Der Papst und die Finanzkrise:Die Nichtigkeit irdischer Güter

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"Wer nur auf Geld baut, der baut auf Sand": Papst Benedikt XVI. wirbt in der Finanzkrise für Gott - und verdammt den Mammon.

Stefan Ulrich

Sein Reich ist auch von dieser Welt - in Gestalt des 44 Hektar großen Vatikanstaates. Dennoch pocht Papst Benedikt XVI. jetzt, im Angesicht der Finanzkrise, auf die Nichtigkeit irdischer Güter, insbesondere des maroden Mammons. "Wir sehen nun, beim Zusammenbruch der großen Banken, dass das Geld verschwindet, dass es nichts ist", sagte der Pontifex am Sonntag bei der Eröffnung der Weltbischofssynode in Rom.

Wer nur auf Geld baut, baut auf Sand: Papst Benedikt äußert sich zur Finanzkrise. (Foto: Foto: dpa)

"Wer nur auf die sichtbaren und fassbaren Dinge baut, auf den Erfolg, seine Karriere, sein Geld, der baut auf Sand." Dies alles wirke so real, werde aber eines Tages verschwinden. Ein wahrer Realist sei daher, wer auf das Wort Gottes baue.

Geld ist nichts wert - das klingt provokativ und radikal für das Oberhaupt einer Kirche, die in ihrer Geschichte so viel Geld verbrauchte, so viele Paläste erbauen und irdische Schätze anhäufen ließ. Benedikt aber kann sich direkt auf viele Stellen in der Bibel berufen, die sich mit Geld und Besitz beschäftigen. "Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon", sagt Jesus etwa, und: "Leichter kommt ein Kamel durch ein Nadelöhr hindurch als ein Reicher in das Reich Gottes hinein." An anderer Stelle warnt er: "Auch mitten im Überfluss ist das Leben eines Menschen nicht durch seine Güter gesichert." Das klingt, als habe Jesus an die Investmentbanker dieser Tage gedacht.

Rothschild rettet die Kirche

Diejenigen aber, die sich als seine Stellvertreter auf Erden fühlten, schlugen diese Worte oft in den Wind. Dass Rom heute so prachtvoll dasteht, mit seinen Kirchen und Palästen der Renaissance und des Barock, ist ein Beweis dafür. Andere Beweise liefern die prachtvollen Villen, die die Päpste oder ihre Kardinäle im Umland errichteten. Um das Geld für den Bau des Petersdoms aufzutreiben, ließen Päpste Ablassbriefe verkaufen und in Europa wie Wertpapiere handeln.

"Seit der Barockzeit war die päpstliche Schuldenlast ins Unbezahlbare angewachsen, und in den Krisenzeiten des 19. Jahrhunderts hatte man sich nur durch Rothschild-Kredite über Wasser halten können", schreibt der römische Kirchengeschichtler Fabrizio Rossi. Gleichzeitig gab es immer wieder Gegenbewegungen, aus dem Mönchstum etwa, die dem Götzen Geld den Rücken kehrten und Armut nicht nur predigten, sondern auch lebten.

Moderne Päpste wie Johannes Paul II. und Benedikt XVI. ergriffen häufig die Gelegenheit, einen ungebremsten Kapitalismus zu geißeln. So kritisierte Johannes Paul einst in Havanna den "kapitalistischen Neoliberalismus" und eine Globalisierung, die den Menschen "blinden Marktgesetzen" unterwirft. Benedikt forderte beim Brasilienbesuch, die Globalisierung müsse von ethischen Prinzipien geleitet werden, und Profit dürfe nicht als oberster Wert gelten.

Begrenzte Einnahmequellen

Andererseits verloren die Päpste noch in der Moderne viel Geld durch fragwürdige Finanzgeschäfte ihrer Mitarbeiter. Der amerikanische Erzbischof Paul Casimir Marcinkus, von 1971 bis 1989 Chef der Vatikanbank IOR, vertraute bei Spekulationen auf zwei fragwürdige, später unter mysteriösen Umständen gestorbene Bankiers namens Michele Sindona und Roberto Calvi. Die Staatsanwaltschaft Mailand erließ 1987 Haftbefehl gegen den Erzbischof wegen "Beihilfe zum betrügerischen Bankrott". Der Heilige Stuhl aber lieferte ihn nicht aus.

Das Verhältnis der katholischen Kirche zum Geld, es wirkt also ambivalent. "Ohne Geld wäre das päpstliche Amt nicht zu bewerkstelligen", schreibt etwa der Jesuit Thomas J. Reese in seinem Bestseller "Im Inneren des Vatikan". Er verweist auf den Unterhalt der Kurie und des Kirchenstaates, auf päpstliche Hilfswerke und die Unterstützung für arme Ortskirchen.

Die Einnahmequellen der Päpste aber sind begrenzt. Gewiss, es gibt einen Fundus aus den Lateran-Verträgen mit Italien aus dem Jahr 1929, als die Päpste für den Verlust ganz Mittelitaliens an den italienischen Nationalstaat eine Abfindung erhielten. Hinzu kommen heute Spenden wie der "Peterspfennig", Zuwendungen reicher Diözesen oder die Einnahmen aus dem Verkauf von Münzen, also von Geld. Allein, es reicht nicht. Vergangenes Jahr gab der Vatikan 246 Millionen Euro aus, nahm aber nur 237 Millionen Euro ein - ein päpstliches Haushaltsloch. Auch dieses Jahr soll es nicht gut aussehen.

Unbezahlbare Münzen

"Als Petrus die Tempelsteuer nicht zahlen konnte, half Jesus mit einem Wunder nach. Seither beteten alle Päpste um ein Wunder, damit sie mit ihren Einkünften auskommen konnten", meint der Jesuit Reese. In diesem Sinne dürfte auch für Benedikt Geld mehr bedeuten als nichts. Seine Kritik sollte also nicht wörtlich genommen werden. Nicht das Geld ist kritisierenswert, sondern eine Haltung, die im Geld Selbstzweck oder gar den höchsten Wert sieht. Als Mittel zum Zweck, zur Weiterentwicklung der Gesellschaft und für wohltätige Werke, erkennen die Päpste den Wert des Geldes.

Benedikt dürfte die Finanzkrise nun als eine Möglichkeit sehen, sein Hauptthema wieder aufzugreifen: die Kritik an der leeren Gier und am Konsumismus in westlichen Gesellschaften. "Der Pontifex erinnert daran, dass die Ursache der Finanzkrise in der Scheidung zwischen Wirtschaft und Gemeinwohl liegt", erläutert Stefano Zamagni von der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften. Nunmehr müssten sich Ethik und Wirtschaft dringend wieder vereinen. Die Realität beweise soeben, dass manche neoliberalen Lehren falsch seien.

Ein Trost zum Schluss: Wenigstens das Geld der Päpste behauptet seinen Wert. Die ersten Euromünzen etwa, die der Vatikan im Jahr 2002 herausgab, sind heute fast unbezahlbar.

© SZ vom 08.10.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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