Diskussion unter Architekten:"Nörgeln auf hohem Niveau"

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Architekturexperten geben der Messestadt Riem in München gute Noten. Vorwiegend.

Bernd Kastner

Eigentlich wollten sie über die Architektur in der Messestadt diskutieren, dann aber haben sie doch mehr über den Städtebau geredet und - zumindest ein bisschen - gestritten. Was gar nicht so einfach war, denn die meisten der zehn Sprecher auf dem Podium sind Architekten und finden, dass das neue Viertel gut bis sehr gut geworden ist.

Altes Wahrzeichen von Riem: der ehemalige Flughafen-Tower (Foto: Foto: public_domain-Matthias-Sebulke)

Eine Ausstellung in den Riem-Arcaden hat die Umbrüche auf dem alten Flugplatzareal dokumentiert. 15 Jahre ist es her, dass die Flieger gen Erding und die Menschen hinaus in den Osten gezogen sind.

Hinaus? "Ich habe mich immer gewehrt gegen den Terminus ,da draußen'", sagt Brigitte Sowa, eine "Pionierin", die 1998 unter den ersten Bewohnern war. Sie fühle sich wohl in der Stadt am Stadtrand, auch wenn mancher Anblick "ein bisschen schockierend" und "nicht gerade sehr anheimelnd" sei. Aber die Bewohner hätten ja dann gemeinschaftlichen Einfluss auf die weitere Planung genommen. Überhaupt, die Gemeinschaft sei gut, dank der Probleme: "Eine Gemeinschaft beruht immer auf Problemen", sagt Sowa. "Das schweißt zusammen."

"Diesem Flecken noch Zeit geben"

Solche Probleme klammert der Architekt André Perret aus, wenn er, beinahe euphorisch, prophezeit: Bald werde es Architekturführungen durch das Quartier geben, und in 50 Jahren werde es bestimmt unter Ensembleschutz stehen. Er vergleicht die Stadtbaurätin a. D. Christiane Thalgott mit dem großen Planer Theodor Fischer und moniert, dass Thalgotts "Weitsicht in der Messestadt viel zu wenig gewürdigt" werde.

Weitgehend einig ist man sich, dass man "diesem Flecken noch Zeit geben" müsse, wie es Manfred Felix formuliert, der für seinen 126 Meter langen Sozialwohnungsriegel ausgezeichnet wurde. Es ist viel davon die Rede, was in dieser Zeit geschehen möge: Dass die Vegetation manchem Gebäude mehr Anmut verleiht.

Dass im Laufe der Jahre neben dem Willy-Brandt-Platz und den Riem-Arcaden noch weitere kleinere Subzentren mit Discounter oder Bioladen entstehen mögen. Und dass man aus dem Fehler lerne, anfangs den Häusern keine Sockel verpasst zu haben. So musste die Trennung zwischen Straße und Erdgeschosswohnungen mittels Betonmauern hergestellt werden.

"Nicht scheinheilig" vergleichen

Theo Bauernschmidt aus dem Planungsreferat betont die "Isolationslage" des Viertels und lobt die dennoch entstandene Urbanität, über die viele Kleinstädte froh wären. Dass man in der Planung aus finanziellen Gründen "nicht jede Kleinigkeit" habe durchsetzen können, wie etwa eine bessere Lage des Kulturzentrums in den Riem-Arcaden, das müsse man halt hinnehmen. Außerdem dürfe man so ein neues Quartier "nicht scheinheilig" mit alten Vierteln wie Schwabing vergleichen.

Es ist, wie meist, Georg Kronawitter, der aufkommende Euphorie ein wenig dämpft. Der Vorsitzende des örtlichen Bezirksausschusses gibt die Klagen vieler Bewohner wieder über monotone Straßenfluchten und eben jene langen Betonmauern zwischen Fußweg und Vorgärten. An mancher Ecke würde er sich mehr Abwechslung wünschen, vielleicht so was wie Hundertwasser.

"Schlaraffenland" Messestadt

"Pffff", entfährt es da Ludwig Wappner, auch er Architekt: "Wir nörgeln auf sehr hohem Niveau", kritisiert er die Kritiker und wirft dem CSU-Mann Kronawitter vor, er müsse so reden, weil er als Politiker wiedergewählt werden wolle. Wenn "die Zeitungen" immer vom Imageproblem der Messestadt schrieben, dann stimme das doch gar nicht, "das wird künstlich erzeugt". Wappner versucht die Bewohner mit einem Blick in den Osten zu trösten: Man solle doch mal nach Peking schauen, dagegen sei die Messestadt doch wie ein "Schlaraffenland".

Am Ende sollen die Diskutanten der Messestadt einen Blumenstrauß binden, jeder soll eine Blume dazutun. Sie wählen Gewächse wie Sonnenblume und Lilie. Keiner aber denkt an den Kaktus - als Symbol für ein Viertel, das zur Diskussion einlädt, weil es noch nicht so glatt poliert ist wie Schwabing oder Haidhausen.

© SZ vom 18. 6. 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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