Börsengang:Heißer Tanz auf dem Parkett

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Drei Unternehmen streben derzeit an die Börse. Teilweise allerdings nur, um das frisch eingenommene Geld gleich wieder weiterzureichen.

S. Boehringer u. M. Hesse

Vor zehn Jahren stürzten sich Anleger begierig auf jedes neue Unternehmen, das an die Börse ging, besonders in Deutschland: Als der Siemens-Ableger Infineon am 13. März 2000 seine Aktien unters Volk brachte, verdoppelte sich der Kurs schon zum Börsenstart. Und jeder, der von seiner Bank einen der begehrten Anteilsscheine zugelost bekommen hatte, konnte sich über einen satten Emissionsgewinn freuen.

Von solchen Losverfahren sind Börsenkandidaten heute weit entfernt. Zuletzt traute sich kaum eine Firma an die Börse. Doch nun streben erstmals seit Ausbruch der Finanzkrise gleich vier Firmen aufs Frankfurter Parkett: Der Kabelnetzbetreiber Kabel Deutschland (KDG), die Chemielogistik-Firma Brenntag, das Modeunternehmen Tom Tailor und der chinesische Bad-Ausstatter Joyou.

1999 hatten Börsendebütanten 37 Milliarden Euro eingesammelt - ein Wert, der im folgenden Jahrzehnt nie wieder erreicht wurde (Grafik). "Sie hätten Aktien damals mit 'ck' schreiben können und die Leute hätten gekauft", sagt Franz-Josef Leven vom Deutschen Aktieninstitut (DAI).

Drei Börsengänge in zwei Wochen

Nun könnte der KDG-Börsengang, der für kommenden Montag geplant ist, der Auftakt zum Comeback des Neuemissionsgeschäfts werden. Am 26.März will Tom Tailor folgen, drei Tage später plant Brenntag das Debüt, am 30.März Joyou. KDG und Brenntag wollen im besten Fall je mehr als 800 Millionen Euro einnehmen, bei Joyou (100 Millionen Euro) und Tom Tailor (140 Millionen) geht es um kleinere Beträge. Alle streben in den Prime Standard, das Segment mit den höchsten Qualitätsanforderungen der Deutschen Börse.

Haben die vier Erfolg, dürften sich bald weitere Kandidaten vorwagen, vor allem Finanzinvestoren wollen sich von vielen ihrer Firmen trennen. Für Anleger, die an der Zeichnung, also dem Kauf von Aktien möglicher Debütanten interessiert sind, sollte oberste Regel sein: Nur kaufen, was man versteht. "Es ist völlig unerheblich, ob es sich um einen Börsenneuling handelt oder um eine etablierte Gesellschaft. Anleger sollten nur zugreifen, wenn sie grundsätzlich bereit sind, in eine bestimmte Branche zu investieren", rät DAI-Experte Leven.

Besonders erfolgreich bei Neuemissionen waren in der Vergangenheit diejenigen Investoren, die zumindest einen Teil ihrer Aktien bald nach dem Börsengang wieder verkauften. "Ein kleiner Zeichnungsgewinn ist im Durchschnitt realistisch, aber nicht mit absoluter Gewissheit zu erwarten", meint Leven. Davon spricht man, wenn der Einstandspreis an der Börse höher ist als der Preis, zu dem Investoren die neuen Aktien vor der Börsennotiz zugeteilt bekamen. "Unter Umständen müssen Anleger aber auch mit Kursverlusten rechnen", warnt Leven.

Nach dem Ende der New Economy hatten viele Privatanleger ihre Titel zu spät und mit hohem Verlust verkauft.Carsten Heise, Geschäftsführer bei der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), rät daher langfristig orientierten Anlegern lieber ab von Erstemissionen.

"Wer Aktien vor dem Börsendebüt kauft, spekuliert auf einen schnellen Zeichnungsgewinn", so Heise. Wer grundsätzlich an dem dahinter stehenden Unternehmen interessiert sei, könne genauso "abwarten, bis sich ein fairer Marktpreis an der Börse gebildet hat und dann einsteigen". In der Regel erwarten Investoren von Börsenneulingen deutliche Bewertungsabschläge im Vergleich zu notierten Konkurrenten.

Von den drei Debütanten nach Ostern hält Heise "am ehesten Brenntag" für private Investoren für geeignet. Zu besonderer Vorsicht rät der Anlegerschützer bei Kabel Deutschland: "Das Unternehmen geht in erster Linie an die Börse, weil der Finanzinvestor seine Anteile verkaufen will. Vom Emissionserlös fließt nichts ins Unternehmen, obwohl dieses Geld benötigt", begründet er seine Skepsis. Brenntag und Tom Tailor wollen zumindest einen Teil der Einnahmen in die Expansion stecken, aber auch die Schuldenlast senken. Der höchste Anteil des Emissionserlöses fließt bei Joyou in die Firma.

Investoren trennen sich von Anteilen

Eigentümer, die all ihre Anteile verkaufen, werden in der Regel versuchen, den Emissionspreis möglichst hoch zu treiben. Der Spielraum für spätere Kursgewinne sinkt. Wer dagegen länger investiert bleibt, hat auch nach dem Börsenstart großes Interesse an einer kontinuierlichen Kursverbesserung.

Die Eigentümer von KDG, Brenntag und Tom Tailor, jeweils Finanzinvestoren, trennen sich vorerst nur von einem kleineren Teil ihrer Aktien. Das spricht für anhaltendes Interesse an den Firmen. Da Beteiligungsfirmen jedoch mittelfristig ganz aussteigen, sind spätere Kursverluste möglich.

Wen all dies und die unsichere Lage an den Börsen nicht abschreckt, der kann KDG-Aktien bis Freitag zeichnen. Die Frist für Brenntag läuft eine Woche länger, bei Tom Tailor kann man vom 19. bis 24. März zugreifen. Joyou bietet sich vom 23. bis 26. März an.

© SZ vom 18.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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