"Die glauben, die Mädchen sind hier angekettet":Sex zwischen Bulle und Bär

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Ein Österreicher will als erster Bordellbetreiber Europas mit seinem Unternehmen an die Börse. Auf diese Weise will der Billig-Anbieter die Expansion finanzieren. Doch die Aufregung ist groß.

Angelika Slavik

Die "Moral-Keule", sagt der Unternehmer Alexander Gerhardinger, kenne er nur allzu gut; sie werde auch in der eigenen Familie geschwungen. Mutter, Schwester und älteste Tochter fänden sein derzeitiges Betätigungsfeld "ganz und gar nicht lustig", räumt der 45-Jährige ein, der seit jeher sein Geld mit Immobilien verdient - seit einem guten halben Jahr allerdings auch mit solchen im Rotlicht-Milieu.

"Die glauben offensichtlich, die Mädchen liegen hier angekettet im Keller", schnaubt Gerhardinger empört, "aber selbst ansehen wollten sie es sich noch nie."

80 Euro Eintritt, 60 Euro für den Rest

Gerhardingers Etablissement "Goldentime" liegt mitten in einem Wiener Wohngebiet. Angekettet wird hier tatsächlich niemand, zumindest nicht gegen seinen Willen. Sofas und Sessel sind durch Plastikschonbezüge geschützt, Kunststoffpalmen stehen im Raum, es riecht dezent nach Desinfektionsmittel.

"Wir gehören nicht zu diesen Champagner-Clubs, in denen jeder Gast mindestens 500 Euro lassen muss", sagt Gerhardinger. Den Eintritt von 80 Euro und rund 60 Euro für die gewünschte Dienstleistung können sich Vertreter fast aller sozialen Schichten leisten, viele Kunden kommen auch mehrmals im Monat. "Es ist das älteste Geschäft der Welt", sagt der Unternehmer, "und es läuft gut."

Sogar so gut, dass Gerhardinger jetzt als erster Bordellbesitzer Europas an die Börse gehen will. In den nächsten Wochen will der gebürtige Linzer einen großen Teil der Aktien der Muttergesellschaft RB Immo an Privatleute verkaufen: an Wiener Rechtsanwälte, Steuerberater oder Fußballer, die aus Angst vor Imageschäden nicht öffentlich genannt werden wollen.

Niederlassung in München

Sechs Millionen Euro will er einnehmen und in neue Niederlassungen in Innsbruck und München investieren. "Wenn der Zeitplan hält, könnten wir bereits Mitte 2008 den Börsenprospekt lancieren", sagt der Puff-Pionier.

Ein halbes Jahr später soll die RB Immo an der Börse in Wien oder Frankfurt notieren. Als Berater hat Gerhardinger einen bekannten Fachmann engagiert: Gerald Hörhan, der den Börsengang der österreichischen Post im vergangenen Sommer maßgeblich mitgestaltet hat.

Gerhardingers Geschäftsmodell unterscheidet sich von dem herkömmlicher Bordellbetriebe. Denn offiziell betreibt er nur einen "Saunaclub", die Prostituierten arbeiten auf eigene Rechnung.

Sie müssen, ebenso wie die Freier, Eintritt bezahlen, wenn auch gut ein Viertel weniger als ihre Kunden. Im Gegenzug können sie von der Sauna bis zum Separee alle Einrichtungen des Clubs nutzen und ihre Dienste anbieten; von ihren Einnahmen müssen sie, anders als in solchen Etablissements üblich, nichts abgeben.

Nicht skandalfrei

Mit diesem System erwirtschaftet das "Goldentime" mehr als drei Millionen Euro Jahresumsatz. Mit den Niederlassungen in Innsbruck und München, die noch in diesem Jahr eröffnet werden sollen, will die RB Immo schließlich einen Jahresumsatz von gut zehn Millionen Euro erzielen - und eine beachtliche Rendite von 30 Prozent. Überschüssiges Kapital will Gerhardinger auch in den Aufbau eines Franchisesystems stecken. "Unser Geschäftsmodell", glaubt er, "kann auf der ganzen Welt erfolgreich sein."

Juristische Probleme, wie sie der bisher einzige börsennotierte Bordellbetreiber erlebte, fürchtet Gerhardinger nicht: "Unser Geschäftsmodell ist rechtlich einwandfrei. Wir finanzieren uns über die Eintritte der Gäste, unser Geschäftsgebaren ist somit transparent wie das eines Kinos", sagt der Mann, der als Immobilienentwickler einst einen Großteil der österreichischen Cineplexx-Standorte vermittelt hat. Frei von Skandalen ist die Geschichte des "Goldentime" freilich nicht.

Im vergangenen Jahr stand das Bordell vor dem Aus, als ruchbar wurde, dass Mitglieder der Polizei den damaligen Inhaber angeblich vor Razzien gewarnt haben sollen. Mehrere hochrangige Vertreter der Exekutive mussten zurücktreten, der "Goldentime"-Inhaber wurde inhaftiert. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Damals stieg Gerhardinger ein. "Es war die perfekte Gelegenheit zum Kauf", erzählt der Unternehmer.

Hohe Rendite, hohes Risiko

Für ihn dürfte sich das Investment gelohnt haben. Doch auch andere könnten profitieren, glaubt Manuel Lorenz, Leiter der Kapitalmarktabteilung der Frankfurter Sozietät Barker & McKenzie: "Sex und Glücksspiel sind zwar mit höheren Risiken für Anleger behaftet, erzielen aber oft enorme Renditen." Rechtliche Bedenken hat der Aktienexperte nicht: "Es gibt am Kapitalmarkt keine Beschränkungen aus ethischen Gründen."

Entscheidend sei, dass das Unternehmen die Transparenzgebote einhalte und keine Illegalen beschäftige. Optimistisch ist auch Wolfgang Matejka, Chefanalyst der Wiener Meinlbank: "Natürlich gibt es Investoren, die ein solches Papier aus moralischen Überlegungen ablehnen. Andererseits profitiert die Aktie von höherer Aufmerksamkeit."

Bordellbesitzer Gerhardinger gewöhnt sich indes schon an seine Rolle als Mann des internationalen Kapitalmarkts. Nur nicht "puffig" wolle er auf dem Foto wirken, weist er den Fotografen an. Schließlich sei er in Kürze Vorstandsvorsitzender eines börsennotierten Unternehmens. Diese Berufsbezeichnung wird dann wohl auch Gerhardingers familieninternen Kritikerinnen viel besser gefallen.

© SZ vom 9.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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