Bundesgerichtshof auf Seite der Banken:Richter erlauben Handel mit faulen Krediten

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Banken können Darlehen wirksam an Dritte abtreten - müssen ihren Kunden aber möglicherweise den entstandenen Schaden ersetzen.

Daniela Kuhr und Thomas Öchsner

Banken können Darlehen ihrer Kunden grundsätzlich auch ohne deren Zustimmung an Dritte veräußern. Das geht aus einem Urteil hervor, das der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag gefällt hat.

Die Käufer der Kreditpakete sind bei der Verwertung oft nicht zimperlich. (Foto: Foto: ddp)

Kunden, deren Darlehen veräußert wurden, müssen daher ihre Schulden fortan an den neuen Gläubiger zurückzahlen. Die Bank verstoße mit der Abtretung zwar möglicherweise gegen ihre Verschwiegenheitspflicht oder den Datenschutz und sei daher eventuell schadensersatzpflichtig; die "Wirksamkeit der Forderungsabtretung wird hiervon jedoch nicht berührt", entschied der XI. Senat des BGH (Aktenzeichen: XI ZR 195/05). Das Urteil ist für eine Vielzahl von Fällen bedeutsam.

Der Handel mit notleidenden Krediten - also solchen, bei denen der Kunde seine Schulden nicht mehr vertragsgemäß abbezahlt - floriert in Deutschland. Allein in den vergangenen vier Jahren haben deutsche Geldinstitute faule Kredite im Wert von insgesamt mehr als 30 Milliarden Euro verkauft.

Weniger Kulanz - mehr Profit

Experten schätzen, dass in den Büchern der deutschen Banken noch notleidende Kredite im Wert von etwa 250 Milliarden Euro stecken. Früher haben die Geldhäuser solche Darlehen selbst abgearbeitet. Nun werden sie von ihren Anteilseignern verstärkt gedrängt, sich von ihren Risiko-Darlehen schnell zu verabschieden. Die Kredite werden dann - als Paket gebündelt - häufig an angelsächsische Finanzinvestoren verkauft.

In dem jetzt entschiedenen Fall hatte ein Ehepaar im Jahr 1996 eine Eigentumswohnung und eine Gewerbeeinheit in Sachsen erworben und den Kauf per Kredit über eine Raiffeisenbank finanziert. Ein Verwandter bürgte für die beiden. Nachdem es Probleme im Zusammenhang mit der Rückzahlung gegeben hatte, trat die Bank ihre Forderungen und die Bürgschaft an eine sogenannte Verwertungsgesellschaft ab. Das Ehepaar hielt die Abtretung jedoch für unwirksam.

Dem widersprach jetzt der BGH. Die Verwertungsgesellschaft, die gegen die Eheleute geklagt hatte, sei wirksam Inhaberin der Forderungen geworden, entschieden die Richter. Es gebe keinerlei Bestimmungen, aus denen sich ein gesetzliches Abtretungsverbot herleiten ließe. Die Verwertungsgesellschaft ist daher die rechtmäßige Gläubigerin, und die Eheleute müssen an sie zahlen.

Mögliche Verletzung des Bankgeheimnisses

Gleichzeitig wies das Gericht aber darauf hin, dass die Bank im Verhältnis zu ihren Kunden bei der Abtretung möglicherweise gegen das Bankgeheimnis oder den Datenschutz verstoßen habe. Auf diese Frage kam es in dem entschiedenen Fall aber nicht an, sie müsste in einem weiteren Prozess geklärt werden.

Bei Rechtsanwälten, die sich mit dem Thema befassen, löste das Urteil keine Überraschung aus. Der Vorsitzende Richter des Bankensenats am BGH, Gerd Nobbe, hatte bereits 2005 in einem Aufsatz dargelegt, dass eine Abtretung von Forderungen immer wirksam sei, egal ob das Darlehen notleidend ist oder nicht. Andererseits erklärte Nobbe damals: Ein vertragstreuer Kreditnehmer habe Anspruch auf Schadensersatz, wenn eine Bank - ohne seine Zustimmung - nicht anonymisierte kreditnehmerbezogene Daten weitergebe und an einen Dritte abtrete.

Ein Grundsatzurteil des BGH gibt es dazu bislang nicht. Es gilt aber als sicher, dass auch dieser Fall in den nächsten Jahren beim Bundesgerichtshof landen wird, da bereits zahlreiche Klagen gegen den Verkauf auch nicht notleidender Kredite bei unteren Instanzen vorliegen. "Der Übertragung von ungekündigten Hypothekendarlehen muss ein Darlehensnehmer grundsätzlich zustimmen", sagt der Münchner Rechtsanwalt Ingo Schulz-Hennig, der mehrere Bankkunden in solchen Prozessen vertritt.

"Entschlossene Gegenwehr der Bank"

Genauso sieht es der Münchner Rechtsanwalt Jochen Weck. Bei einem möglichen Schadensersatzanspruch des Darlehensnehmers bestehe aber das Problem, dass er diesen erst "in einem aufwendigen Verfahren gegen die Bank durchsetzen müssen, was bei entschlossener Gegenwehr der Bank ebenfalls erhebliche Zeit in Anspruch nehmen kann", sagte Weck.

Juristisch dürfte es auch um die spezielle Frage gehen, ob eine Bank gegen das Datenschutzgesetz oder das Bankgeheimnis verstößt, wenn sie nicht notleidende Darlehen zusammen mit faulen Krediten in einem Paket veräußert. Dies ist in der Vergangenheit immer wieder geschehen, so auch beim ersten großen Kreditverkauf in Deutschland im Herbst 2004.

Damals veräußerte die Hypo Real Estate ein 3,6 Milliarden Euro schweres Kreditpaket an den Finanzinvestor Lone Star. Dessen Abwicklungs- und Inkassogesellschaft Hudson Advisors ist inzwischen massiv in die Kritik geraten. Rechtsanwälte werfen dem Unternehmen vor, nicht kooperativ zu sein und ohne Rücksicht auf menschliche Existenzen Sicherheiten zu verwerten.

Nach Ansicht des auf Bank- und Kapitalanlagerecht spezialisierten Düsseldorfer Rechtsanwalts Julius Reiter hat das neue BGH-Urteil dramatische Konsequenzen für die Beziehung zwischen Darlehensnehmer und Bank.

Kreditnehmer müssten nun erst recht damit rechnen, dass ihre Bank den Kredit bei Problemen schnell verkaufe. "Hier hat das Urteil eine Signalwirkung." Früher hätten beide Seiten versucht, bei Zahlungsproblemen eine Lösung zu finden. Nun könne eine Bank den Kredit auch an Geschäftemacher abtreten, "die gar nicht eine langfristige Rückzahlung des Geldes wollen und nur an der schnellen Verwertung interessiert sind". Reiter verwies darauf, dass es bereits Geldhäuser gebe, die in ihren Darlehensverträgen schon die Abtretung im Detail regelten.

© SZ vom 27.02.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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