Börsen nach dem Fed-Eingriff:Eine Beruhigungspille - mehr nicht

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Die US-Notenbank Fed hat die Aktienmärkte mit ihrer unverhofften Diskontsatzsenkung vorerst zwar beruhigt. Doch es stehen nach wie vor unruhige Wochen ins Haus.

Paul Katzenberger

Mit der unverhofften Senkung des Diskontsatzes am Freitag hat der amerikanische Notenbank-Präsident Ben Bernanke an den Weltbörsen erst einmal für Ruhe gesorgt. Während sich die amerikanischen Aktienmärkte noch am Freitag deutlich erholten, gingen die Kurse auch in Asien und Europa zum Start in die neue Handelswoche in den Steigflug über.

Vor allem in Tokio ging es deutlich nach oben: Der Leitindex Nikkei-225 legte um mehr als drei Prozent zu. Dieses Plus relativiert sich allerdings durch den kräftigen Einbruch vom vergangenen Freitag, als der Nikkei gut fünf Prozent verlor. Der Tokioter Konter vom Montag war also nicht stark genug, um allein die Freitagsverluste auszugleichen.

Auch der deutsche Leitindex Dax lag am Montag im Handelsverlauf im Plus, wobei der Zuwachs von einem knappen halben Prozent auf etwa 7.400 Punkte nahe legt, dass sich die Euphorie am Frankfurter Parkett in Grenzen hielt.

"Reduzierte Verspannungen"

Für überschwängliche Erwartungen besteht nach Auffassung der meisten Beobachter derzeit aber auch kein Anlass: Die Verspannungen im Geldmarkt hätten sich durch den Fed-Eingriff zwar etwas reduziert, meint etwa der Aktienstratege Mathias Jörss von Sal. Oppenheim. Doch das ändere nichts daran, dass sich die Risiken für Aktienanleger mittelfristig erhöht hätten: "Der News-Flow wird in den nächsten Wochen relativ unappetitlich bleiben", sagte der Experte zu sueddeutsche.de

Vor allem erwartet Jörss, dass die Turbulenzen an den Geldmärkten nicht vollständig an der Realwirtschaft vorbeigehen. Denn nicht nur am US-Immobilienmarkt gebe es eine Blase: "Auch auf den Immobilenmärkten in Spanien und in Großbritannien hat es zuletzt derartige Übertreibungen gegeben. Diese Ländern sind von der Entwicklung in den USA also besonders betroffen", so der Stratege.

Spanien und Briten könnten weniger konsumieren

Es sei daher zu befürchten, dass der Konsum nicht nur in den USA, sondern auch in Spanien und Großbritannien deutlich rückläufig sein könnte. Da der Konjunkturaufschwung in Deutschland vor allem aber exportgetrieben sei, bestünden deswegen auch hierzulande Wachstumsrisiken.

Für den hiesigen Aktienmarkt bedeute dies: "Die Anleger werden sich von konjunktursensiblen Titeln aus der Konsumgüter- oder Automobilindustrie trennen und sich stattdessen zu den Financials oder defensiven Sektoren wie Telekom oder Versorger orientieren", so Jörss.

Mit dieser Sektorrotation gehe eine größere Volatilität einher, außerdem bestehe nach wie vor das Potenzial für weitere Korrekturen nach unten: "Kursstände beim Dax von 6800 oder 6600 Punkten werden von Marktteilnehmern inzwischen nicht mehr für ganz so ausgeschlossen gehalten", warnt der Experte.

Belastende Meldungen

Auch der Aktienfachmann Horst Soulier von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) sieht unruhige Wochen auf die deutsche Börse zukommen: "Bei der Immobilienkrise in den USA handelt es sich um ein systemisches Problem - sowas dauert länger", stellt der LBBW-Experte fest. Es sei daher in den nächsten Wochen mit weiteren Liquiditätsengpässen bei Hypothekenbanken zu rechnen. Jede dieser Meldungen werde die Börse zunächst belasten.

Allerdings seien die anderen Segmente des Rentenmarktes von dieser "Subprime-Problematik" nicht allzu sehr betroffen: "Das Ausfallrisiko von durchschnittlichen Unternehmensanleihen beträgt nach wie vor nur 1,6 Prozent", konstatiert Soulier. Der primäre Anleihenmarkt sei daher nicht in seiner Funktionalität gefährdet, allzu große Risiken bestünden also auch nicht für den Aktienmarkt.

Zwar erkennt auch Soulier Risiken für die US-Konjunktur, doch deren Auswirkungen auf das deutsche Wirtschaftswachstum seien eher gering: "Fünfzig Prozent des Weltwirtschaftswachstums kommen inzwischen aus Russland, Indien und China - die Rolle der USA als Konjunkturlokomotive relativiert sich daher", erklärt der Investment-Experte. Die LBBW halte ihre Wachstumsprognose für das deutsche Bruttoinlandsprodukt im kommenden Jahr bei 2,4 Prozent aufrecht.

Längerfristig gelassen

Für den Dax bedeutet dies aus Sicht der LBBW zunächst eine verhaltene - wenn nicht leicht rückläufige - Entwicklung: "Unser Kursziel für drei Monate liegt bei 7200 Punkten", prognostiziert Jörss. Mit Sicht auf ein Jahr ist der Experte allerdings schon deutlich optimistischer: "Da sehen wir den Dax nach wie vor bei 8000 Punkten."

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