Bundeskanzlerin zu Gast bei der EZB:Madame Merkel ist wachsam

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Frankreichs Präsidentschafts-Kandidaten attackieren den Euro - der deutschen Kanzlerin missfällt das.

Claus Hulverscheidt

Frankfurt - Der Brief aus Frankfurt, der vor Weihnachten im Berliner Kanzleramt einging, sorgte für Verwunderung. Ob die verehrte Frau Bundeskanzlerin nicht Lust habe, hieß es dort sinngemäß, zu Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zu einem Meinungsaustausch mit dem Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) an den Main zu kommen.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel stärkt EZB-Vorsitzendem Jean-Claude Trichet den Rücken gegen Vorwürfe aus Frankreich. (Foto: Foto: Reuters)

Die Beamten stutzten, solche Treffen waren bislang nicht üblich. Dennoch sagte Angela Merkel zu. Am Montagnachmittag kam die Kanzlerin mit EZB-Chef Jean-Claude Trichet und dessen Mitstreitern im Eurotower zusammen.

Gast und Termin hätten für Trichet nicht perfekter passen können. Ausgerechnet in seinem Heimatland Frankreich steht der Notenbankpräsident derzeit gehörig unter Druck, denn beide Kandidaten für das Amt des Staatspräsidenten - die Sozialistin Segolène Royal wie der Konservative Nicolas Sarkozy - haben ein neues Wahlkampfthema entdeckt: die angeblich verfehlte Geld- und Wechselkurspolitik der EZB.

Leitzinsen zu hoch, Euro-Kurs zu hoch, EZB zu unpolitisch, so die Parolen des eigentlich so ungleichen Bewerberpaars.

Berlin ist besorgt

Attacken gegen die europäische Zentralbank gehören in Frankreich beinahe zum guten Ton, in Wahlkampfzeiten allemal. Dass aber gleich beide Kandidaten wettern und zudem durchblicken lassen, dass das Thema mit dem Wahltag im Mai keineswegs wieder zu den Akten gelegt werden soll, hat nicht nur in Frankfurt, sondern auch in Berlin für Unruhe gesorgt.

Die Bundesregierung sieht sich traditionell als erste Verteidigerin einer unabhängigen Notenbank. Dass die Kanzlerin die Geschehnisse im Nachbarland ernst nimmt, zeigt sich schon daran, dass sie es nicht bei internen Mahnungen beließ, sondern an die Öffentlichkeit ging.

"Wenn wir das Vertrauen in den Euro erhalten wollen, dann müssen wir ihn aus der politischen Debatte heraus lassen und der Zentralbank ihre Unabhängigkeit erhalten", so Merkel vorvergangene Woche in der französischen Tageszeitung Le Monde. Die in Frankreich geführte Debatte beunruhige sie.

Merkel stellt sich hinter EZB-Politik

"Es herrscht keine Panik, aber erhöhte Wachsamkeit", heißt es jetzt in Berliner Regierungskreisen. Insofern sei es gut dass Merkel ausgerechnet diese Woche ihren EZB-Besuch absolviere. Auch mit mehreren ihrer EU-Amtskollegen hat Merkel dem Vernehmen nach schon über das Thema gesprochen.

Zwar geht in Berlin derzeit niemand davon aus, dass es auf Ebene der Regierungschefs tatsächlich zu einem ernsthaften Streit über Rolle und Aufgaben der EZB kommen wird. "Aber man kann Krisen natürlich auch herbeireden", heißt es in den Kreisen.

In der Euro-Gruppe, der die Finanzminister aus den Mitgliedsländern der Währungsunion angehören, schwelt der Konflikt tatsächlich schon seit Monaten. Bislang war der Pariser Ressortchef Thierry Breton isoliert, nun aber erhielt er Rückendeckung ausgerechnet von seinem Luxemburger Kollegen Jean-Claude Juncker.

Pikant: Als gewählter Sprecher der Euro-Gruppe soll Juncker die Haltung des Gremiums in zentralen währungspolitischen Fragen nach außen vertreten, die übrigen Finanzminister haben sich selbst einen Maulkorb verpasst. Merkel hat Multitalent Juncker, der auch noch Ministerpräsident seines Landes ist, deshalb schon einvernommen.

Schwächelndes Frankreich

In Kreisen der Euro-Gruppe wird ohnehin bezweifelt, dass Frankreichs derzeitige Exportschwierigkeiten etwas mit dem vergleichsweise hohen Euro-Kurs oder der Zinsentwicklung in der Euro-Zone zu tun haben. "Die hatten doch schon bei einem Kurs von 1,20 Dollar je Euro Probleme, nicht erst jetzt bei 1,30", hieß es.

Tatsächlich liegt der Schwachpunkt Frankreichs woanders: Der globale Konjunkturaufschwung geht schlicht zu einem Gutteil an dem Land vorbei. Während Exportweltmeister Deutschland vor allem Autos, Maschinen und Spezialchemikalien ins Ausland verkauft, ist Frankreich in Bereichen wie Lebensmittel und Mode stark.

China und Indien, die das Wachstum der Weltwirtschaft derzeit mehr beflügeln als alle anderen, fragen aber vor allem Investitions- und weniger Konsumgüter nach. Und - was die Sache für Frankreich noch schlimmer macht: Guten Wein kann man mittlerweile auch in Australien, Südafrika oder Chile kaufen.

Innenpolitik zu Lasten des Euro

Kaum wahrscheinlich, dass sich "Sego" und "Sarko" durch derlei Erkenntnissen von ihrem Anti-EZB-Wahlkampf abbringen lassen werden. Auch Merkel scheint daran nicht zu glauben: Überall dort, wo gewählt werde, ein Problem auftauche oder Reformen nicht ausreichend angegangen worden seien, werde der Ruf laut, dass die EZB die Zinsen senken möge, erklärte die Kanzlerin jüngst.

Schwierigkeiten mit der Globalisierung und mangelhafter Reformeifer dürften aber nicht "auf ungerechte Weise auf dem Rücken des Euro ausgetragen werden".

© SZ vom 23.01.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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