Branchen und der Ölpreis:Gegessen wird immer

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Lebensmittelproduzenten, Fluggesellschaften, Autohersteller oder der Einzelhandel? Welche Branchen vom günstigen Ölpreis profitieren.

Catherine Hoffmann

Bis vor wenigen Wochen hieß es noch: Der Ölpreis steigt in immer neue Sphären, aber Sorgen um die Konjunktur müssen sich die Deutschen deswegen nicht machen. Inzwischen gilt das Gegenteil: Aus Angst vor einer Rezession geht das große Zittern durch die Wirtschaft, und der Ölpreis fällt immer tiefer.

Der Ölpreis sinkt wieder, stiftet aber Verwirrung. (Foto: Foto: dpa)

Kaufe Erdöl, verkaufe Bankaktien

Mit der Wende an den Rohstoffmärkten müssen sich die Anleger ein neues Thema suchen. Im ersten Halbjahr war die beliebteste Wette unter Hedgefonds-Managern und privaten Zockern: Kaufe Erdöl, verkaufe Bankaktien. Es war über viele Monate ein blendendes Geschäft, das jetzt jedoch ganz unverhofft seinen Reiz verloren hat.

Was nun? Der Handelsverlauf am Aktienmarkt ist wechselhaft, die Anleger sind hin- und hergerissen zwischen Rezessionsangst und Erleichterung über den Rückgang des Ölpreises, der mit einem stärkeren Dollar einhergeht. Generell sind günstige Rohstoffe gut für Unternehmen und Aktien. Sie lassen künftig geringere Inflationsraten erwarten und damit vielleicht bald auch niedrigere Zinsen - Balsam für die Börsen.

Anleger tun also gut daran, sich zu überlegen, welche Branchen von einem geringeren Ölpreis profitieren könnten - auch wenn der Rückgang wohl nur vorübergehend ist und vor allem auf die traurigen Konjunkturperspektiven zurückgeht, was die Freude über günstigere Preise trübt. Die Ölpreise machen die deutschen Aktienkurse - so oder so.

Luftfahrt

Geht es nach dem Lehrbuch, profitieren eindeutig die Fluggesellschaften am stärksten von preiswerterem Kerosin - und mit ihnen auch die Tourismus- und Logistikunternehmen, die ebenfalls viel Geld für Sprit verpulvern. In der Praxis ist die Geschichte nicht so einfach, weil zur Entlastung durch den Ölpreis die Belastung der Unternehmensgewinne durch sinkende Fluggastzahlen kommt. Geht es der Konjunktur schlecht, fliegen die Leute weniger - geschäftlich wie privat. "Ich würde im Moment die Finger von der Branche lassen", sagt Christian Stocker, Analyst der Unicredit, deshalb. Es sei zu früh, auf eine Wende zu wetten.

Autos

Klassischerweise zählen auch die Automobilhersteller zu den Gewinnern niedrigerer Benzin- und Rohstoffkosten. Wie bei den Airlines ist die Sache aber zweischneidig. "Als Spätfolge des langen Ölpreisanstiegs brechen die Absatzzahlen rund um den Globus weg", sagt Matthias Jörss, Stratege beim Bankhaus Sal. Oppenheim. Die Analysten haben deshalb ihre Gewinnschätzungen deutlich gekappt. Erleichterung ist in der Branche dennoch zu spüren: Jetzt zwickt es nur noch auf der Nachfrageseite, aber nicht mehr so sehr beim Ölpreis. Und so konnten Autoaktien in den vergangen Wochen Gewinne verbuchen, nachdem sie im ersten Halbjahr ein Viertel ihres Wertes eingebüßt hatten. Ein kräftiger Rückgang des Ölpreises hat die Investoren in den vergangenen Wochen in Kauflaune versetzt. Europaweit standen Autoaktien auf den Kaufzetteln der Anleger. Zu den größten Gewinnern im Dax zählten Daimler und BMW.

Einzelhändler

"Der Einzelhandel hängt stark an der Entwicklung der Energiepreise", sagt Unicredit-Stratege Stocker. Das schlechte Konsumklima war zu einem großen Teil durch die steigenden Rohstoffpreise verursacht - nicht nur Energie, auch Lebensmittel hatten sich spürbar verteuert, was den sparsamen deutschen Verbraucher gar nicht behagte. Bleibt nach dem Preisrückgang künftig mehr im Geldbeutel, könnte das dem Einzelhandel zugutekommen. Allerdings ist hier nicht nur der Ölpreis entscheidend, sondern auch der Gaspreis, dessen Entwicklung dem Ölpreis um ein gutes halbes Jahr hinterherhinkt; deshalb kommt die große Belastung durch die Gaspreise auf die Verbraucher erst noch zu. Hier ist wohl ein wenig Geduld bei den Anlegern gefragt, bis sich eine günstigere Preisentwicklung bemerkbar macht. Der Effekt dürfte aber größer sein als bei den Autos: Wegen eines Ölpreisrückgangs um 40 Dollar wird niemand ein Auto kaufen, aber vielleicht ein neues T-Shirt oder Buch.

Lebensmittel

Aufatmen dürften auch alle Hersteller von Lebensmitteln. Sie haben in der Vergangenheit massiv unter den Preissteigerungen für Agrarrohstoffe gelitten, die sie nicht in dem Maße an ihre Kunden weitergeben konnten, wie sie das gewünscht haben. Zugleich profitiert die Branche auch vom starken Dollar. Eine schwächere Weltkonjunktur macht den Unternehmen dagegen kaum zu schaffen: Gegessen wird schließlich immer.

© SZ vom 05.09.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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