Die Rückkehr des Weltökonomen:Des Alt-Kanzlers Kampf gegen die Heuschrecken

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Einst musste er die erste Ölkrise meistern, nun wettert er gegen den massiven Einfluss von Finanzinvestoren: Helmut Schmidt, Kanzler a.D.

Nikolaus Piper

Helmut Schmidts Name wird für immer mit dem Satz verbunden bleiben, dass ihm fünf Prozent Inflation lieber seien als fünf Prozent Arbeitslosigkeit.

Alt-Kanzler Helmut Schmidt fordert in einem Zeitungsartikel: "Beaufsichtigt die neuen Großspekulanten!". (Foto: Foto: dpa)

Das gilt heute als Gipfel der Unvernunft, schließlich hat man erlebt, dass fünf Prozent Teuerung irgendwann mehr als fünf Prozent Arbeitslosigkeit nach sich ziehen. Wahrscheinlich hat Schmidt diesen Satz tatsächlich gesagt, trotzdem charakterisiert er ihn nicht wirklich.

Diplomvolkswirt Schmidt, der von 1974 bis 1982 regierte, war sicher nach Ludwig Erhard derjenige deutschen Bundeskanzler, der am meisten von Wirtschaft verstand. In seiner Regierungszeit endete die Weltwährungsordnung der Nachkriegszeit und der Aufstieg der globalen Finanzmärkte begann.

Erfinder der Weltwirtschaftsgipfel

Schmidt musste mit der ersten Ölkrise, der ökonomischen Unvernunft in den eigenen Reihen und der Führungsschwäche amerikanischer Präsidenten umgehen - und er tat dies mit bemerkenswertem Geschick. So erfand er zusammen mit dem französischen Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing die Weltwirtschaftsgipfel - als informelles Koordinierungsgremium für Krisenzeiten. Für die meisten Westdeutschen war Helmut Schmidt damals der "Weltökonom".

Geblieben ist dem Altkanzler aus dieser Zeit ein tiefes Misstrauen gegenüber den Finanzmärkten. Sein Verhältnis zur Deutschen Bundesbank war unterkühlt, um es vorsichtig zu sagen. Derem letzten Präsidenten Hans Tietmeyer warf er 1996 in einem offenen Brief vor, aus Eigeninteresse den Euro zu torpedieren, was diesen seinerzeit tief verletzt hat.

Pamphlet gegen Finanzinvestoren

Jetzt hat der Weltökonom, mittlerweile 88, noch einmal zugeschlagen. In einem großen Beitrag für die Hamburger Zeit, deren Mitherausgeber er seit 1983 ist, veröffentlichte er jetzt eine Philippika gegen Hedge-Fonds, Finanzinvestoren und andere Heuschrecken: "Beaufsichtigt die neuen Großspekulanten!"

Einigen Forderungen werden auch Finanzexperten zustimmen. Die meisten sind jedenfalls dafür, Hedge-Fonds zu mehr Transparenz zu zwingen, und einige auch dafür, deren Kreditaufnahme zu begrenzen.

Spannender ist, was Schmidt sonst noch zu dem Thema schreibt. So vergleicht er die Lage heute mit der Ölkrise 1973/73. Damals setzten einige Regierungen das Öl als "weltpolitischen Machthebel" ein, heute habe es die Welt mit "einer vergleichbaren Machtposition von Akteuren auf den globalen Finanzmärkten" zu tun.

Keine wirkliche deutsche Bank

Die Opec sei als Kartell gefährlich gewesen, die Finanzakteure wegen ihres "Herdenverhaltens". Schmidt beklagt auch, dass es keine wirkliche deutsche Bank mehr gebe. Unter ihren Sprechern Hermann J. Abs und Wilfried Guth habe sich die Regierung noch auf das "patriotische Pflichtbewusstsein" der Deutschen Bank verlassen können.

"Inzwischen hat sich die Bank selbst globalisiert; wenn es jetzt einen transnationalen Notfall gäbe, auf welches Bankers Rat und Tat könnte sich die heutige Bundesregierung verlassen?" Indirekt fordert Schmidt die Sparkassen und Genossenschaftsbanken auf, einen nationalen Finanz-Champion aufzubauen. Man wird über diesen Artikel noch lange reden.

© SZ vom 02.02.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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