen lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmer Deutschlands würden Angaben zum Ehepartner und zu den Kindern, zur Religionszugehörigkeit sowie zu den Steuerklassen und Freibeträgen in einer zentralen Datei zusammenfließen. Diese sogenannte elektronische Lohnsteuerkarte soll mit der Steuer-Identifikationsnummer zusammengefasst werden, die seit Juli für jeden der 82 Millionen Bürger vergeben wird. Die neue Riesen-Datei wird nach den derzeitigen Überlegungen von 2011 an die konventionelle Lohnsteuerkarte ersetzen.

Die geplante Einrichtung der elektronischen Lohnsteuerkarte als einer zentralen Datei sei besorgniserregend, sagte der Sprecher des Bundesdatenschutzbeauftragten zu sueddeutsche.de: "Die Erfahrung zeigt, dass Begehrlichkeiten entstehen, wenn eine solche Datei existent ist, und zwar ganz losgelöst aus welcher Richtung."

So habe etwa das Mautgesetz ursprünglich nur für die Berechnung des Lkw-Verkehrsgelds dienen sollen, nun werde aber auch sein Einsatz in der Terrorismusbekämpfung gefordert.

Das Kontenabrufverfahren sei wiederum zur Terrorismusbekämpfung eingeführt worden, nun könne es aber von den Finanzbehörden bei jedem Steuerbürger genutzt werden, so der Sprecher.

"Angabe der Religionszugehörigkeit kritisch"

Besonders kritisch sieht der Bundesdatenschutzbeauftragte die geplante Angabe der Religionszugehörigkeit, da diese besonders schutzwürdig sei: "Wer da neben den Finanzbehörden ein potentieller Nutznießer dieser Daten sein könnte, ist im Augenblick zwar noch überhaupt nicht abzusehen. Doch wenn man das auf die Spitze treibt, könnte sich ein Verbrechensbekämpfer vielleicht schon für die Religions-Angabe interessieren", warnte der Behördensprecher.

Ziel des Bürokratieabbaus

Das Ziel des Bürokratieabbaus, dass das Finanzamt als Grund für die Pläne angebe, sei allerdings begrüßenswert, so der Sprecher.

Für ehrliche Steuerbürger sei die elektronische Lohnsteuerkarte aus der heutigen Perspektive aber eine ambivalente Angelegenheit. "Einerseits geraten die Steuerpflichtigen womöglich stärker unter die Kontrolle der Finanzbehörden, anderseits dauert die Bearbeitung einer Einkommensteuererklärung künftig nicht mehr ganz so lang."

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