Contra:Banken im Fegefeuer

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Endlich hat die US-Regierung das Richtige gemacht - indem sie nichts machte: Sie hat Lehman pleitegehen lassen.

Hans von der Hagen

Wer rettet die Vereinigten Staaten? Diese Frage durfte man sich bis zum vergangenen Freitag stellen - hatte es doch den Anschein, dass die Regierung im Bunde mit der Notenbank jedem halbwegs bedeutendem Institut unter die Arme griff, sich dafür hoch verschuldet und alle dankbar lächeln durften.

Lehman Brothers, die viergrößte US-Investmentbank, wird nicht vom Staat gerettet. (Foto: Foto: AFP)

Als dann auch noch die Hypothekengiganten Fannie Mae und Freddie Mac mit einer Bilanzsumme, die dem doppelten Sozialprodukt Deutschlands entsprach, in die Bücher genommen wurden, gefror bei vielen das Lächeln - und drohte am Wochenende vollends zur Fratze zu verkommen, als mit Lehman Brothers die nächste Pleite bevorstand und Merrill Lynch kräftig wankte.

Doch jetzt haben US-Regierung und Notenbank den vielleicht wichtigsten Schritt der gesamten Finanzkrise gemacht - indem sie nichts machten und damit Lehman in die Pleite schickten.

Geld verprasst

Zum ersten Mal spürt die Branche wieder, dass sie für die hausgemachte Krise in die Pflicht genommen wird und es keinen öffentlichen Vollkaskoschutz gibt. Für die USA gibt es also wieder Hoffnung.

Zu Recht lässt sich nun einwenden, dass eine solche Entscheidung viel zu spät kommt. Dass schon im Boom der vergangenen Jahre, als die Banken das Geld an allen Ecken verprassten und die ersten aufflackernden Warnleuchten mit lockerem Tritt beiseitestießen, den Banken die Arroganz und das Gefühl der Unverwundbarkeit hätte genommen werden müssen.

Dass noch dazu genau jene Personen, die mit ihrer Geschäftspolitik entscheidend zur Krise beigetragen haben, längst gefeuert sind und nun, mit Abfindungsmillionen im Schoß und begleitet von wohligen Schauern die weitere Entwicklung der Krise aus der Ferne beobachten können.

Das Lehman-Experiment

Doch darum geht nicht: An diesem Wochenende hat die Regierung vielmehr ein Zeichen für die Zukunft gesetzt. Finanzkrisen werden nicht durch Eingriff des Staates bewältigt, sondern müssen von der Branche selbst gelöst werden - sei es durch eine Pleite, sei es durch eine Übernahme, sei sei durch Bereitstellung eigener Liquidität. Einer Branche, in der mittlerweile jeder jedem misstraut, kann das Zusammenraufen nicht schaden.

Und es wird eben auch mal in Kauf genommen, dass bei Lehman knapp 160 Jahre Firmengeschichte und bei Merrill 94 Jahre Unabhängigkeit zu Ende gehen. In der scheinbar so sensiblen Finanzbranche - die sich freilich nicht scheut, auf Gedeih und Verderb ihre Rendite zu trimmen und dabei trickst und täuscht, wo es nur geht - muss es ein besonderes Maß an Eigenverantwortung geben.

Unklar ist freilich, ob die US-Regierung ihre Position konsequent weiterführt. Lehman Brothers ging mit Ansage in die Pleite und war nicht "too big to fail". So etwas taugt für ein Fanal.

Womöglich sieht es aber bei den nächsten gefährdeten Unternehmen schon wieder ganz anders aus. Banken, Versicherer, Automobilkonzerne - die schwarze Liste ist lang wie nie zuvor.

Immer wieder wird dann die bange Frage gestellt: "Ist die Pleite schlimmer - oder der Schaden daraus?"

Oft ist die US-Regierung auf Nummer sicher gegangen und hat gezahlt, gerade im schwer durchschaubaren Investmentgeschäft. Jetzt war es an der Zeit, einfach mal das Gegenteil zu probieren.

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