Deutsches Erbrecht:Kein Cent für den verlorenen Sohn

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Jeder hat das Recht, seine Sekretärin zur Alleinerbin zu machen. Trotzdem steht den eigenen Kindern dann noch ein Pflichtteil zu. Wer unliebsamen Sprösslingen posthum den Geldhahn zudrehen will, braucht daher einen ausgeklügelten Plan.

Catrin Gesellensetter

Reich werden kann so einfach sein. Eigentlich muss man nur in die richtige Familie hineingeboren werden - und aufs Erbe warten. Das zumindest legt eine Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge nahe. Danach werden in Deutschland bis 2020 rund 2600 Milliarden Euro vererbt, gut ein Viertel des gesamten privaten Vermögensbestands. Statistisch entfallen auf jeden Erben 153.000 Euro. Viel Geld. Dennoch wird dadurch keine Generation steinreicher Berufstöchter und -söhne entstehen. Im Gegenteil.

Die alte Regel, die besagt: "Das Gut rinnt wie das Blut", was so viel heißt wie: Vermögen wird automatisch innerhalb der Familie vererbt, hat sich überlebt. In Zeiten, in denen Patchwork-Familien fast schon die Regel sind, jede zweite Ehe scheitert und Eltern ihre erwachsenen Kinder oft nicht einmal mehr zum Wäschewaschen zu Gesicht bekommen, sehnen sich die Menschen nach maßgeschneiderten Lösungen.

"Die Anzahl der Fälle, in denen Eltern bewusst die gesetzliche Erbfolge aushebeln und ihre Kinder enterben wollen, wächst", sagt Julia Roglmeier, Fachanwältin für Erbrecht aus München.

Ein bitterböses Testament genügt nicht

Mit einem bitterbösen Testament allein lässt sich dieses Ziel jedoch kaum erreichen. Selbst wenn das Verhältnis des Verstorbenen zu seiner Sippschaft zeitlebens von Streit und Missgunst geprägt war - der Gesetzgeber stellt sich noch immer schützend vor enge Angehörige des Erblassers und sichert ihnen einen stattlichen Teil des Nachlasses. Wer unliebsamen Sprösslingen posthum den Geldhahn zudrehen will, braucht daher einen Masterplan.

Zwar hat jeder Deutsche das Recht, statt seiner Familie den treuen Gärtner oder die hingebungsvolle Sekretärin zum Alleinerben zu bestellen. Vollständig enterbt sind unliebsame Sprösslinge damit aber nicht. Ihnen steht auch weiterhin der gesetzlich vorgeschriebene Pflichtteil zu. Er macht die Hälfte des gesetzlichen Erbteils aus, also jener Summe, die Hinterbliebene verlangen können, wenn der Tote kein Testament erstellt hat.

Bei Familien mit zwei Kindern beläuft sich deren Pflichtteil folglich auf je ein Achtel des gesamten Vermögens - vorausgesetzt, der zweite Ehepartner lebt noch, und die Eltern hatten keinen Ehevertrag. "Theoretisch ist es zwar denkbar, den eigenen Kindern alle Rechte abzuerkennen - inklusive des Pflichtteils", sagt Nina Lenz-Brendel, Fachanwältin für Erbrecht aus Mannheim. "Allerdings erlaubt das Gesetz einen solchen Schritt nur in Extremsituationen, etwa wenn der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser oder dessen Familie nach dem Leben trachtet."

Wie lässt sich also sicherstellen, dass in Ungnade gefallene Nachfahren am eigenen Tod nicht verdienen? Denkbar ist etwa, den potenziellen Nachlass schon zu Lebzeiten zu verringern. Wer mit warmen Händen sein Geld verschenkt, muss weniger vererben. Und je weniger vererbt wird, desto geringer fällt auch der Pflichtteil aus. Theoretisch zumindest. Praktisch ist die Sache nicht ganz so einfach. Denn der Gesetzgeber hat zum Schutz entrechteter Erben eine weitere Hürde eingebaut: den sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch.

Er funktioniert - grob vereinfacht - nach folgendem Prinzip: Wenn Eltern kurz vor ihrem Tod im großen Stil Vermögen verschenken, werden die Gaben erst einmal ignoriert. Der Gesetzgeber tut dann so, als seien die verschenkten Vermögenswerte noch im Nachlass - und berechnet anhand dieser fiktiven Summe den Pflichtteil der enterbten Kinder.

Das kann ausgerechnet für diejenigen hässlich werden, die in der Gunst des Erblassers ganz oben standen. Denn den Pflichtteil auszahlen müssen die Erben. Bar. Und im Zweifel sofort nach Eintreten des Erbfalls. "Befinden sich im Nachlass Immobilien, müssen Familienheim oder Ferienhaus oft verkauft werden, um die Ansprüche der Enterbten fristgerecht bedienen zu können", sagt Expertin Roglmeier.

Der einzige Weg, seinen Lieben solches Ungemach zu ersparen, ist daher, so früh wie möglich mit der Nachlassplanung anzufangen. Je früher Eltern beginnen, ihr Vermögen zu reduzieren, desto geringer sind die Ausgleichsansprüche. "Nur wenn eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall stattfindet, geht sie voll in die Berechnung des Nachlasses ein, im zweiten Jahr kann der Pflichtteilsberechtigte sein Recht nur noch aus 90 Prozent des Wertes verlangen, im dritten Jahr aus 80 Prozent und so weiter", erläutert Lenz-Brendel. "Nach Ablauf der Zehn-Jahres-Frist ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch im Idealfall auf null geschrumpft."

Schenkungen helfen, den lästigen Pflichtteil zu verkleinern

Blind auf diese Regelung verlassen sollte sich dennoch niemand. Zum einen lässt sich über den Zeitpunkt der Schenkung oft trefflich streiten. Zum anderen läuft die Zehn-Jahres-Frist nicht bei jeder Schenkung an. Zuwendungen des Erblassers an den Ehepartner etwa müssen die Erben stets ausgleichen - egal wann sie erfolgt sind.

Gleiches gilt mitunter, wenn eine Schenkung an eine Gegenleistung gekoppelt ist. "Wer seiner Lieblingsnichte das Ferienhaus auf Ibiza überschreibt, sich aber zugleich ein lebenslanges Nutzungsrecht an der Immobilie ausbittet, gibt das Haus nicht endgültig auf", sagt Rechtsanwältin Roglmeier. Die Folge: Die Zehn-Jahres-Frist wird nicht in Gang gesetzt. Die Erben müssen den vollen Pflichtteilsergänzungsanspruch zahlen.

Dennoch können solche Schenkungen helfen, den lästigen Pflichtteil zu minimieren. "Dadurch, dass der Schenkende seine Zuwendung an eine Gegenleistung koppelt - im Beispielsfall also ein lebenslanges Wohnrecht in der Immobilie verlangt - mindert sich der Wert des Geschenks zum Teil massiv. Und das wiederum schmälert den Pflichtteilsergänzungsanspruch", so die Expertin.

© SZ vom 13.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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