Einschätzungen der US-Notenbank:Bernanke verstehen

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Innerhalb weniger Tage stürzt US-Notenbankpräsident Ben Bernanke die Börsen in Euphorie und holt sie zurück in die bittere Realität - Die Zinsen bleiben wohl unverändert. Die USA könnten wirtschaftlich hinter Deutschland zurückfallen.

Nikolaus Piper

Notenbanker beziehen ihre Autorität nicht nur aus dem, was sie tun, sondern auch aus dem, was sie sagen oder nicht sagen.

Notenbankchef Ben Bernake sagt ein langsameres Wachstum für die US-Wirtschaft voraus. (Foto: Foto: Reuters)

In Amerika war jetzt das Schauspiel zu beobachten, dass Ben Bernanke, der Präsident der Fed, innerhalb einer Woche die Aktienmärkte erst in Euphorie versetzt und sie dann wieder auf den Boden zurückholt, und zwar mit Äußerungen zu exakt dem selben Thema: Wie ist der Zustand der amerikanischen Wirtschaft?

Nervosität an der Wall Street

Vorige Woche lasen Aktienhändler und Analysten aus dem Kommentar der Notenbank zu ihrer Zinsentscheidung noch heraus, dass die Zinsen bald sinken könnten. Am Mittwoch sagte Bernanke vor einem Kongressausschuss aus - jetzt glauben plötzlich alle, dass die Zinsen doch so bleiben wie sie sind.

Das Hin und Her ist allerdings kaum dem mangelnden Kommunikationstalent des Fed-Chefs zu schulden. Der ist zwar immer noch relativ neu im Amt, aber er hat aus seinen ersten großen Pannen im vergangenen Frühjahr gelernt (damals hatte er bei einem Abendessen in Washington mit einer bekannten Fernsehjournalistin über Zinspolitik geplaudert) und sich um eine klare Sprache bemüht.

Amerikas Wirtschaft langsamer als deutsche

Ursache für die Nervosität an der Wall Street ist vielmehr die Unsicherheit in den USA über die ökonomische Zukunft des Landes. Die Wirtschaft wächst langsamer - nach Schätzungen der Fed werden es in diesem Jahr zwei Prozent werden, womit Amerika erstmals seit den frühen neunziger Jahren wieder hinter Deutschland liegen dürfte. Trotzdem sehen die Ökonomen der Notenbank immer noch Inflationsrisiken.

Die Investitionen der amerikanischen Unternehmen fielen zuletzt enttäuschend aus, der Auftragseingang im Februar war schwach, auch das Vertrauen der Verbraucher hat gelitten. Am gefährlichsten für die Konjunktur aber ist der Immobiliensektor.

Geplatzte Immobiolienblase

Dort ist die Spekulationsblase im vergangenen Herbst geplatzt. Die Korrektur ist zwar zunächst überraschend mild ausgefallen, trotzdem sinken die Preise für Häuser und Grundstücke in einigen Teilen des Landes kräftig.

Immer mehr Hausbesitzer können ihren Schuldendienst nicht mehr bezahlen, zwanzig kleinere Hypothekenbanken, die mit riskanten Darlehen an ärmere Hauskäufer Geld verloren haben, sind inzwischen pleite.

Bernanke glaubt, dass die Krise begrenzt werden kann. Einige Ökonomen sind sich in dieser Hinsicht aber nicht mehr so sicher: Sollte der Preisrückgang nicht gestoppt werden, könnte es weitere Finanzinstitute treffen.

Außerdem leidet jetzt schon die Bauindustrie, ein zentraler Sektor der amerikanischen Volkswirtschaft. Und schließlich hängt die Konsumkraft der amerikanischen Haushalte entscheidend davon ab, wie viel ihr Wohneigentum wert ist.

Zinsen lassen wie sie sind

In dieser unsicheren Situation macht die Notenbank das, was die Logik gebietet: Sie lässt die Zinsen so wie sie sind, sie versucht dem Publikum möglichst präzise zu erklären, wie sie die Lage einschätzt und macht klar, dass sie Risiken im Auge hat.

Hier liegt ein klarer Unterschied zwischen Bernanke und seinem Vorgänger Alan Greenspan: Ihm war es wichtig, die Märkte immer wieder im Unklaren über seine Gedanken zu lassen. So viel steht jedenfalls fest: Die Fed wird schnell mit Zinssenkungen reagieren, falls sich die Lage verschlechtern sollte.

An der Wall Street macht der Satz die Runde, Bernanke habe mit seinen Formulierungen einen "Put" an den Märkten platziert, also eine Verkaufsoption, die es den Händlern - im übertragenen Sinne - erlaubt, sich gegen mögliche Rezessionsgefahren abzusichern. Insofern ist Bernankes Position so klar, wie sie nach Lage der Dinge sein kann.

© SZ vom 30.03.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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