Deutscher Aktienmarkt:Gipfelsturm in einer anderen Welt

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Der Dax liegt wieder auf Rekordkurs. Doch im Vergleich zum Börsenboom vor sieben Jahren hat sich manches geändert.

Thomas Öchsner

Der Deutsche Aktienindex (Dax) schreibt Geschichte. Nach mehr als sieben Jahren hat das Börsenbarometer in dieser Woche seine alte Bestmarke übertroffen.

Viele Dax-Papiere haben in den letzen Wochen Höchstwerte markiert. Doch einige liegen weit unter dem Rekordstand. (Foto: Tabelle: SZ)

Am Mittwoch schloss der Index, der die Kursentwicklung der 30 wichtigsten deutschen Standardwerte widerspiegelt, bei 8090 Punkten. Das sind etwa 25 Zähler mehr als das bisherige Rekord-Schlusshoch von 8064,97 Punkten am 7. März 2000.

Am Donnerstag gaben die Kurse wieder leicht nach, manche Banken sehen den Index aber schon bald auf mehr als 10.000 Punkte klettern. Der Optimismus ist groß - auch weil diesmal einiges anders ist als vor sieben Jahren. Doch es gibt auch warnende Stimmen.

Deutschland im Fieber

Im März 2000 posierte Infineon-Chef Ulrich Schumacher in einem Rennwagen vor der Frankfurter Börse. Der Aktienkurs des Halbleiterherstellers verdoppelte sich am ersten Handelstag. Deutschland war vom Aktienfieber erfasst. Die Stars damals waren Unternehmen aus den Branchen Telekommunikation, Medien und Software wie Deutsche Telekom, Infineon und SAP, außerdem die Versicherer Allianz und Münchener Rück. Genau diese Werte hinken jetzt hinterher: Sie liegen zum Teil mehr als 80 Prozent hinter ihrem Höchststand zurück (Tabelle).

Kurstreiber sind nun stattdessen Firmen aus traditionellen Branchen, also Chemieunternehmen, Autohersteller oder Maschinenbauer. So legte zum Beispiel die Aktie von MAN seit Jahresanfang um knapp 60 Prozent zu. ,,Im Vergleich zum März 2000 haben wir jetzt eine komplett andere Welt'', sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Der Höhenflug sei diesmal von soliden Substanzwerten getragen. Und die Kurse seien im Gleichschritt mit den Gewinnen der Unternehmen gestiegen.

Begonnen hatte der Aufstieg des Dax im März 2003. Damals notierte der Index bei 2300 Punkten. Der Sturm auf den 8000er-Gipfel dauerte etwa vier Jahre - ungefähr genauso lang wie beim Anstieg von rund 2300 Zählern im Januar 1996 bis zum Rekordhoch im März 2000. Doch es gibt einen wesentlichen Unterschied: ,,Damals, zur Zeit des Neuen Marktes und des Internetbooms, herrschte kritiklose Euphorie. Davon sind wir jetzt weit entfernt'', sagt Aktienexperte Kurz.

Während es zur Jahrtausendwende eine Massenhysterie gegeben habe, hätten sich nun viele Privatanleger vom Aktienmarkt entfernt. ,,Die Verluste am Neuen Markt waren eine so traumatische Erfahrung, dass viele Anleger trotz des Kursanstiegs Aktien und damit viel Geld links liegen lassen'', bedauert Kurz. Das Negativerlebnis sei so stark, dass ,,viele immer dann mit einem Kurssturz rechnen, wenn der Dax ein Rekordhoch ins Visier nimmt''.

Ausländer auf Einkaufstour

Der Aktienmarkt boomt, aber nur wenige deutsche Privatanleger profitieren davon - dieser Trend lässt sich gut belegen: Aus Aktienfonds ziehen die Anleger Milliarden ab.

Gefragt sind stattdessen vor allem Garantiezertifikate, mit denen sich nur teilweise am Börsenboom verdienen lässt. Die Zahl der Anleger, die direkt Aktien in ihrem Depot haben, ist nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts von fünf Millionen im Jahr 2003 auf 4,2 Millionen 2006 zurückgegangen. Käufer sind derzeit vor allem ausländische Adressen, wie Pensionsfonds, Versicherer und Finanzinvestoren.

Trotz dieser Unterschiede gibt es aber auch einige Gemeinsamkeiten zwischen 2000 und 2007. Darauf weist Gerhard Schwarz, Leiter Aktienstrategie bei der HypoVereinsbank (HVB), hin. ,,Damals glaubte man daran, dass die Verbraucher quasi rund um die Uhr Telefondienste nutzen.''

Heute gründe sich der Optimismus ebenfalls wieder auf den privaten Verbrauch als dauerhafte Konjunkturstütze, sagt Schwarz. Der HVB-Experte sieht außerdem Gemeinsamkeiten bei den Geschäftserwartungen, die Forschungsinstitute bei den Unternehmen abfragen. Diese seien vor sieben Jahren auf einem Rekordniveau gewesen und hätten nun erneut einen sehr hohen Stand erreicht. ,,Die Erwartungshaltung der Anleger ist wieder sehr hoch'', so Schwarz.

Der Aktienstrategie versucht deshalb, den Optimismus zu dämpfen. ,,Die Märkte werden anfälliger. Das Risiko eines Rückschlags steigt.'' Ein Dax-Minus von fünf Prozent binnen einer Woche wie zuletzt Anfang Juni sei jederzeit wieder möglich, zumal der Aufschwung in den letzten Monaten nur noch von einigen im Dax schwer gewichteten Werten wie Allianz, Daimler und Siemens getragen werde.

Andererseits kann sich Schwarz vorstellen, dass der Dax trotz der aufgekommenen Belastungsfaktoren seinen Anstieg weiter fortsetzen kann, wenn auch mit nachlassender Dynamik. Dafür spricht zumindest eine Börsenweisheit: ,,Es gibt noch keine Euphorie, aber die Rally endet nur in der Euphorie.''

© SZ vom 22.06.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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