Der Geldautomat macht Ärger:Ihr müsst draußen bleiben

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Kunden von Direktbanken erhalten an vielen Geldautomaten kein Bares mehr, weil Sparkassen ihre Karten nicht akzeptieren. Ein Boykott?

Hannah Wilhelm

"Diese Funktion ist derzeit nicht möglich": Diese Mitteilung erhalten derzeit viele Kunden von Direktbanken, die versuchen, bei einem Geldautomaten einer Sparkasse mit der Visa-Karte Bares abzuheben. Schuld daran ist nicht, dass die Kunden kein Geld mehr auf ihrem Konto haben. Nein, keine Sorge, heißt es zum Beispiel bei der Kundenhotline der Deutschen Kreditbank Berlin (DKB), das sei ein technisches Problem, das man derzeit prüfe. Dann hilft die freundliche Dame im Callcenter noch schnell dabei, einen anderen Geldautomaten zu finden.

Sparkassen-Filiale: Direktbanken-Kunden sind hier unerwünscht. (Foto: Foto: ddp)

Tatsächlich handelt es sich aber gar nicht um ein technisches Problem. Der Grund dafür, dass einige Direktbanken-Kunden derzeit bargeldlos bleiben, ist ein anderer: 47 Sparkassen haben ihre Automaten für die Visa-Karten einiger Banken sperren lassen. Zu den betroffenen Instituten gehören unter anderem die DKB, die ING-Diba, aber auch Filialbanken wie die Citibank und anscheinend auch die Postbank. Dementsprechend viele Bankkunden leiden unter den Aussperrungen der Sparkassen.

Harter Wettbewerb

Der Hintergrund: Die betroffenen Banken bieten ihren Kunden kostenloses Abheben an allen Automaten entweder in Deutschland, in der Eurozone oder sogar weltweit an - und zwar per Visa-Karte. Dafür zahlen die Banken dem Institut, an dessen Automat der Kunde Geld gezogen hat, jedes Mal 1,74 Euro. Für den Kunden fallen bei der Abhebung keine Gebühren an. Kein schlechtes Marketingargument, ist dem Bankkunden von heute doch der unkomplizierte Zugang zu Bargeld sehr wichtig. Durch das Visa-Angebot versuchen Internetbanken darüber hinwegzutrösten, dass sie selbst keine oder kaum eigene Automaten haben.

Das passt den Sparkassen anscheinend gar nicht. Und sie haben ein Druckmittel. Mit knapp 25.000 Automaten bieten sie das dichteste Netz in Deutschland. Zum Vergleich: Die großen Privatbanken, die sich zum Automatenverbund Cashgroup zusammengeschlossen haben - darunter die Deutsche Bank, die Hypo-Vereinsbank und die Commerzbank -, haben insgesamt nur 7000 Automaten. "Wir finden es nachvollziehbar, wenn Sparkassen ihre Geldautomaten nicht allen zugänglich machen", heißt es beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband in Berlin, "das dichte Automaten-Netz finanzieren die Sparkassenkunden mit ihren Gebühren." Die anderen Banken offerierten Sparkassen-Kunden ja auch keinen vergleichbaren Service.

Die betroffenen Direktbanken dagegen bezweifeln, dass es den Sparkassen tatsächlich ums Geld geht. "Es ist doch ein gutes Geschäft für die Sparkassen, wenn einer unserer Kunden dort Geld abhebt", sagt ein Sprecher der ING-Diba. Dafür bekommt das Institut immerhin 1,74 Euro - dem stehen Schätzungen zufolge lediglich Kosten von höchstens 60 Cent gegenüber. Daher würden Sparkassenkunden also keinesfalls das Abheben durch Kunden anderer Banken gegenfinanzieren, heißt es bei der ING-Diba.

Stattdessen, so vermuten die ausgesperrten Finanzinstitute, geht es um den Privatkunden-Wettbewerb. Die Sparkassen verlieren seit Jahren Kunden, nicht wenige wandern zu den Direktbanken ab. Diese müssen kein Filialnetz finanzieren und können dementsprechend günstigere Konditionen bieten. Für Verärgerung bei den Sparkassen sorgt dabei vor allem die Onlinebank DKB. Sie offeriert ein kostenloses Girokonto mit gebührenfreier Visa-Karte sowie einer hohen Verzinsung - ein verlockendes Angebot. In den vergangenen fünf Jahren konnte das Institut, das zur Landesbank BayernLB und damit indirekt auch zum Sparkassenlager gehört, damit 1,4 Millionen Kunden gewinnen. Kunden, die jetzt bei 47 Sparkassen kein Geld abheben können.

Vorwurf des Boykotts

Die DKB möchte sich dazu nicht äußern. Auch der Kreditkartenanbieter Visa reagiert zurückhaltend: "Wir bedauern die Situation, die einem Teil unserer Karteninhaber Unannehmlichkeiten bereitet. Unser Anspruch ist es, rund um die Welt das Abheben von Bargeld zu ermöglichen", heißt es in einer Mitteilung. Es handele sich hier um ein Wettbewerbsproblem zwischen Sparkassen und einigen Banken, erklärt das Unternehmen seine Zurückhaltung.

Vier Banken, darunter Citibank und ING-Diba, schreiben derzeit einzelne Sparkassen an. Man hoffe auf eine gütliche Einigung, schließe rechtliche Schritte aber nicht aus. "Wenn 47 Institute gleichzeitig handeln", sagt der ING-Diba-Sprecher, "dann drängt sich der Verdacht auf, dass es sich hier um einen unerlaubten Boykottaufruf handelt."

© SZ vom 12.9.2008/kim/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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